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Xavier Naidoo bekommt den Preis als irrster Verschwörungstheoretiker des Jahres

von Dominik Schönleben
Am 30. Oktober 2015 wurde der Preis für die verrücktesten Verschwörungstheorien des Jahres in Berlin verliehen: Der Goldene Aluhut, quasi der Oscar für Verschwörungsfreunde. Dabei ging es aber um mehr als nur Hähme — denn Verschwörungstheorien sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

„Die Medien sind vom Pentagon und der NSA darauf angesetzt, über den Goldenen Aluhut zu berichten, um Verwirrung und Unwahrheit in der Bevölkerung zu verbreiten“, verkündet Giulia Silberberger, die Initatorin des Goldenen Aluhuts. Es ist ihre Erläuterung für eine vom Verschwörungs-Generator ausgespuckte Theorie. Ein Bühnenspiel, das vor der Preisverleihung des Goldenen Aluhuts stattfindet und die Beliebigkeit der meisten Verschwörungstheorien verdeutlichen soll.

Weitere live auf der Bühne generierte Theorien: „Die Grünen kontrollieren die Flüchtlinge“ und „Die Medien arbeiten für Außerirdische“. Jedes Mal haben die Moderatoren spontan eine passende Erkärung parat, die so oder so ähnlich auch auf einem verschwurbelten Verschwörungs-Blog oder in sozialen Medien irgendwo im Internet stehen könnte.

Die Vorträge und Kabaretteinlagen des Abends liegen irgendwo zwischen Klamauk und Realsatire, zeigen aber mit erschreckender Deutlichkeit, wie weit Verschwörungstheorien bereits in die Mitte unserer Gesellschaft vorgedrungen sind. Ewa wenn Eric Siegert, der Administrator der erfolgreichsten Edward-Snowden-Fanseite auf Facebook, berichtet, wie er konstant von besorgten Bürgern aufgefordert wird, er solle endlich die Wahrheit über 9/11 oder Area 51 preisgeben — weil sie glauben hinter der Seite stehe tatsächlich Snowden selbst. Deshalb versucht der 20-Jährige die Reichweite seiner Seite dafür zu nutzen, die Menschen zum Hinterfragen zu animieren. Eine nahezu sisyphosartige Arbeit, wie die Realität in den sozialen Medien zeigt.

Welche Folgen es hätte, wenn die Erde wirklich flach wäre, erläutert an diesem Abend etwa der Diplom-Physiker Hans Pfeufer. Und zwei Autoren des Aufklärungs-Blogs Sonnenstaatland entkräften die Argumente der sogenannten Reichsbürger in einer Kaberetteinlage. Alle Vorträge sollen praktische Gegenargumente zu klassischen Verschwörungstheorien liefern.

Nicht nur die Preisverleiher und Show-Acts geben sich der vermeintlichen Lächerlichkeit hinter Verschwörungstheorien hin. In Gesprächen während den Pausen hört man immer wieder Sätze wie: „Da hast du einfach keinen ausgebildeten Wünschelroutengänger engagiert“ oder Anspielungen darauf, wie man den perfekten Aluhut baut. Aucht Die Partei ist mit einer Delegation vor Ort: Die Mitglieder verteilen Pamphlete, in denen sie Werbung für berühmte Verschwörungstheorien machen. Es ist eine Veranstalltung zwischen Häme und trauriger Realität.

„Ihr könnt die Menschen nicht retten“, resümierte Giulia Silberberger kurz vor Vergabe des Awards: „Ihr könnt ihnen nur Informationen geben.“ Das beleuchtet die tragische Situation der „Skeptiker“, wie sich die Anti-Verschwörungstheorie-Bewegung nennt, der sie angehört. Egal, wie sehr sie sich über diese Menschen lustig machen, eine Lösung ist das nicht. Denn die Verschwörungstheorien breiten sich durch das Internet und die sozialen Medien aus, die versprenkelten, einzelnen Irren sind zu einer Bewegung, einer sich selbst befeuernden Community geworden. Gegen diese Normalisierung der angeblichen Weltverschwörung will Silberberger mit ihrem Award deshalb ein Zeichen setzen. Die diesjährigen Preisträgern des Goldenen Aluhuts sind:

Xavier Naidoo in der Kategorie „Rechtsesoterik, Reisbürger & BRD-GmbH“ für seinen Auftritt als Redner bei einer Demonstration der Reichsbürger vor dem Kanzleramt. Wenn Stars wie der Musiker Naidoo Verschwörungstheorien unterstützten, würden diese erst legitimiert und gesellschaftsfähig gemacht, so die Begründung für seine Auszeichnung. Naidoo erhielt mit Abstand die meisten Stimmen bei der Preisvergabe.

Der Kopp Verlag in der Kategorie „Medien und Blogs“ für seine jahrelange Förderung der Verschwörungstheorien-Literatur. Auf gedrucktem Papier bekommen die im Internet verbreiteten, wirren Theorien neues Gewicht. Der Verlag gibt Autoren wie Udo Ulfkotte und Eva Herman seit Jahrzehnten eine Plattform.

Melanie Missing (Wrage GmbH) in der Kategorie „Esoterik, Mind Control und Grenzwissenschaften“ für ihre Heilarbeit mit der „Lichtenergie der Einhörner“. Missings Phantastereien von Einhörnern aus der 7. Dimension, die uns helfen und heilen können, wurden als besonders gefährlich eingestuft. Menschen geben in ihrem Shop viel Geld für angebliches Heilwasser aus, das einfach nur Wasser mit Glitzerstaub ist.

Richard Hiltner mit seiner Organisation „Impfen — nein Danke!“ in der Kategorie „Medizin“. Er versuchte, Ebola mit homöopathischen „Heilmitteln“ zu bekämpfen. Und gab so Kranken eine falsche Hoffnung und verhinderte, dass sie echte medizinische Hilfe bekamen.

Ria den Breejen in der Kategorie „Chemtrails“ für ihre Botschaften mit denen sie versuchte, weltweit Menschen gegen Chemtrails zu mobilisieren. Das sollen Chemikalien sein, die in den Kondensstreifen von Flugzeugen versprüht werden, um Menschen zu beeinflussen. Breejen flog extra nach Atlanta, um dort vor dem Hauptqurtier des Weather Channels zu demonstrieren. Vor allem in Deutschland sind Chemtrail-Gläubige eine noch immer starke Bewegung — obwohl sie international sogar von anderen Verschwörungstheoretikern belächelt werden.

Die ganze Veranstaltung als Video-Mitschnitt:

Das WIRED-Interview mit Giulia Silberberger über den Goldenen Aluhut findet ihr hier

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