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Social Media für Kreative: Mit Crossyards werdet ihr zu Pixelgärtnern

von Oliver Klatt
Freunden per Tweet mit der eigenen Unpässlichkeit auf die Nerven gehen oder das hundertste Grimassen-Selfie hochladen? Langweilig! Es wird Zeit für neue Ausdrucksformen im Netz. Das Projekt Crossyards könnte ein Anfang sein.

Anstatt Text- oder Bildnachrichten zu verschicken, bekommen die User von Crossyards ein Stück Pixelland zugewiesen. Auf einer Fläche von 300 mal 300 Bildpunkten können sie ihrer Vorstellungskraft freien Lauf lassen. Der Grafik-Editor von Crossyards funktioniert direkt im Browser und erlaubt es, Flächen zu bemalen, zurecht zu schneiden und zu 3D-Objekten zusammenzufügen, die dann nach Belieben auf der Parzelle platziert werden. Auf diese Weise entstehen Stimmungsprotokolle und Stillleben, groteske Büroszenen und humorige Begegnungen der anderen Art. Ausgedacht haben sich das Projekt der Programmierer Levente Dobson und die Grafikerin Panna Zsámba. WIRED Germany haben sie ihren Social-Media-Schrebergarten erklärt.

WIRED: Wie entstand die Idee, Menschen mithilfe einer Landschaft kommunizieren zu lassen, statt mit Wörtern oder Fotos?
Levente Dobson: Das ist schon fast zehn Jahre her. Ich hatte für eine Uni-Hausarbeit ein Chat-Programm geschrieben, das eine simple 3D-Szene zeigte. Die Häuser und Bäume waren sehr einfach dargestellt und bestanden aus skizzenhaft bemalten Flächen. Damals wurde mir klar, dass man kein 3D-Artist sein muss, um dreidimensionale Objekte zu basteln. Später begann ich dann, mir Gedanken über ein soziales Netzwerk für kreative Menschen zu machen und fing an, das Prinzip zu verfeinern.

WIRED: Crossyards zeigt eine Pixelwelt aus isometrischer Draufsicht. Das kennt man vor allem aus älteren Videospielen. Warum habt ihr euch für diesen Stil entschieden?
Dobson: Diese handgemalte Pixeloptik à la Microsoft Paint wird einfach nie alt. Außerdem finden wir, dass die isometrische Perspektive im Netz sehr gut funktioniert. Wenn man die Crossyards-Seite besucht, kann man sich durch sie hindurch klicken und scrollen wie auf jeder anderen Website. Man muss keine ungewohnten Bewegungen mit der Maus machen, um sich in einer 3D-Landschaft zurechtzufinden, sondern sieht die Welt von schräg oben direkt vor sich. Das erlaubt uns, mit statischen Bildern zu arbeiten, und trotzdem eine räumliche Wirkung zu erzeugen.
Panna Zsámba: Mir persönlich war der Stil von Crossyards gar nicht so wichtig. Es ist schlicht unterhaltsam zu sehen, auf welche Weise Menschen unser Werkzeug benutzen und damit visuelle Dinge herstellen. Nicht jedes Stück Land in Crossyards ist ein Kunstwerk oder der tiefe Einblick in eine Persönlichkeit. Vielmehr erinnert das Ganze daran, was passiert, wenn man jemandem ein Stück Papier und einen Stift hinlegt. Menschen mögen es, zu zeichnen. Jeder kritzelt herum, wenn ihm langweilig ist. Denk nur daran, was Schüler mit den Rändern ihre Lehrbücher anstellen — oder Erwachsene während eines langen Meetings oder Telefonats. Unser Projekt hat mir gezeigt, wie kunstfertig die meisten Menschen sind.

Ich finde es bemerkenswert, dass eine ganze Reihe sehr kunstvoller Flächen entstanden sind, bevor der erste Pixelpenis in Crossyards auftauchte.

