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Neues vom Admin / Wir müssen dem Rassismus im Netz auch mit technischen Lösungen begegnen!

von Armin Hempel
Die Übereinkunft zwischen Justizminister Heiko Maas und Facebook wird folgenlos bleiben, denkt WIRED-Admin Armin. Er hat aber einen konkreten Vorschlag, wie sich wirklich etwas in den sozialen Netzwerken und bei den Strafverfolgungsbehörden ändern könnte, um Hasspostings und öffentlichem Rassismus besser zu bekämpfen: mit Technologie.

Am Montag zog Bundesjustizminister Heiko Maas aus, um Silicon Valley das Fürchten zu lehren. Naja, um ehrlich zu sein: Er hat eine Facebook-Delegation ins Justizministerium einbestellt, um mit dieser über Strategien gegen rassistische Kommentare zu sprechen. Schon seit Wochen lässt Maas verlauten, dass die ungehinderte Verbreitung von Hassbotschaften auf Facebook aufhören müsse. Neben mehr Transparenz fordert er, dass das soziale Netzwerk endlich ein Team aus deutschen Muttersprachlern einstellen solle, das gegen die Hetze im Netz vorgeht.

Was denkt der sich eigentlich? Dass Facebook den ganzen Tag auf seinen Ohren sitzt und dann einen gewissen Prozentsatz der von der Community gemeldeten Kommentare nach dem Zufallsprinzip löscht, weil die damit beauftragten Mitarbeiter der deutschen Sprache leider nicht mächtig sind? Natürlich hat Facebook bereits ein deutschsprachiges Team für diese Aufgaben — fragt sich nur, ob dieses Team seinen täglich wachsenden Herausforderungen noch gerecht werden kann?

Das Ergebnis des Treffens zwischen Justizministerium und Facebook liest sich auch ganz anders als die von Maas geforderten Punkte. In Kürze: Es wird eine Task Force gegründet, die bis Ende des Jahres erste Ideen für den Umgang mit Hassbotschaften im Internet vorlegt. Außerdem sollen NGOs, die rassistische Hetze melden, durch Facebook finanziell sowie durch eine kostenlose Werbekampagne unterstützt werden. Klingt für mich eher nach einer Nebelkerze — bis Dezember kann also alles so weitergehen wie bisher. Und was genau daran anschließt, ist mehr als unklar. 

Will Facebook in Wahrheit die dumme Hetze beibehalten, die dort tagtäglich angeschwemmt wird?

Doch was genau ist eigentlich das Problem? Schließlich gibt es die Community-Standards und Facebook könnte löschen, wie es beliebt. Auch wenn die getroffenen Hunde dann immer laut „Zensur“ bellen und auf die Meinungsfreiheit pochen. Will der Social-Media-Riese in Wahrheit die dumme Hetze beibehalten, die dort tagtäglich angeschwemmt wird? Oder sind die dort beschäftigten Community-Wächter schlicht überfordert?

In Anbetracht der Flut an Hasspostings und der medialen Aufmerksamkeit, die ihnen neuerdings zukommt, klingt das zwar unglaubwürdig, aber Facebook macht bei der Durchsetzung seiner Community-Standards keinen schlechten Job. Unter der Überschrift „Hassbotschaften“ findet sich dort nämlich die Formulierung: „Facebook entfernt sämtliche Hassbotschaften, d. h. Inhalte, die Personen aufgrund der folgenden Eigenschaften direkt angreifen: Rasse, Ethnizität, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht bzw. geschlechtliche Identität oder schwere Behinderungen oder Krankheiten.“

Genau diese Standards aber sind Teil des Problems geworden. Wie Dennis Horn im Digitalistan-Blog des WDR treffend bemerkt, sind in Facebooks Gemeinschaftsrichtlinien Flüchtende, Asylbewerber oder Migranten nicht als schützenswerte Gruppen definiert. Deswegen kann ein widerlicher Kommentar wie „Dem würde ich gerne seine dreckige Scheinasylantenfresse über den Teer ziehen und dann richtig reinteten!“ bei strenger Interpretation dieser Richtlinien nicht gelöscht werden.

