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Werden bionische Prothesen die Gesellschaft spalten?

von Dominik Schönleben
Deus Ex: Mankind Divided zeichnet eine Welt, in der es eine neue Apartheid gibt: zwischen Menschen mit bionischen Upgrades und jenen, die nicht bereit sind, sich technisch verändern zu lassen. Doch wie real ist die Zukunftsvision des Spiels? WIRED hat darüber mit Samantha Payne gesprochen, Mitgründerin von Open Bionics – einem britischen Startup, das verhindern will, dass bionische Prothesen zum Luxus für Superreiche werden.

Ein bionischer Arm kostet zwischen 60.000 und 90.000 Euro. Viel zu viel, findet Samantha Payne, Mitgründerin des britischen Startups Open Bionics. Die Firma arbeitet daran, diesen Preis auf unter 10.000 Euro zu drücken. Einer ihrer Tricks: Die Bauteile werden mit einem 3D-Drucker gefertigt.

Die Pläne für die Prothesen von Open Bionics sind alle Open Source, es steht also jedem frei, sie zu bauen oder weiterzuentwickeln. Payne ist überzeugt: Nur so können viele Menschen mit Amputationen, die derzeit auf einen einfachen Haken oder eine kosmetische Hand angewiesen sind, endlich eine echte bionische Prothese bekommen.

Von den bionischen Erweiterungen, mit denen der Hauptcharakter Adam Jensen im Videospiel Deus Ex: Mankind Divided seinen Körper verbessert, sind Pioniere wie Samantha Payne aber noch weit entfernt. Was jedoch bereits möglich ist: Bionische Finger können mit einer Textur überzogen werden, die es ermöglicht zu fühlen. Der Preis dafür liegt allerdings pro Finger bei um die 10.000 Euro.

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Paynes neuestes Open-Source-Projekt sind zwei Prothesen, die vom Deus-Ex-Universum inspiriert sind. Eine der beiden erinnert stark an den Arm des Protagonisten des Spiels, die Allzweckwaffe des Supersoldaten Adam Jensen. Der kann aus seiner Prothese Klingen ausfahren oder mit ihr elektrische Ladungen abfeuern, die Gegner ausschalten.

Die bionische Prothese von Payne ist weniger vielseitig. Doch sie zeigt, dass Roboter-Arme eben mehr sein können, als bloßes Werkzeug – sie können modisch und elegant sein. Ähnliches bewies Paynes Team von Open Bionics bereits mit Prothesen für Kinder zu den Disney-Filmen Frozen, Iron Man und Star Wars.

Im WIRED-Interview erzählt Samantha Payne, wie eine Spaltung der Gesellschaft zwischen Menschen mit und ohne bionische Arme, wie sie das neue Deus Ex darstellt, in unserer realen Zukunft aussehen könnte – und warum Open Source der richtige Weg ist, um genau das zu verhindern.

WIRED: Wann kommt der Moment, an dem Menschen ihre echten Arme freiwillig durch Prothesen ersetzen?
Samantha Payne: Davon sind wir noch viele, viele Jahre entfernt. Die derzeitigen Technologien sind zwar für Menschen geeignet, die einen Arm oder ein Bein verloren haben, aber bionische Gliedmaßen können noch nicht fühlen und sie sind zu schwer. Wir sind noch weit davon entfernt, einen bionischen Arm zu bauen, der einem echten Arm Konkurrenz macht. Aber wenn es soweit ist, dann werden bionische Arme anders sein als menschliche. Sie werden völlig neue Funktionen besitzen.

WIRED: Wo liegt die Herausforderung?
Payne: Ich denke, dass es der Tastsinn ist. Man versucht, ziemlich viel Technologie auf die Größe einer Hand zu reduzieren. Ins Innere müssen Motoren, Platinen, Akkus – wenn man Fingerspitzen mit Tastsinn hinzufügen will, muss die Hand also größer werden. Was wir aber in Wirklichkeit wollen, ist, dass die Hand kleiner wird.

WIRED: Sollten wir uns irgendwann unsere echten Körperteile entfernen lassen, um uns technisch aufzurüsten?
Payne: Es wird passieren. Aber ich bin skeptisch, weil ich eine Zynikerin bin. Ein bionischer Arm kostet viel Geld, weshalb nur wenige Menschen sich ihn leisten können. Aber es gibt Millionen von Menschen mit Amputationen, deren Leben mit einer bionischen Prothese verbessert werden könnte.

