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Zerstören wir unbewusst unser Smartphone, wenn ein neues Modell naht?

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Regelmäßig das neueste Smartphone-Modell zu kaufen, ist überflüssig und verschwenderisch. Trotzdem tun es viele. Und um unser Gewissen zu beruhigen, sabotieren wir uns laut einer neuen Studie selbst.

Wer technisch immer auf der Höhe der Zeit sein will, muss viel Geld investieren. Besonders auf dem Smartphone-Markt locken Jahr neue Flaggschiff-Modelle, die das Handy, das man in der Tasche hat, alt aussehen lassen. Dabei ist das Upgrade auf die neueste Gerätegeneration in den meisten Fällen unnötig und das aktuelle Modell oft noch bestens in Schuss. Um trotzdem mit reinem Gewissens zuschlagen zu können, greifen Menschen offenbar unbewusst zu drastischem Selbstbetrug.

Das fand eine Gruppe von Wissenschaftlern der Columbia Business School heraus. Laut ihrer im Journal of Marketing Research der American Marketing Association veröffentlichten Studie Be Careless with That! gehen Smartphone-Nutzer nachweislich unachtsamer mit ihrem aktuellen Gerät um, sobald ein besseres Modell in Aussicht ist. Die Forscher bezeichnen das Phänomen als „Upgrade Effect“.

Der Hintergrund: Die meisten Konsumenten wissen, dass sie den Kauf eines neuen Smartphones eigentlich nicht rechtfertigen können, solange sie im Besitz eines funktionierenden Geräts sind. Weil sie sich nicht verschwenderisch fühlen wollen, suchen sie nach einem rationalen Grund, um die Anschaffung des Nachfolgemodells guten Gewissens in Angriff nehmen zu können.

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In der Folge wird das zuvor wie ein rohes Ei behandelte Smartphone härter rangenommen, stärker abgenutzt, vergessen oder verloren. Ist das Gerät hinüber, kann ohne Gewissensbisse Ersatz beschafft werden. Dabei betonen die Wissenschaftler, dass dieser Prozess zwar in gewisser Weise gezielt, aber dennoch meist unbewusst abläuft. „Wenn wir die Leute fragen, ob sie diese Dinge absichtlich tun, antwortet die Mehrheit mit einem klaren Nein“, sagte der Forscher Joshua M. Ackerman gegenüber Gizmodo. „Das legt nahe, dass die meisten Menschen nicht realisieren, was sie tun.“

Um zu ihren Ergebnissen zu kommen, werteten die Initiatoren der Studie unter anderem Einträge der IMEI Detective Database aus – einer Datenbank, in der Nutzer gefundene Handys auf Basis der IMEI-Nummer melden können. Sind diese als vermisst oder gestohlen gemeldet, kann über den Dienst eine Rückgabe organisiert werden. Dabei zeigte sich unter anderem, dass das Interesse von iPhone-5-Besitzern an ihrem verlorenen Smartphone drastisch sank, nachdem Apple das iPhone 5S veröffentlicht hatte.

Dabei ist der „Upgrade Effect“ laut den Forschern nicht auf Smartphones beschränkt, in ähnlicher Form trete das Phänomen auch bei anderen Produkten auf. Zu dieser Erkenntnis gelangten sie durch Laborexperimente. In einem davon erhielten Probanden eine Tasse im Wert von einem Dollar geschenkt und wurden aufgefordert, das Geschicklichkeitsspiel Jenga zu spielen. Dabei müssen die Spieler Holzblöcke aus einem Turm entfernen, ohne dass dieser zusammenbricht. Die Tasse wurde auf die Spitze des Turms gestellt, und für jeden entfernten Block erhielten die Teilnehmer Geld.

Einer Probandengruppe stellte man vor dem Spiel in Aussicht, nach Abschluss des Experiments eine höherwertige Tasse zu einem besonders günstigen Preis erwerben zu können, sollte das günstigere Gefäß kaputtgehen. Die zweite Gruppe erhielt diese Option nicht. In der Folge ließen 61 Prozent der Testpersonen mit Upgrade-Option die Tasse fallen. In der anderen Gruppe passierte das nur 37 Prozent der Probanden. Sogar in Bezug auf Beziehungen beobachteten die Forscher den „Upgrade Effect“. Demnach kümmern sich Menschen weniger aufmerksam um ihren Partner, sobald ein attraktiverer Kandidat in der Nähe ist.

Dass die Industrie diesen psychologischen Effekt gezielt ausnutzt, glauben die Forscher indes nicht. Und sie bieten einen Lösungsansatz: Spenden und Recycling. Sobald Menschen die Option haben, ihr aktuelles Produkt auf sinnvolle Weise abzugeben, verschwinden die Symptome des „Upgrade Effects“. „Das Phänomen tritt tatsächlich nur auf, wenn die Leute glauben, sie haben keine andere Möglichkeit, ihr Handy loszuwerden“, so Ackerman.

Hier könnt ihr euch die komplette Studie als PDF herunterladen.

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