Das haben Forscher der University of Central Florida (UCF) in Orlando in einer Studie herausgefunden. Sie setzten 40 Studenten in einen Fahrsimulator, die eine Hälfte mit einem Handy, die andere mit Google Glass. Dann simulierten sie eine plötzliche Vollbremsung, während die Probanden mit dem jeweiligen Gerät eine Textnachricht schrieben. Die Reaktionszeiten beider Gruppen verglichen sie mit denen, die die Teilnehmer in einer anderen Testrunde ohne Gerät in der Hand oder am Kopf benötigten. Das Ergebnis: Die Probanden mit Brille reagierten genauso langsam wie ihre Pendants mit Smartphone, wenn das vor ihnen fahrende Auto unerwartet bremste. Die Vorstellung, Google-Glass-Träger seien weniger abgelenkt, weil sie ja auf die Straße schauen könnten, sei falsch, sagt der UCF-Psychologe Ben Sawyer. „Zu schauen heißt nicht notwendigerweise auch zu sehen.“
Zu schauen heißt nicht notwendigerweise, auch zu sehen.
Immerhin erlangten die Glass-Träger nach dem Beinahe-Crash schneller wieder die Kontrolle über das Fahrzeug. Sawyer und seine Kollegen sehen darin einen „beschränkten Vorteil“ und ein „hoffnungsvolles Vorzeichen für die technologischen Lösungen, die da noch kommen“. Soll heißen: Irgendwann könnten Devices à la Google Glass eine sichere Technologienutzung beim Fahren möglich machen. Noch tun sie es nicht.
44 US-Bundesstaaten haben das Verfassen von Textnachrichten schon verboten. Acht Staaten denken laut Reuters auch über Verbote für Google Glass und andere Computer nach, die am Kopf getragen werden. In Deutschland steht in der Straßenverkehrsordnung hingegen explizit nur, dass kein Mobil- oder Autotelefon benutzt werden darf, „wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss“. Vom Bedienen einer Google-Brille per Stimme, Zwinkern oder Kopfbewegung ist nicht die Rede.
Selbst wenn jemand nicht schuld ist, könnte ihm eine Teilschuld am Unfall zugesprochen werden
Nach Meinung des Verkehrsrechtlers Thomas Brunow bedeutet das: „Es ist alles erlaubt, was nicht verboten ist.“ Zum Beispiel dürften Fahrer ja auch iPods oder Navigationsgeräte benutzen – und deswegen theoretisch genauso Google Glass. Brunow glaubt nicht, dass diese Geräte in absehbarer Zeit mit ins Gesetz aufgenommen werden. Dazu sei die Entwicklung der Technologie zu schnell – und der Gesetzgeber zu langsam.
All das heißt aber noch lange nicht, dass es nicht heute schon Konsequenzen haben kann, wenn man mit Glass, Navi und Co. hantiert und dabei in einen Unfall verwickelt wird. „Selbst wenn der Verkehrsteilnehmer nicht schuld ist, könnte ihm eine Teilschuld zugesprochen werden“, sagt Brunow. Weil er eben doch abgelenkt gewesen sein könnte.