Solarenergie wird in Deutschland immer wichtiger. „An sonnenreichen Tagen im Sommer kann Solarenergie bereits mehr als die Hälfte der Verbrauchsspitzen zur Mittagszeit decken“, schreibt die Agentur für erneuerbare Energien in Berlin. Prinzipiell eine positive Entwicklung, die den Netzbetreibern am Vormittag des 20. März diesen Jahres allerdings ernsthafte Probleme bereiten könnte. Wie der Verband europäischer Stromnetzbetreiber ENTSO-E warnt, könnten bei der Sonnenfinsternis an diesem Tag in ganz Europa zwischen 9:37 Uhr und 11:56 Uhr bis zu 35 Gigawatt schrittweise aus der Stromversorgung herausfallen.
Der Einbruch würde 150-200 Kernkraftwerken mittlerer Größe entsprechen.
Das würde „150 bis 200 konventionellen Kernkraftwerken mittlerer Größe“ entsprechen, schreibt der Verband. Allerdings wäre dies nur Fall, wenn am 20 März keine Wolken am Himmel zu sehen sind; die Solaranlagen würden dann binnen weniger Minuten dramatisch weniger Strom einspeisen, sobald der Mond sich vor die Sonne schiebt. Die Stabilität der Netze wäre gefährdet. Einen solchen abrupten Leistungsverlust könnten die für die Steuerung der Stromnetze zuständigen Zentralen kaum ausbalancieren.
Die Wissenschaftsjournalistin Maggie Koerth-Baker verdeutlicht in einem Blogeintrag anhand eines Beispiels, warum solche großen Veränderungen über einen kleinen Zeitraum die Stromnetze extrem belasten können. Sie vergleicht ein Stromnetz mit dem Strömungskanal in einem Erlebnisbad: Es sei keine Linie, sondern eine Schleife. Die Kraftwerke sind mit den Kunden verbunden, diese wiederum mit den Kraftwerken. Und das Stromnetz müsse, genau wie der Strömungskanal, innerhalb bestimmter Parameter betrieben werden: „Der Strom muss sich mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegen, und er muss mit einer konstanten Tiefe (also Spannung) fließen“, schreibt Koerth-Baker. „Um sicherzustellen, dass man konstantes Tempo und konstante Tiefe erhält, muss man auch eine nahezu perfekte Balance zwischen Angebot und Nachfrage halten, überall und zu jeder Zeit.“ Ein Ereignis wie die Sonnenfinsternis könne dieses Gleichgewicht außer Kraft setzen.
Forscher der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin haben in einer Studie von 2014 allerdings herausgefunden, dass die „in Deutschland vorhandenen Pumpspeicherwerke aus technischer Sicht das Potenzial haben, die resultierenden Schwankungen in der Solarstromerzeugung zu glätten“. Insgesamt sehen die Wissenschaftler dem 20. März recht gelassen entgegen: „Die Auswirkungen der Sonnenfinsternis auf die Solarstromerzeugung und auf das Stromversorgungssystem in Deutschland hängen stark von der Wetterlage ab, sind aber kalkulierbar und beherrschbar.“
Die Auswirkungen sind kalkulierbar und beherrschbar.
Darüber hinaus haben sich die europäischen Netzbetreiber schon seit Monaten mit Impact-Analysen auf die Herausforderung vorbereitet. Man arbeite eng zusammen und werde vor und während der Sonnenfinsternis Telefonkonferenzen zwischen den Kontrollräumen der jeweiligen Netzanbieter abhalten, betont ENTSO-E. Außerdem sei mit der Bundesnetzagentur in Bonn vereinbart worden, die Regelenergie am 20. März deutschlandweit zu erhöhen, um dem Kollaps vorzubeugen.
Letztlich wird sich für die Netzbetreiber und Konsumenten erst in den Tagen vor dem 20. März klären, ob die Sonnenfinsternis ernsthafte Folgen haben könnte. Nämlich dann, wenn ein zuverlässiger Wetterbericht vorliegt. Dann darf man sich ausnahmsweise auch mal über wolkiges Wetter freuen.