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HELL/YEAH: Die Schreibschrift gehört abgeschafft — oder auch nicht !

von Elisabeth Rank
Spätestens am frühen Freitagnachmittag arten die Diskussionen in der WIRED-Redaktion aus. HELL/YEAH dokumentiert die hitzigste Debatte der Woche. In der vergangenen hat Finnland angekündigt, die Schreibschift aus den Schulen zu verbannen. Schüler sollen im PISA-Musterland in Zukunft vor allem per Tastatur ihre Texte schreiben. Einige bei WIRED finden das super, andere glauben aber noch immer an die Macht des handgeschriebenen Wortes. 


#Hell: Die  hässliche Wahrheit über  Schreibschrift (Der Text wurde erst in eben dieser verfasst, wie im Anhang zu sehen ist, dann getippt)

Eins vorneweg, diesen Text habe ich rein zur Dokumentation von einem handschriftlichen Dokument abgetippt. Ich habe das Stück ursprünglich in einem Rutsch heruntergeschrieben, um die Schwächen meiner und aller Schreibschriften dieser Welt zu offenbaren! Sie verleitet uns alle zu inhaltsleerem, argumentativ schwachem, unlesbarem und grammatikalisch falschem Gebrabbel. Hier also zur Festschrift:

„Egal, ob ihr diesen Satz lesen könnt, oder nicht. Er ist Beweis dafür, dass die Handschrift ein völlig veraltetes Subjekt aus der Vergangenheit ist. Nicht nur werde ich nie, und ich betone nie, eine schöne Handschrift haben, noch kann ich meine Argumentation wieder und wieder durchüberlegen und ihr bekommt am Schluss eine schlüssige Streitschrift. Klar, ich habe mir stattdessen vorher was überlegt, aber am Ende gibt es eben doch nur dieses Stück billige Papier. Gott sei Dank hat es noch jemand für euch eingescannt. Würde man mich außerdem nach meiner Handschrift beurteilen, ich hätte doch bei niemand und nirgends eine Chance, mit meinen echten Inhalten zu punkten. Ernsthaft, dass ich hier bisher noch nichts durchgestrichen habe, ist ein Wunder. Trotzdem ist das hier hingesaut, seien wir ehrlich. Und weil das mit handgeschriebener Schreibschrift alle so machen, glaube ich zumindest, tun wir doch gut daran, sie abzuschaffen. Deshalb: #Hell No!

#Yeah:  Die Schrift gehört zu einem Menschen, egal wie sie aussieht!

Ich lese Bücher auf Papier und ich schreibe noch von Hand. Ich Freak. Seit Neuestem benutze ich sogar wieder ein Notizbuch und trage einen dazugehörigen Kugelschreiber in meiner Tasche herum. Sharing? Nur mit mir selbst. Lesbarkeit? Variabel. Relevanz? Unbezahlbar. Denn natürlich können mir Menschen, die behaupten, man könne aus der Handschrift charakteristische Merkmale einer Person ablesen, neben allgemein bekannten Horoskopschreibern und den Buckel herunterrutschen. Dennoch kann ich an älteren Papieren und der darauf festgehaltenen Handschrift feststellen, wie es mir zu einem bestimmten Zeitpunkt ging und wo ich vermutlich geschrieben habe. Denn im Gegensatz zu anderen Menschen verfüge ich über ein Arsenal an Handschriften – und ich habe sie alle schätzen gelernt. Hier eine Variante davon, die aufgrund der Uhrzeit und des Kaffeekonsums nicht zur Schönschrift gezählt werden kann. Aber: It’s my Handschrift und ich schmiere if i want to. Obwohl ich nicht daran glaube, dass irgendein fremder Mensch aus meinem Gekrakel ablesen kann, welche charakterlichen Tendenzen ich aufweise, so gehört sie doch zu mir. Und sie hat wirklich nichts mit den in der Grundschule antrainierten Schwüngen und Bäuchen zu tun. Natürlich wollen Lehrer die Ergüsse ihrer Schützlinge lesen können, ich denke auch, dass Menschen, die in diversen Ämtern arbeiten, Freunde jener Druckschrift sind, die nun in Finnland ab 2016 zum Standard werden soll. Und trotzdem halte ich die Ausbildung einer Handschrift – und hiermit meine ich nicht erzwungene Diktatorenschreibübungen – in freiheitlichem Rahmen und damit aber eben auch schulisch für ähnlich wichtig wie Musik-, Programmier- und Kunstunterricht. Die Abschaffung von Handschrift ist auch ein Zeichen dafür, wie wenig Raum in der Schule für individuelle Entfaltung ist und dass es dort wie in vielen Bereichen um Effizienz und Anpassbarkeit von Kindern geht. „Kinder haben Probleme mit Schreibschrift? Okay, dann schaffen wir sie ab!“ lautet das Credo, anstatt zu überlegen, ob und wie man den Unterricht so gestalten kann, dass Handschrift auch Teil persönlicher Entwicklung bleibt – wie Musik und Kunst. Mir ist Schönschrift egal. Ich frage Freunde nach Erhalt einer Postkarte gern noch einmal nach dem Inhalt eben dieser, solange ich weiß, sie haben einen Moment irgendwo in der Pampa gesessen, sich einen Stift gesucht und einen Gedanken auf ein Stück Papier gekritzelt. In Handschrift stecken Geheimnisse, Stimmungen und Situationen, die in Druckschrift kaum noch zu erkennen sind und sprichwörtlich ausradiert werden. Mit der Kulturgeschichte des Schreibens fang ich jetzt gar nicht erst an. Sonst fällt mir die Hand ab.

 

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