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Betterplace labtogether 2014: Das Internet kann mehr als Katzenvideos

von Christopher Pramstaller
Die Factory ist einer dieser Orte in Berlin, an denen man der Digitalisierung ein Stück näher zu kommen scheint. Twitter hat hier sein Büro. Auch SoundCloud sitzt in dem alten Backsteinbau an der ehemaligen innerstädtischen Grenze. Früher wurde im Gebäude einmal Bier gebraut, heute treiben hier junge Firmen die Digitalisierung der Gesellschaft voran.

Im Erdgeschoss steht Moritz Eckert auf einer Bühne und erzählt von seiner Vision des Internets. Von einem Ort, durch den nicht einfach nur Geld verdient werden soll. Ein Ort, der mehr ist als nur ein Bündel von immer neuen Nutzerdaten für Werbeleute. Eckert ist in seinen Dreißigern, Mitgründer von betterplace.org, Deutschlands größter Spendenplattform für soziale Projekte weltweit. 17 Millionen Euro wurden von dem Berliner Büro seit seiner Gründung im Jahr 2007 gesammelt, mehr als 10.000 Projekte wurden unterstützt. Allein im vergangen Jahr kamen 5,3 Millionen Euro zusammen.

Porno, Selfies, Katzenfotos

Eckert ist ein digitaler Philanthrop, einer jener Menschen, die an eine funktionierende Zivilgesellschaft glauben, in der Menschen mit Projekten das Leben für alle besser machen wollen. Er spricht beim labtogeher, einer Veranstaltung des betterplace lab, dem Think Tank der Spendenplattformen, der an der Schnittstelle von Digitalisierung und sozialer Transformation forscht. Er will zeigen, dass das Internet mehr kann als nur Selfies, Katzenfotos und Neuland-Diskussionen. Und dass in Deutschland die Diskussion weiter gehen sollte, als sich nur mit den Fragen zu beschäftigen: „Wird das Land wettbewerbsfähig bleiben? Und sind unsere Daten sicher?“

Die Digitalisierung hat ihre Unschuld verloren. Der Traum von unbegrenzten Möglichkeiten durch Vernetzung ist einem schrecklichen Kater gewichen. Die Illusion einer besseren Welt ist in der Post-Snowden-Ära der Gewissheit von Überwachung und Datenklau gewichen. Das Internet hat uns seine Fratze gezeigt. Und doch gibt es weiter Menschen, die daran glauben, dass die Digitalisierung viel mehr sein kann. Ein Mittel, um in kleinen Schritten eine andere Gesellschaft zu bauen – informiert und offen. Menschen wie Moritz Eckert.

Die Klügsten sollen mehr tun, als im Internet Schuhe verkaufen

Moritz Eckert

„Die Klügsten und Intelligentesten  unserer Zeit sollen mehr tun, als sich darüber Gedanken zu machen, wie man im Internet am besten Schuhe verkauft“, sagt Eckert. „Jeder soll weiter seine Katzenfotos teilen, ich glaube aber an mehr. Ich glaube an das gute Internet.“ Und Eckert hat Beispiele mitgebracht: Sproxil zum Beispiel, eine App aus Nigeria, die Medikamente auf Echtheit überprüft. Oder Kilimo Salama, eine Klima-Versicherung für Kleinbauern, die per SMS funktioniert. In vierzehn Länder sind er und seine Kollegen im vergangenen Jahr gefahren, um Menschen zu treffen, die dort die Digitalisierung nutzen um die Zivilgesellschaft besser zu machen.

Riesig sei das Potential. „Leute haben uns mit leuchten Augen von ihren Verbesserungen erzählt.“ Es handele sich dabei um neue zivilgesellschaftliche Akteure, die plötzlich auftreten. Menschen, die mit ihrer kleinen Erfindung sehr viel bewegen könnten. Und Deutschland? Das hinke bei alldem hinterher.

Die Angst vor Datenklau ist einer der Gründe. Auch bei öffentlichen Innovationsprogrammen sind andere Länder weiter. Vor allem sei es eine Frage der richtigen Haltung, der Lust auf Innovation. Eckert meint, dass sie oft fehle.

Panic Button für Menschenrechtler

Bei Christine Obermüller ist das anders. Sie ist Sozialarbeiterin bei der Caritas. Kein Ort, an dem man Innovation erwartet, digitale schon gar nicht. An fünf Standorten in Deutschland ist dort jedoch ein Online-Projekt zur Suizid-Prävention für Jugendliche entstanden. Ein einfaches Tool. Es nutzt gleichaltrige Mentoren als Ansprechpartner in Chats. Aufwendig ist das nicht, die Wirkung aber umso größer.

Auch die Arbeit von Jun Matsushita ist zunächst unscheinbar, könnte aber vor politischer Verfolgung schützen. Zusammen mit Amnesty International hat er einen Panic Button für Menschenrechtler entwickelt. Drei Jahre lang lief das Open-Source-Projekt. Nun gibt es eine App, mit der das Netzwerk eines Aktivisten benachrichtigt werden kann, wenn er in Gefahr gerät.

Für Eckert nur zwei von vielen Beispielen, wie Gesellschaft in kleinen Schritten verbessert werden kann. „Wir müssen uns für die positiven Beispiele einsetzen“, sagt er. „Das Internet kann viel mehr.“ 

Das betterplace labtogether 2014  fand am 6. November in der Factory Berlin statt. Gesprochen wurde über sichere Daten, digitale Nothilfe und produktives Scheitern. Mit dabei waren Ben Scott (Stiftung Neue Verantwortung, Open Technology Institute), Dr. Gesche Joost (Design Research Lab), Fieke Jansen (Tactical Technology Collective), Susanne Krüger (goodroot GmbH), Nele Kapretz (Impact Hub Berlin, Bidjan Nashat (Save the Children Deutschland), Oliver Beste (tollabox) u.v.a.

Wir unterstützen diese Veranstaltung als Medienpartner. 

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