Beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 versank die südlich vom heutigen Neapel gelegene Stadt Herculaneum in Schutt und Asche. Die Tragödie hat der Nachwelt einen unvergleichlichen Einblick in die antike Welt beschert: Zum Beispiel wurden unter den Ascheschichten karbonisierte Schriftrollen erhalten — verkohlte Artefakte, denen die Hitze das Wasser entzogen hatte, was sie wiederum vor dem Verfall bewahrte.
Im 18. Jahrhundert zerstörten Forscher viele der verkohlten Papyrusrollen, weil sie an den brüchigen Klumpen zupften und zerrten, um sie lesen zu können. Jetzt haben Wissenschaftler der University of Kentucky eine Methode gefunden, eine Schriftrolle aus dem Herculaneum zu entziffern, ohne sie auch nur ansatzweise zu öffnen.
Kaum mehr als Kohleklumpen, die aussehen wie verkümmerte Bananen
„Es geht darum, Wissenschaftlern zu helfen“, sagt Seth Parker, Projektmanager und Forscher am Center for Visualization and Virtual Environments. „Wir wollen es Historikern, Altphilologen und anderen Interessierten ermöglichen, Originaldokumente selbst zu erforschen.“
Dank einer neuen Scanning-Methode und dem passenden Software-Tool können Parker und sein Team alte Rollen — die kaum mehr als bloße Kohleklumpen sind und aussehen wie pechschwarze, verkümmerte Bananen — digitalisieren und lesbar machen.
Brent Seales, Professor für Computerwissenschaften, hat dafür den Volume Cartographer entwickelt, ein Programm, das es den Forschern ermöglicht, die Oberfläche einer verkohlten Papyrusrolle zu kartographieren. Die Anwendung soll so simpel sein, dass sie auch Nicht-Informatiker benutzen können.
Aus einer dreidimensionalen, welligen Oberfläche wird eine flache 2D-Variante, auf der man nach Wörtern suchen kann.
Und so funktioniert sie: Wie bei einer zusammengerollten Zeitung sieht man bei der antiken Rolle von der Seite betrachtet einzelne Schichten von Papier. Ein Scan ermöglicht deren Analyse am Computer. Dort kann der Nutzer der Software an den Stellen eine Linie vorgeben, wo er eine einzelne Schicht erkennt. Das Programm ist imstande, diese Seite dann in ihrer ganzen Breite aus dem Scan zu extrahieren.
Der Nutzer kann die Seite anschließend reliefieren, also mit einem Relief versehen: Aus einer dreidimensionalen, welligen Oberfläche macht das Programm eine flache 2D-Variante, auf der der Anwender nach Wörtern suchen kann.