Die Kreativität rassistischer Idioten kennt leider keine Grenzen, wenn es um Wort-klaubereien geht. 

Nun könnte man anführen, dass das Problem doch gelöst sei, wenn nur endlich Migranten in den Kanon der schützenswerten Gruppen aufgenommen würden. Als Notfall-Pflästerchen wäre das sicherlich ein guter erster Schritt, es würde das Problem aber nicht vollständig lösen. So etwas wie einen „Scheinasylanten“ gibt es nämlich nicht. Streng genommen gehört diese Wortschöpfung also nicht zur Gruppe der Migranten. Außerdem würden die Hetzer auch nach der Aufnahme neuer schützenswerter Gruppen immer wieder Nischen für ihre verbalen Tiefschläge finden. Die Kreativität rassistischer Idioten kennt leider keine Grenzen, wenn es um Wortklaubereien geht.

Die Verantwortung für die Verfolgung von Hassbotschaften darf deshalb nicht allein bei den Betreibern der sozialen Netzwerke liegen, auch Justiz- und Strafverfolgungsbehörden müssen mit am Strang ziehen. 

Jan Phillipp Albrecht von den Grünen fordert deshalb „EU-weit einheitliche, klare Regeln zu der Frage, was auf Plattformen wie Facebook eine Grenzüberschreitung ist und was nicht“ und in diesem Zuge „eine eigene Abteilung bei der europäischen Polizeibehörde Europol, die in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden die Foren und sozialen Netzwerken systematisch durchsucht und wirksame Strafverfolgung auch über Grenzen hinweg organisiert.“ Auf europäischer Ebene böte sich hier vor allem für Internetkommissar Günther Oettinger eine Bühne, auf der er ausnahmsweise einmal nicht durch Inkompetenz glänzen könnte.

Das wäre wünschenswert, doch nützen alle Beteuerungen nur wenig, wenn nicht endlich die dafür benötigten Mittel in die Hand genommen werden. Solange sich aber die chronisch überlastete Berliner Polizei nicht anders gegen Anzeigen volksverhetzender Tatbestände im Netz zu helfen weiß, als die Community darum zu bitten, von weiteren Anzeigen abzusehen, ist deren Organisationsstruktur unzureichend. Der Hinweis darauf, dass „diverse“ Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet seien, hilft mir im Einzelfall nicht weiter.

Richten Sie doch ein EU-weites System für die Meldung von rechtswidrigen Online-Inhalten ein!

Mein Vorschlag für Herrn Oettinger: Richten Sie doch ein EU-weites System für die Meldung von rechtswidrigen Online-Inhalten ein, welches die Straftatbestände gleich an die dafür zuständigen Stellen weiterleitet und Dubletten vermeidet. Die technischen Hürden dafür sind nicht besonders hoch, denn solche Systeme gehören beispielsweise in der Softwareentwicklung zum Alltagsgeschäft. 

Außerdem müsste auch Facebook endlich die soziale Verantwortung übernehmen, die dem Status der größten Online-Community der Welt entspricht. Die Gemeinschaftsrichtlinien müssen ja nicht zwingend nur irgendwie versuchen, mit geltendem Recht mühsam Schritt zu halten, sondern könnten als Testballon für eine bessere Gesetzgebung dienen. Facebook als Blaupause für eine tolerantere Gesellschaft. 

Ich jedenfalls habe mir vor zwei Jahrzehnten das Internet als Sammelpunkt einer reiferen, erwachseneren Gemeinschaft vorgestellt. Das himmelschreiende Elend, welches sich mir heute in Foren, sozialen Netzwerken und in den Kommentarspalten unserer Zeitungen bietet, erschüttert mich. Aber es wird mich niemals desillusionieren. 

In der letzten Folge „Neues vom Admin“ forderte Armin die Abschaffung von Roaming-Gebühren.

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