Panna Zsámba

WIRED: Ein Stück Land in Crossyards zu bepflanzen, zu bebauen oder mit Figuren zu bevölkern, dauert aber deutlich länger als einen Facebook-Post rauszuschicken.
Zsámba: Das könnte sich schon sehr bald ändern. Zu unseren obersten Prioritäten gehört es derzeit, einen Asset Store einzurichten. Mit dem werden Crossyards-User dann ihre Objekte und Kreationen hochladen und mit Anderen teilen können, die diese Assets dann auf ihren eigenen Yards einsetzen. Dadurch wird sich der Prozess stark beschleunigen.
Dobson: Jeder kann Crossyards benutzen. Es stimmt, dass es bei uns länger dauert, einen Post zu erzeugen als auf Twitter. Aber es kann auch um einiges befriedigender sein. Wenn du dir viel Zeit für deinen Yard nimmst, kann es passieren, dass du sehr viel positives Feedback dafür zurückbekommst.

WIRED: Seid ihr davon überrascht, was eure Nutzer sich für ihre Yards alles einfallen lassen?
Dobson: Ich bin total baff! Mir gefallen sie alle, sowohl die sehr einfachen Kreationen als auch die komplexen. Manche Yards erzählen eine Geschichte oder bringen eine Meinung zum Ausdruck. Andere wiederum wollen der Welt überhaupt nichts Großartiges mitteilen, sondern einfach unterhalten.
Zsámba: Auch mir gefällt die Art, wie die Menschen unsere Seite benutzen. Und das, obwohl wir noch nicht einmal ein Einführungsvideo fertiggestellt haben. Es gibt nur eine gut versteckte Hilfsseite. Dennoch haben die User herausgefunden, wie man den Editor richtig einsetzt — oder seine Crossyards-Nachbarn ärgert, indem man mit seinem Grundstück auf ihres reagiert. Außerdem finde ich es bemerkenswert, dass eine ganze Reihe sehr kunstvoller und kreativer Flächen entstanden sind, bevor der erste Pixelpenis in Crossyards auftauchte. Das hat mein Vertrauen in die Online-Community wieder hergestellt.

WIRED: Gibt es Situationen oder Gemütszustände, die sich besser in Crossyards darstellen lassen als auf Twitter oder Facebook?
Zsámba: Nicht unbedingt besser, aber anders. Wenn man sich beispielsweise selbst mit all seinen Unzulänglichkeiten als Pixelfigur darstellt, hat das etwas sehr persönliches. Nimm etwa meinen Crossyards-Channel „Office Moments“, in dem ich Erlebnisse aus meinem Büroalltag festhalte: Wenn jemand ein Foto von mir machen würde, wie ich vor der Kaffeemaschine herumstehe, der schon wieder das Wasser ausgegangen ist, wäre das bloß ein Foto. Aber indem ich mich selbst zeichne und in einem Yard darstelle, werde ich zur Karikatur. Ein Foto könnte das nicht auf die selbe Weise wiedergeben. Die Stimmung hat mehr mit einem Comic gemein.
Dobson: Mein Lieblingsbeispiel ist der Yard, der zeigt, wie ein winziges Auto hinter einem großen Bus fährt und nicht vorbeikommt. Der User stellt damit die Situation aus einer überstandenen Fahrstunde dar. Ein Foto hätte er in diesem Moment nicht machen dürfen. Und Wörter allein würden der Situation nicht gerecht werden. Die würden einen viel schwächeren Eindruck hinterlassen.


WIRED: Wie seht ihr die Zukunft eures Projekts? Ist Crossyards das Social-Media-Phänomen von morgen?
Dobson: Das glaube ich nicht. Für mich ist das eher ein interessantes Experiment — eine andere Herangehensweise als die der etablierten Dienste.
Zsámba: Wir sind nicht angetreten, um den großen Social-Media-Plattformen den Thron streitig zu machen. Es ist schwer abzusehen, in welche Richtung sich Crossyards entwickeln wird. In erster Linie machen wir das, weil es uns Spaß bereitet. Aber natürlich wünschen wir uns, dass aus dem Projekt eine Community heranwächst. Eine Gruppe von Menschen, die unseren Enthusiasmus teilt und auf der Suche ist nach neuen, kreativen Ausdrucksformen. 

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