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Zukunft des Social Web / Mit Tworlds blickt ihr in das Leben eines anderen

von Michael Förtsch
Auf den ersten Blick erscheint Tworlds wie ein rudimentärer Instagram-Klon. In Wahrheit funktioniert die Picture-Sharing-App jedoch wie ein digitales Schlüsselloch: Wer ein Bild aufnimmt und sendet, teilt es nur mit einem einzigen Menschen — der in eben diesem Moment genau das gleiche tut. Damit erhaschen beide einen Blick ins Leben eines Fremden.

Als „Vemödalen“ wird die Frustration von Fotografen bezeichnet, dass nahezu jedes Motiv und jede Situation zuvor schon von tausend anderen abgelichtet wurde. Was aber, wenn man einem dieser Menschen über die Schulter schauen könnte, der gerade jetzt das gleiche tut und das gleiche fotografiert wie man selbst? Wie stark würden sich die Bilder ähneln, wie krass unterscheiden? Eine ebenso faszinierende wie romantische Frage, die die iPhone-App Tworlds beantworten will.

Hinter Tworlds stehen das Entwicklerteam Noodlewerk aus Den Haag und der niederländische Designer Antoine Peters. Der soll auf die simple Idee für die App gekommen sein, als er gelangweilt aus dem Fenster starrte. Tworlds ist tatsächlich ziemlich einfach gestrickt: Kurz via Facebook oder Twitter anmelden, schon lässt sich aus einer Wortwolke von 26 Themen wie #sad, #art, #book, #fashion oder ##*@%+! ein sogenannter „Moment“ wählen. Dann fordert Tworlds den User auf, mit der Kamera ein Bild aufzunehmen, das dieser Kategorie entspricht. Nach einer kurzen Bestätigung versendet die App den Schnappschuss anonym — nur versehen mit Stadt und Land als Ursprung — an einen völlig Fremden, der zum gleichen Zeitpunkt ein Bild der gleichen Kategorie aufgenommen hat. Seine Aufnahme wird zurückgesendet — fertig.

 

 

Tworlds schafft eine spontane Verbindung, unabhängig von Ort, Kultur und Status.

Der Selbstversuch führte zu eher durchwachsenen Ergebnissen: Auf ein Foto des Rohtextes dieses Artikels in der Kategorie #work kam als Antwort ein Monitorschnappschuss einer drögen Excel-Tabelle aus Manassas, USA zurück. Ein leckeres Bier unter dem Tag #drink wurde mit einem schlecht fokussierten Pepsi-Becher aus dem New Yorker Stadtteil Williamsburg gekontert. Und die Erwiderung auf das Cover von Robert A. Wilsons „Der Zauberhut“ unter #book war die Aufnahme eines Studenten aus London, Kanada. Der hatte sich nämlich mit einem dicken Fachbuch über Motivationstheorie abgelichtet, mit dem er sich gerade herumschlägt.

Auf über 20 verschickte Bilder folgten keinerlei weltbewegende oder gar provokante Aufnahmen. Stattdessen zeigen die Tauschfotos aus den USA, Kanada, Frankreich, Norwegen und Südafrika Ausschnitte eines typischen Alltags, teils amüsante, aber meist banale Situationen. Doch gerade das sorgt für eine gewisse Faszination. Tworlds schafft eine spontane Verbindung zwischen Personen, die unabhängig von Ort, Kultur und Status gerade das gleiche erleben und vielleicht auch fühlen. Sei es, dass sie beide ihr Feierabendbier genießen, ihre Katze streicheln oder gerade einsam sind.

Schade nur, dass man dem Unbekannten keine Kurznachricht wie „Prost!“ oder „Du bist nicht allein!“ zustellen kann.

Tworlds (iOS) kann man hier kostenlos herunterladen.

Wir fragen uns: Was machen Blogger, wenn sie keine Unternehmen mehr beraten können? Und wie sozial ist das Web wirklich noch? Twittern bald all unsere Kühlschränke, sobald wir neue Butter brauchen? Leben wir bald alle nur noch im Darknet? Diese und mehr Fragen zur Zukunft des Social Web beantworten wir den ganzen März hier auf WIRED.de. Zum Beispiel haben wir mit Christopher Cederskog über die Kraft der Community gesprochen.

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