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WIRED Money 2016: Die Zukunft der Cryptowährungen

von Dominik Schönleben
Bitcoin ist in der Krise – doch die Idee hinter der Cryptowährung nicht. Banken und Unternehmen haben die Technologie längst für sich entdeckt. Sie könnte den Finanzsektor revolutionieren. Aber nicht so, wie der Bitcoin-Erfinder es sich gewünscht hätte.

Für Peter Smith ist das Ende noch nicht gekommen. „Wir müssen das Netzwerk auf irgendeinem Weg massentauglich machen,“ sagt der CEO von Blockchain.info. Er ist einer der wichtigsten Bitcoin-Analysten der Welt und der erfolgreichste Konto-Anbieter für die digitale Währung. Smith weiß, das Prinzip Bitcoin steckt in in einer schweren Krise, und er weiß, warum es keine Lösung gibt: „Viele Menschen haben eine quasi-religiöse Perspektive auf die Technik und deshalb gibt es keine gemeinsamen Weg“, sagt Smith.

Bitcoins größte Stärke ist gleichzeitig ihre größte Schwäche: Niemand hat die Kontrolle über die Währung, alle Veränderungen müssen gemeinsam bestimmt werden. Jeder muss auf seinem Rechner den Code ändern, damit sich Bitcoin weiterentwickeln kann. Ziehen dann nicht alle am selben Strang, könnte sich die Währung in zwei oder mehrere neue aufspalten. Danach wäre das digitale Geld unter Umständen wertlos.

Aber warum muss sich überhaupt etwas ändern? Die Finanz-Transaktionen von Bitcoins dauern im Durchschnitt zwischen fünf und zehn Minuten, manchmal aber auch Stunden – und sie sind teurer als die Nutzung einer Kreditkarte. Die Ursache: Ein Sicherheitsmechanismus aus den Anfängen der Währung lässt nur eine begrenzte Zahl an Transaktionen pro Minute zu. Gleichzeitig ist die Zahl an Nutzern immer weiter gewachsen. Sollte sich nichts ändern, würde das Netzwerk auf lange Sicht wegen Überlastung in sich zusammenbrechen.

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Es gab bereits mehrere Versuche, diese Krise zu überwinden. Beim vielversprechendsten versuchte Gavin Andresen, der Nachfolger des Bitcoin-Erfinders, seinen eigenen Code mit einer Urabstimmung als neuen Standard zu etablieren. Er scheiterte. Die Interessen der Entwickler und Unternehmen, die Einfluss auf die Zukunft der Cryptowährung haben, sie waren und sind einfach zu verschieden. Einige profitieren finanziell sogar vom Status Quo.

Viele Menschen haben eine quasi-religiöse Perspektive auf Bitcoin

Peter Smith, CEO von Blockchain.info

Dass die Cryptowährung vor einer ihrer größten bisherigen Herausforderungen steht, glaubt auch Catherine Mulligan vom Londoner Imperial College, die Unternehmen und Staaten in Sachen Cryptowährung berät. Für sie ist das Ganze ein Rätsel: „Bitcoin basiert auf einem Protokoll, bei dem Menschen einen Konsens finden, ohne miteinander zu sprechen. Um aber die Technologie zu verändern, brauchen sie Konsens in der echten Welt und müssen reden.“

Doch selbst wenn sich die Community zusammenraufen sollte, Bitcoin werde kein Revolutionstreiber mehr werden, glaubt Mulligan. Sie und viele andere setzen längst auf die technologische Innovation, die hinter der Währung steckt: „Bei einem dezentralisierten Kassenbuch wie es Bitcoin bietet, geht es um den Austausch von Wert. Es geht nicht nur um Geld“, sagt Mulligan.

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Sollte Bitcoin scheitern, an seiner Krise zerbrechen, wäre das kein Drama für die Branche. Banken, Unternehmer und Visionäre arbeiten bereits an neuen Systemen, die sich die Technologie hinter der Währung zu nutzen machen, um den FinTech-Sektor zu dominieren. Eine der innovativsten Vorstöße ist die digitale Währung Ethereum.

„Es gibt Menschen, die sagen, dass Bitcoin eine apolitische Währung ist. Aber die Krise hat gezeigt, dass das nicht wahr ist“, sagt Vitalik Buterin, der Gründer der Ethereum Foundation. Seine Stiftung will mit Ethereum eine Alternative zu Bitcoin sein. Ein Blockchain-Technologie, die mehr als eine Währung ist. Neue Anwendungsgebiete könnten die digitale Verifizierung und Dokumentation von Verträgen, Wertpapieren oder Domain-Registrierungen sein. „Die Idee bei Ethereum lautet: Welche Anwendung dir auch einfällt, man kann sie mit der Blockchain verbinden“, sagt Buterin.

