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Websites wissen bald, ob du genervt bist

von Michael Förtsch
Ein Forscherteam um einen US-Wissenschaftler hat festgestellt, dass genervte und frustrierte Menschen anders surfen. Über diese Signale könnten Webdienste, Online-Shops und Social Networks in Zukunft den Gemütszustand ihrer Nutzer ermitteln.

Wer unter emotionalem Stress steht, der verhält sich nicht so, wie er es sonst tut. Das ist eine Binsenweisheit – aber eine wahre. Und die schlägt sich auch im Internet nieder. Denn wie Forscher um den Assistenzprofessor Jeff Jenkins von der Brigham Young University in Utah, USA ermittelten, scheuchen frustrierte, genervte und verwirrte Nutzer den Mauszeiger in ganz besonderer Weise über den Bildschirm. Nämlich in kurzen, sporadischen Schüben, die eine wenig präzise Navigation erlauben. Sind sie dagegen gelassen, so die internationale Forschergruppe, lassen sie den Zeiger sehr gezielt und in ruhigen Bahnen umherfahren.

Zur Ermittlung dieser Ergebnisse haben die Wissenschaftler insgesamt drei Experimente durchgeführt. So haben sie etwa die Mauszeigerbewegungen von 65 Teilnehmern der Amazon-Dienstleistungsvermittlung Mechanical Turk registriert, während diese Sortieraufgaben ausführten. Später wurden 126 Probanden beobachtet, die eine E-Commerce-Seite nutzen sollten – wobei einige Teilnehmer „zufällig frustriert“ wurden. Dabei hätte sich mit 82 Prozent Sicherheit anhand der Mausbewegungen sagen lassen, welche Individuen unter Druck standen. In einem finalen Experiment sollten Probanden hingegen selbst ihren Gefühlszustand bewerten, während sie einen Online-Service nutzten. Hierbei hätte sich offenbart, dass sich am Surfverhalten nicht nur Anspannung, sondern auch deren Ausmaß ablesen lasse.

Die Forscher fanden heraus, dass sehr genervte Personen Buttons und Textfelder tatsächlich deutlich ungenauer ansteuern und den Zeiger impulsiv bewegen. Um bis zu 30 Prozent nehme die Mausbewegung ab und die zur Navigation nötige Zeit um bis zu 20 Prozent zu. Dies könne dafür sorgen, dass Nutzer etwa entnervt eine Website verlassen oder eine Bestellung abbrechen – unabhängig davon, ob die Frustration aus der Nutzung der Website selbst oder anderen Umständen resultiert. Wie Jenkins und seine Kollegen in der Fachzeitschrift MIS Quarterly erläutern, könnten diese Erkenntnisse Webentwicklern in Zukunft erlauben, den Gemütszustand ihrer Nutzer einzuschätzen und darauf zu reagieren.

„Traditionell ist es sehr schwierig zu sagen, wann ein Nutzer frustriert wird“, sagt Jenkins. „Wenn es möglich ist, negative emotionale Reaktionen zu fühlen, können wir die Seite anpassen und versuchen, den Stress zu eliminieren oder zu helfen.“ Wie das passieren soll, lassen die Forscher im Dunkeln. Jedoch könnte Facebook etwa verstärkt Katzenbilder und positive Inhalte in die Timeline fließen lassen oder Amazon den Bestell-Button automatisch in der Größe anpassen, damit dieser einfacher zu treffen ist. Allerdings wecken derartige Erkenntnisse und vor allem daraus resultierende Mechaniken auch ethische und datenschutzrechtliche Bedenken. Sollen Amazon, Facebook und Co. eigentlich wissen dürfen, wann und wie sehr wir genervt sind?

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