WIRED: Wieso sollte das ein Problem sein?
Payne: Wenn bionische Arme so gut sind, dass wohlhabende Menschen ohne Behinderung sich ihren Arm freiwillig entfernen lassen wollen, dann ist das einfach nicht richtig. Denn das würde bedeuten, dass wir nicht bereit sind, diese Technologie günstig genug zu machen, damit jeder sie sich leisten kann. Es würde zu einem Ungleichgewicht führen. Es gäbe dann zwar Menschen mit bionischen Super-Armen, aber nur die Reichen könnten sich das leisten.

WIRED: Das hört sich ziemlich bitter an, fast wie die Zukunft, die in Deus Ex beschrieben wird.
Payne: Ich denke, Deus Ex geht hier einen Schritt weiter. Als ich mir zum ersten Mal das Spiel angeschaut habe, fragte ich mich: Warum würde sich jemand dafür entscheiden, seinen eigenen Arm zu verlieren? Die menschliche Hand ist eine Meisterleistung der Ingenieurskunst. Sie ist vermutlich eines unserer kompliziertesten Körperteile. Denn sie ist unglaublich flexibel.

WIRED: Was ist so besonders an unserer Hand?
Payne: Man muss nur an die Geschicklichkeit und die Bewegungsfreiheit denken, die man mit einer Hand hat, und daran, wie stark sie ist. Mit der gesamten Hand kann man Texturen und Hitze spüren, sie ermöglicht es uns, die Welt zu erforschen. Diese Dinge sind extrem schwer nachzuahmen. Ich habe großen Respekt vor dem Design der menschlichen Hand, jetzt da wir versucht haben, sie nachzuahmen.

WIRED: Warum sollte ich also meine technisch überlegene Hand durch eine Maschine ersetzen?
Payne: Die einzige Antwort, die ich darauf habe: Eine bionische Hand wird entwickelt, die so stark auf die Bedürfnisse einzelner Menschen angepasst werden kann und gleichzeitig einer echten Hand so weit überlegen ist, dass es sich lohnt. Ich glaube, es ist realistisch, dass es so weit kommt. Prothesen werden irgendwann eine Konkurrenz zum menschlichen Arm sein.

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WIRED: Spielen wir damit nicht auch Gott, wie in Deus Ex angedeutet wird, wenn wir unsere Körperteile durch Maschinen ersetzten?
Payne: Ich bin Atheist und glaube, dass wir alle Herr unserer eigenen Zukunft und unseres eigenen Körpers sind. Wenn jemand seinen Arm abschneiden und ihn durch einen bionischen ersetzen möchte, dann darf er das selbst entscheiden. Wir alle verändern unsere Körper längst nach unseren eigenen Vorstellungen. Und das ist etwas Gutes.

WIRED: Im neuesten Teil von Deus Ex gibt es eine Kluft zwischen Menschen mit bionischen Verbesserungen und denjenigen ohne. Könnte das Wirklichkeit werden?
Payne: Es gibt schon heute eine Spaltung zwischen Reich und Arm. Zwischen Menschen mit Amputationen, die hochtechnisierte Prothesen besitzen, und jenen, die nur einen Haken oder eine kosmetische Hand haben. Für mich ist es deshalb klar, dass es eine Trennung zwischen Menschen in der Gesellschaft geben wird, die sich diese neuen Technologien leisten können, und jeden, die es nicht können.

WIRED: Sind eure Prothesen deshalb Open Source?
Payne: Ja, wir wollen Barrieren niederreißen. Damit alle Mensch diese Technologie nehmen und verbessern können. Wenn alle Bionik-Experten die Ergebnisse ihrer Arbeit frei veröffentlichen würden, könnten wir viel schneller Fortschritte machen.

WIRED: Welche Rolle spielt dabei die Deus-Ex-Prothese?
Payne: Wir wollen zeigen, dass die bionischen Körperteile aus Filmen und Videospielen Realität werden können. Wir denken über besseres Design für Menschen mit Amputationen nach. Normalerweise sehen Prothesen nicht besonders gut aus, meist wird wenig Zeit auf ihre Ästhetik verwendet. Doch wir wollen etwas erschaffen, das gleichzeitig ein Werkzeug und ein Mode-Accessoire ist.

WIRED: Im Spiel kontrollieren große Konzerne die Bionik-Industrie. Habt ihr Angst, dass es wirklich so kommen könnte?
Rayne: Wir werden immer Open Source sein, vielleicht sind wir also die Antwort auf dieses Problem. Unsere größte Angst ist eher, dass Menschen in Entwicklungsländern niemals die Möglichkeit bekommen werden, bionische Prothesen zu benutzen, weil sie zu teuer sind.

Deus Ex: Mankind Divided erscheint am 23. August 2016 für PC, PlayStation 4 und Xbox One. 

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