Im Wesentlichen geht es darum, Vertrauensprobleme zu lösen

Vitalik Buterin, Gründer der Ethereum Foundation

Hier liegt der entscheidende Unterschied: Während Bitcoin nur eine digitale Währung ist, nimmt Etherum die dahinterliegende Technologie der Blockchain und will sie auch für andere Zwecke einsetzen. Die Blockchain ist ein digitales Kassenbuch, das auf den Computern aller Nutzer hinterlegt wird. Es garantiert die Sicherheit und Nachvollziehbarkeit im System. „Im Wesentlichen geht es bei der Blockchain darum, Vertrauensprobleme zu lösen“, sagt Buterin. Und dieses Vertrauen wünscht man sich für viele digitale Systeme, vor allem im Finanzsektor. Wenn man nicht einem bestimmten Unternehmen vertrauen will, dann kann man durch die Blockchain dem Kollektiv vertrauen. Auch Cryptowährungs-Expertin Mulligan glaubt, dass das Vertrauen in die Blockchain das „Potential hat, große Teile der Gesellschaft, den Finanzsektor und die Industrie zu revolutionieren“.

Bisher musste man für ein neues Anwendungsgebiet stets eine eigene Blockchain entwickeln. Mit Ethereum soll sich das ändern. Dann bräuchte beispielsweise nicht jede Bank ihre eigenes digitales Kassenbuch, sondern könnte auf ein etabliertes System zurückgreifen. Vertrauen muss man nicht mehr einer einzelnen Bank, sondern dem Ethereum-Protokoll, dessen Code Open-Source im Netz zu finden ist.

Es gibt einen weiteren Aspekt, der für Unternehmen eine wichtige Rolle spielt: Weil bei Ethereum die Stiftung die Kontrolle behält, kann es niemals einen Streit mit den Dimensionen der Bitcoin-Debatte geben. „Wenn man ein Trottel ist und für die Stiftung arbeitet, dann wird man eben entlassen“, sagt Ethereum Gründer Butterin. Bei Bitcoin gibt es hingegen bis heute keine Regelungen dafür, wie man neue Entwickler ernennen oder alte feuern könnte. Seit der Übergabe durch den Bitcoin Erfinder Satoshi Nakamoto an Gavin Andresen ist das Projekt in den Händen der gleichen fünf Entwickler, die dieser damals mit an Bord geholt hatte.

Andresen versuchte zwar, mit der Bitcoin Foundation einen ähnlichen Überbau zu schaffen, der das Wohl der Währung im Blick behält. Doch weil die anderen Core-Developer eigene Interessen verfolgen, ist der Einfluss der Stiftung begrenzt.

Ich halte Ethereum für ein interessantes Projekt, aber es hat sich noch nicht bewiesen

Peter Smith, CEO von Blockchain.info

Bis Ethereum Bitcoin überholen kann, ist es noch ein langer Weg: „Ich halte Ethereum für ein interessantes Projekt“, sagt Blockchain.info CEO Smith. „Aber es hat sich noch nicht bewiesen. Bisher gibt es noch keine realen Produkte“ Für ihn bleibt Bitcoin das einzige System, das sich bisher bewährt hat.

Mulligan vergleicht die aktuelle Entwicklung gerne mit den Anfängen der Halbleiter-Industrie. Damals gab es zahllose Startups, die versuchten sich durchzusetzen. Das Erstaunliche: Jene Firmen, die es zu Anfang gab, sind oft nicht die, die bis heute durchgehalten haben. Vielleicht könnte es Bitcoin ähnlich ergehen, wenn immer mehr Alternativen auf den Blockchain-Markt drängen.

„Es ist ziemlich offensichtlich, dass Bitcoin den globalen Dialog darüber verändert hat, was technologisch möglich ist“, sagt Smith. Selbst Microsoft hat sich jetzt mit einem Bankenkonsortium zusammengeschlossen, um neue Fintech-Produkte zu entwickeln, die auf einer Blockchain basieren. Bitcoin ist vielleicht nur der initiale Funke, der später im Fegefeuer eines Systems untergeht, das der anarchistische Cypherpunk und Bitcoin-Erfinder Satochi Nakamoto eigentlich boykottieren wollte.

Peter Smith von Blockchain.info, Cathrine Mulligan vom Imperial College und Christian Reitwiessner von Ethereum werden auf der WIRED Money 2016 als Speaker zu Gast sein.

Die Konferenz WIRED Money 2016 findet am 28. April in Berlin statt. Hier gibt es Tickets. Und hier findet ihr mehr zum Thema „Zukunft des Geldes“. 

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