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Eine App hilft den Menschen im Iran gegen die Sittenpolizei

von Michael Förtsch
Im Iran patrouilliert eine strikte Religionspolizei in den Straßen. Sie ahndet etwa das Tragen vermeintlich provokanter Kleidung oder öffentliche Liebesbekundungen. Eine App soll nun vor allem den Iranerinnen helfen, den Sittenwächtern zu entgehen.

Die Religionspolizei des Iran wird Ershad genannt. Ihre Aufgabe ist es, die Einhaltung der „islamischen Kleidungs- und Benimmregeln“ durchzusetzen. Dazu gehören eine „angemessene“ Verschleierung bei Frauen, aber ebenso „sittsame“ Kleidung bei Männern. Viele Iraner werfen den Sittenwächtern Willkür vor. Eine hervorlugende Haarsträhne unter Kopftuch und lila Lidschatten bei Frauen oder eine tiefsitzende Hose samt Hahnenkrammfrisur bei Männern können schon Grund für eine Festnahme und Belehrung durch die Ershad sein, ebenso ein Kuss auf offener Straße. Allein 2014 soll es fast drei Millionen Verwarnungen gegeben haben. Außerdem sollen die Uniformierten gern mal übergriffig werden und bei Widerworten zuschlagen. Viele Iraner versuchen deswegen, ihnen aus dem Weg gehen — eine App soll ihnen jetzt dabei helfen.

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Gershad, übersetzt etwa: „Umgehe die Ershad“, heißt die Applikation, die anonyme Entwickler diese Woche für Android veröffentlicht haben. „Die Polizei soll denn Bürgern Sicherheit bringen“, erklären sie ihre Motivation. „Sie soll kein Instrument der Angst sein.“ Gershad funktioniert ähnlich wie Blitzer- oder Schwarzfahrer-Apps, die vor Radarfallen oder Fahrkartenkontrolleuren warnen. Wurden Ershad-Agenten gesichtet, können Nutzer dies melden. Kommen für einen Ort genug Einträge zusammen, wird ein Polizisten-Symbol auf einer Karte verzeichnet. Damit wird ersichtlich, wo sich die Sittenwächter aufhalten und welche Straßen zu meiden sind. Nehmen die Meldungen ab, verblasst die Warnung. „Wenn es in einer Stadt viele Leute gibt, die Gershad zuverlässig nutzen, wird die App sehr genau sein“, sagen die Macher. „Aber letztlich seid ihr es, die über den Erfolg oder das Scheitern entscheiden.“

Schon kurz nach dem Erscheinen stieß die App auf große Resonanz. Binnen 48 Stunden sollen mehr als 10.000 Nutzer die Server der Entwickler fast in die Knie gezwungen haben. Doch äußersten ebenso viele Iraner Bedenken, was enttarnten Gershad-Nutzern drohen könnte — wobei die Entwickler Anonymität und eine mit SSL-verschlüsselte Kommunikation versprechen. Andere sehen die App wiederum als sichtbaren Aufschrei gegen die rigiden Beamten. „Mir ist egal, ob die App wirklich funktioniert“, twitterte eine Nutzerin. „Aber jeder Download ist ein Protestruf.“

Der Erfolg der App blieb auch den iranischen Behörden nicht verborgen. Mittlerweile wurde der Zugang zur offiziellen Website und zwischenzeitlich auch zur App blockiert. Jedoch arbeitet das Entwicklerteam daran, Gershad so schnell als möglich wieder flächendeckend verfügbar zu machen. Schon aktive Nutzer können die App dank eingebauter Anbindung an den Anti-Zensur-Service Psiphon weiterhin nutzen. 

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