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Nilz On Moviez / Für diese Netflix-Serie bräuchte man eine neue Oscar-Kategorie

von Nilz Bokelberg
In seiner WIRED-Kolumne sammelt Nilz Bokelberg seine Top-Serien und -Filme der kommenden zwei Wochen. Für euch sortiert von „Nicht hinsehen!“ bis „Unbedingt schauen!“.

#5   „Jessica Jones“, Netflix
Netflix hat mal wieder selbstproduziert und eine weitere Marvel-Figur zum Leben erweckt. Nach „Daredevil“ traf es diesmal „Jessica Jones“, so auch der gleichnamige Titel der Serie, basierend auf der Comicreihe „Alias“.

Jones ist Privatdetektivin in New York, die ein ordentliches Paket an Komplexen mitbringt, das sie aber durch viel Alkohol, übermäßige Gewaltanwendung und die üblichen Bindungsängste junger Großstädter kompensiert. So lange zumindest, bis sie durch einen scheinbar unkomplizierten Auftrag die Vergangenheit wieder einholt — in Form ihrer Nemesis Kilgrave. Denn, ach ja, ganz vergessen, Jones hat Superkräfte und Kilgrave hat noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen.

Ich bin kein großer Fan der Marvel-Hefte, wohl aber ihrer Verfilmungen. Deshalb habe ich mich sehr auf diese Serie gefreut und dachte, sie wird ein weiterer Puzzle- und Meilenstein eines großen Plans und der dahinter verflochtenen Welt der Marvel-Filme.

Was ich super finde, ist New York als Schauplatz. Keine erfundene Stadt wie Gotham oder Metropolis wie bei den Kollegen des Konkurrenz-Verlages DC, sondern der Real Shit. Das mag ich. Auch das Cast, vor allem Krysten Ritter als Jones, aber auch David „Ex-Doctor“ Tennant als Bösewicht Kilgrave, ist weltklasse.

Ich habe aber so meine Probleme mit dem Buch. Klar, das soll hier Film Noir sein, alles sehr bitter, sehr kauzig, sehr tough. Aber in den schlechtesten Momenten — und davon gibt es meiner Meinung nach leider einige — steckt die Figur Jessica Jones voller schlechter Klischees. Hätte ein Mann diese Rolle gespielt („ich trinke einen Whiskey, bevor ich ins Bett gehe, und kille jeden mit einem coolen Spruch auf den Lippen“) hätte man die Serie ausgelacht. Ich dachte, Klischees mit Geschlecht zu rechtfertigen, wäre seit Mario Barth out?

Fairerweise sei gesagt: Es wird am Ende besser. Die Story wird spannend. Aber genervt haben mich diese Klischees wirklich, deswegen nur Platz Fünf.

#4   „Bridge of Spies“, Kino
Spielberg hat wieder abgeliefert – und wie! Zusammen mit Tom Hanks legt die Regielegende einen Film vor, dessen Drehbuch von den Coen Brüdern nochmal überarbeitet wurde.

Tom Hanks ist James Donovan, ein amerikanischer Anwalt, der zu Zeiten des kalten Krieges den russischen Piloten Rudolf Abel verteidigen muss. Zum Ende der 50er Jahre, als die Menschen meinten, das Wettrüsten über ihren Köpfen zu spüren. Aber Donovan ist ein Mann mit Prinzipien und einem unerschütterlichen Glauben an Gerechtigkeit. So nimmt er sich seiner undankbaren Aufgabe an. Doch als es plötzlich darum geht, Abel als Pfand gegen Russland einzusetzen, wächst Donovan die Sache über den Kopf. Oder wächst er über sich hinaus?

Das historische Setting stimmt. Die wahre Geschichte, auf welcher der Film basiert, hat wirklich den Erzählstoff für großes Kino. Und das Buch von Matt Charman arbeitet das exakt heraus, bestimmt auch durch die Nachpolitur der Coens. Hanks bietet endlich wieder Spielfreude und eine seiner besseren Performances, wodurch er sicher gute Chancen auf eine neue Oscar-Nominierung hat. Sein Spielpartner Mark Rylance als Abel spielt ihn sogar ein wenig an die Wand, aber Hanks ist alter Hase genug, ihm diesen Raum zu lassen und trotzdem — oder gerade deshalb — zu brillieren. Klar ist, dass dieser Film gesehen werden muss.

