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Die Störerhaftung verschwindet – aber nicht dank der Regierung

von Max Biederbeck
Am Donnerstag hat der Bundestag die so genannte Störerhaftung für Betreiber von WLAN-Hotspots abgeschafft. Kann Deutschland sich dann so vernetzen wie andere Länder? Ja, kann es – aber nicht dank der Gesetzesänderung, kommentiert Max Biederbeck.

Die Störerhaftung ist ein ziemlich hartnäckiges Phänomen. Vor drei Wochen verkündete die Große Koalition nach jahrelangem Ringen mit einigem Tamtam: Wir schaffen sie ab. Wie das aber im Gesetz konkret aussehen soll, blieb unklar – bis zum Dienstagabend. Da einigten sich die Arbeitsgemeinschaften der Fraktionen auf einen neuen Text.

„Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter (...), die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen“, heißt es jetzt im Telemediengesetz. Anders formuliert: Genau wie die großen Provider, etwa die Telekom, müssen Privatpersonen nicht länger haften, wenn Dritte etwas Illegales in ihrem Netzwerk tun.

Das ist erst einmal gut, Deutschland kann jetzt international beim Thema Vernetzung aufholen. Deswegen soll es jetzt auch schnell gehen: Am Mittwoch beschloss der Wirtschaftsausschuss den Entwurf, am Donnerstag nahm ihn der Bundestag an.

Eine klare Sache also? Offenes WLAN in jedem Café von Wuppertal bis Berlin? Nein, so schnell geht es dann doch nicht. Der Gesetzestext hat eine Lücke, die erst von den Gerichten geschlossen werden wird. Wie gesagt, die Störerhaftung ist hartnäckig.

Vielleicht müssen WLAN-Betreiber in Zukunft keinen Schadensersatz mehr zahlen. Vor Unterlassungsansprüchen schützt sie aber weiterhin nur ihr Anwalt. Diese spricht das Gesetz nämlich nach wie vor nicht an. Die Union wollte das Thema nicht aufführen. Ihr Argument: Unterlassungen seien Teil des Urheberrechts und nicht des Telemediengesetzes.

Es bleibt ein Risiko, sein Wi-Fi für Kunden im Café zu öffnen – auch wenn die Message der Regierung eine andere ist

Es bleibt deshalb erst einmal ein Risiko, sein Wi-Fi zum Beispiel für Kunden im Café zu öffnen – auch wenn die öffentliche Message der Regierung eine andere ist. Denn die Abmahner können eben trotz der Novelle immer noch die Unterlassungserklärung schicken. Wer sie unterschreibt, muss weiterhin ordentlich zahlen, falls in seinem Netzwerk erneut jemand Unfug treibt. Und wer sich weigert, dem drohen noch immer riskante und teure Verfahren.

Ein Problem, das die Gerichte Schritt für Schritt werden lösen müssen – damit kommt ihnen wieder einmal eine quasi-gesetzgeberische Rolle zu. Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Bundesgerichtshof wurden beim Thema schon aktiv.

Der EuGH hat die Störerhaftung im Frühjahr kritisiert. In einem Gutachten stellte er fest: Das Recht der Gesellschaft auf freies Internet könnte schwerer wiegen als die Wünsche der Rechteinhaber. Der BGH urteilte passend im Mai, dass WLAN-Betreiber nicht unbedingt für ihre Gäste haften.

Sollte die neue Gesetzesnovelle vor einem Gericht landen, weil etwa jemand gegen eine Unterlassung klagen will, dann dürften die Richter ähnlich entscheiden. Sie werden sich auf den Kontext und den Zweck der Novelle berufen: freies und risikofreies WLAN. Unterlassungserklärungen, die die Störerhaftung defacto am Leben erhalten, stehen diesem Zweck entgegen, die Richter werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach untersagen.

Doch bis es soweit ist, bleiben WLAN-Betreiber prinzipiell gefährdet, auch wenn das BGH-Urteil schon einigen Schutz bietet. Fachanwälte für Urheberrecht geben gegenüber WIRED allerdings an, dass die Zahl der Abmahnung stark rückläufig sei. Die User seien schlauer geworden und illegales Streaming sei weit schwieriger zurückzuverfolgen als früher etwa BitTorrent-Downloads.

Es sind also Technik und Gerichte, die Sicherheit schaffen, die Politik folgt dieser Entwicklung im Grunde nur.

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