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Diese Jacke beobachtet jeden, überall und in alle Richtungen

von Max Biederbeck
Kim Yong Hun will, dass sich Menschen auf der Straße von seiner Kunst beobachtet fühlen. Er sagt: „Es wird nicht mehr lange dauern und Kameras sind überall.“

Schon jetzt finden wir sie in Autos, an Drohnen oder auf hohen Masten als Teil von Überwachungssystemen. Und die Leute fürchten sich vor ihnen, da ist sich Kim sicher. Sie haben Angst vor „Surveillance“, also der Überwachung durch den Staat, vor dessen Polizei und den Geheimdiensten. Ebenso bedeutend werde aber auch die Überwachung von unten sein, glaubt der Visual Artist aus Südkorea: die „Sousveillance“.

Nicht nur der Staat schaut seinen Bürgern auf die Finger, sondern auch die Bürger ihrem Staat.

Die hat für Kim zwei Bedeutungen. Zum einen schauen die Bürger auch ihrem Staat auf die Finger, beobachten also zurück. Zum anderen glaubt er, dass Überwachung durch die Omnipräsenz von Kameras irgendwann im Alltag “bei uns hier unten“ ankommen wird. „Wenn jeder jeden filmt“, wie er sagt.

Und genau deshalb wollen Kim und sein Partner Shin Seung Back, dass die Menschen sich beobachtet fühlen. Um sie auf die beschriebene Zukunft vorzubereiten, hat das Künstlerduo ein ungewöhnliches Mittel gewählt: Die beiden haben eine neue Form der Kleidung designed.

Die „Aposematic Jacket“ ist mit Hightech-Teilen gespickt, die nur einen Sinn haben: Das Gefühl der ultimativen Überwachung zu vermitteln. Sie besteht aus 70 Kameralinsen, einem Raspberry-Pi-Mikrocomputer und einem integrierten WiFi-Empfäger. Optisch erinnert das Ganze an die Facettenaugen einer Spinne.

Per Knopfdruck im Innenärmel beginnen die Kameras mit der Aufnahme und filmen Bilder in 360 Grad um den Träger herum. Der Raspberry Pi verarbeitet die Daten und lädt sie direkt auf einen Webserver hoch, wo sie sich jeder anschauen kann. Der Clou an der Jacke seien aber gar nicht die Aufnahmen selbst, sagt Kim.

„In Wirklichkeit reichen schon vier der 70 Kameras um das Rundum-Bild zu erzeugen“, sagt er. Die anderen sind nur Show. Sie sollen die Angst von Passanten, die sich auf der Straße von der Jacke beobachtet fühlen, noch verstärken. In diesem Sinne beschreibt das Wort „Aposematic“ (zu deutsch Warnfärbung) auch einen Abwehrmechanismus aus der Tierwelt. Kleine Tiere signalisieren Fressfeinden ihre Ungenießbarkeit durch grelle und auffällige Hautfarben. Genau das ist auch das Anliegen der „Aposematic Jacket“. Sie signalisiert: Vorsicht, ich filme zurück.

Es ist nicht das erste Werk dieser Art, von den beiden Künstlern. Immer wieder zeigen sie in ihren Projekten, wie der Alltag mit der digitalen Welt verschmilzt. „Menschen verhalten sich anders, wenn sie durch Technik miteinander vernetzt werden“, sagt Kim. Genauso sei das auch mit Kameras. Sobald eine Kamera auf einen zeige, sei man nicht mehr man selbst. Der Künstler fragt weiter: „Was passiert aber, wenn schon jedes Kleidungsstück in der Lage ist, einfach alles zu filmen?“

Einen kleinen Fehler machte das Duo mit seiner Jacke dann doch. Bei der ersten Vorführung auf den Straßen von Südkoreas Hauptstadt Seoul kleideten sie ein Model ein und schickten es unter die Leute. „Dabei fiel zu sehr auf, dass das Ganze ein Kunstwerk sein soll“, erzählt Kim. Die Leute nahmen die Bedrohung einfach nicht ernst. 

 

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