Aber:

Vielleicht ist das etwas vermessen, aber kann Spielberg nicht mal wieder seine Fantasie spielen lassen? Ich bin mit einem Spielberg aufgewachsen, der Wunderwelten erdacht hat. „Close Encounters“, „Indiana Jones“, „Der weiße Hai“. Und neulich hab ich mal wieder „E.T.“ gesehen. Ich will diese Welten wiederhaben! Klar, man kann niemandem seine persönliche Entwicklung vorwerfen. Aber wie sehr fehlt ein Spielberg im Kino, der einen „E.T.“ erfindet?J.J. Abrams ist der Hammer, aber er ist eben Abrams, nicht Spielberg. Und wo wir schon einmal dabei sind: Kann Hanks nicht mal bitte bitte bitte wieder eine Komödie machen? Was ist da eigentlich passiert: Warum gehen viele tolle Komödianten ans ernste Fach verloren? Ich bin dagegen!

#3   „Blacktape“, Kino
Mockumentarys sind der vermutlich beste Weg, Musik zu erzählen. Das hat man bei „Spinal Tap“ gesehen, aber auch bei „All you need is cash“, der Beatles-Parodie über die ebenfalls fiktionale Band The Rutles mit Monty-Python-Mitglied Eric Idle. Oder zuletzt bei „Fraktus“, dem Film über die vergessenen Technopioniere von den Künstlern um Studio Braun. Nun hat Sékou Neblett, bekannt als Freundeskreis-Kopf neben Max Herre, das Genre um einen weiteren Film bereichert. „Blacktape“ ist deshalb so spannend, weil er das Prinzip ganz anders nutzt. Alle Protagonisten des Films sind echte, real existierende Größen oder Wegbereiter des deutschen Hip Hop. Im Zentrum des Films sind Falk Schacht, der wichtigste deutsche Hip-Hop-Journalist, und Marcus Staiger, Pionier im deutschen Rap mit seinem damals wegweisenden Label Royal Bunker, einem Label, das sich als Talentschmiede entpuppte. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Tigon, dem Rapper, der angeblich Deutschrap gestartet haben soll.

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Die Figur Tigon ist nur der Aufhänger, um zu erklären, was man an Hip-Hop lieben muss. Der Film ist eine ganz wundervolle Hommage, die sich jeder ansehen sollte, der Rap mag. Klar, Regisseur Sékou hat als Teil der deutschen Rapgeschichte Zugang zu den Künstlern wie kaum ein anderer Regisseur und bekommt so O-Töne, die unverstellt sind. Leidenschaftlich, for the love of the game. Niemand anders hätte diesen Film so hinbekommen. Und Staiger und Schacht funktionieren zusammen sowieso immer super. Der beste deutsche Hip-Hop-Film seit „Whole Train“ – und die beste Doku über das Sujet.

#2   „Deutschland 83“, RTL
Da hier vermutlich jeder meine Lobeshymne auf die beste deutsche Serie aller Zeiten vergessen hat, hier nochmal ein Hinweis darauf. Denn jetzt läuft die Serie endlich an! 

#1   „/w Bob and David“, Netflix
Ich hab das nur geguckt, weil es zufällig neu war. Wirklich. Netflix ist ja immer so: Sich fünf Stunden nicht entscheiden können und dann was gucken, was man schon kennt. Da lohnt es sich manchmal, auf Risiko zu gehen: „/w Bob and David“ ist eine Sketch-Show von und mit Bob Odekirk (bekannt als Saul Goodman aus „Better call Saul“) und David Cross (bekannt aus „Arrested Development“). Und ich lehne mich weit aus dem Fenster, aber das tue ich gerne, wenn ich behaupte, dass es die lustigste Sketch Comedy ist, die ich seit „Monty Pythons Flying Circus“ gesehen habe.

Die Witze sind von subtil bis überdreht. Die Live-Sketche sind ebenso einfallsreich wie die Einspieler und alles hängt immer auf ganz wundervolle Art und Weise zusammen. Odenkirk und Cross haben dabei eine Vorliebe für Figuren, die immer ein wenig weh tun – aber die machen eben auch am meisten Spaß. Man sollte sich die vier Folgen in Ruhe ansehen, vielleicht mit einem schönen Glas Wein. Und hoffen, dass es bald Nachschub gibt, in derselben äusserst gelungenen, intelligenten und ebenso albernen wie schmerzbefreiten Art und Weise. 

Für ihren Salesmen-Sketch sollte eine eigene Oscar-Kategorie eingeführt und dann nur ein einziges Mal für dieses kleine Meisterwerk verliehen werden. Unfassbar großartig.

So, genug geschwärmt. Viel Spaß beim Schauen! Ich wünschte, ich könnte die Folgen noch einmal zum ersten Mal sehen. 

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