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Wenn Kopfhörer den Sound über die Knochen leiten

von Dominik Schönleben
Die neuen Kopfhörer von Aftershokz sind… sagen wir, anders. Da wäre allem voran die Tatsache, dass sie ihren Ton direkt über den Knochen ins Gehör schicken – und das klingt ja erst einmal nach dröhnendem Schädel. Aber könnte so eine Technologie ältere Inears in die Mottenkiste verbannen?

Es ist ein seltsames Gefühl, als ich zum ersten Mal meine neuen Bone Conducting Headphones trage. Ein bisschen so, als würde plötzlich ein bionisches Implantat an meiner Schläfe sitzen, das Musik direkt in meinem Gehirn entstehen lässt. Die Töne sind klar und deutlich, aber gleichzeitig sind die Umgebungsgeräusche präsent. Nicht gedämpft, wie bei einem Kopfhörer, der nicht richtig abschirmt, sondern eben genauso laut wie immer. Ich kann also Gespräche führen, ohne die Musik abzuschalten, oder im Straßenverkehr ein herannahendes Auto hören – zumindest solange es kein Elektrowagen ist.


Das besondere an Bone Conducting Earphones ist, dass sie nicht im oder über das Ohr getragen, sondern auf der hinteren Wange unterhalb der Schläfe platziert werden. Die von mir getesteten TrekzAir von Aftershokz wurden auf der IFA 2017 vorgestellt und sehen ähnlich wie klassische Sportinears mit Bügel aus. Sie übertragen Töne durch Vibrationen am Knochen direkt ins Ohr, anstatt wie normalerweise über Vibration in der Luft. Musik fühlt sich dadurch äußerst intensiv an, aber auch Sprache wie bei einem Podcast oder der integrierten Freisprechanlage lässt sich bestens verstehen.


In der Medizin heißt diese Art des Hörens Knochenschall oder Knochenleitung. Sie wird für spezielle Hörgeräte verwendet, bei denen man den Gehörgang, das Trommelfell und die Gehörknöchelchen einfach überspringt. Besagte Geräte leiteten den Ton dann direkt auf die Schnecke, sagt Mark Praetorius, Leiter der Otologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Um über Knochenschall etwas zu hören, müsse also nur „die Hörschnecke und das Innenohr noch gut funktionieren“.

Die TrekzAir Kopfhörer von Aftershokz sind in erster Linie aber nicht für Menschen mit Hörschäden gedacht. Vielmehr sollen sie mir beim Joggen oder Fahrradfahren helfen, damit ich trotz Musik nicht komplett von der Außenwelt abgeschirmt bin. Und das funktioniert auch ganz gut – zumindest solange ich nicht durch die vielbefahrene Innenstadt von Berlin-Mitte radle oder mit dem öffentlichen Nahverkehr fahre. Dann nämlich übertönt der Umgebungslärm schnell die Musik und ich höre nichts mehr.


Genau hier offenbart sich das größte Problem der Kopfhörer: Drehe ich die Lautstärke hoch, um selbst Auto- und S-Bahnlärm zu übertönen, fangen sie an heftig zu vibrieren. Es ist dann ein bisschen so, als wenn jemand einem eine elektrische Zahnbürste an die Schläfe hält. Der Ton selbst bleibt klar und deutlich, selbst der Bass übersteuert nicht. Aber es ist eben unangenehm.

40 bis 50 Dezibell würden durch den Hautwiderstand beim Knochenschall verlorengehen, sagt HNO-Facharzt Praetorius. Das ist unpraktisch bei Straßenlärm, hat aber auch einen Vorteil: So laut, dass es zu Schäden am Gehört kommt, kann es nie werden. Zu viel vom Ton wird einfach abgeschirmt. „Mit solch einem Kopfhörer haben Sie bauartbedingt einen gewissen Schutz“, sagt Praetorius.


Eigentlich wären die TrekzAir die perfekten Kopfhörer fürs Jogging im Park oder für Sport im Fitnessstudio. Also an Orten, an denen es eben nicht besonders laut ist. Sie sind schweißabweisend und kosten mit 149 Euro ähnlich viel wie vergleichbare Sportinears von Beats oder Bose. Bei Bewegung verrutschen die TrekzAir jedoch schnell. Das wird bei Bone Conducting Headphones schnell zum Problem: Liegen sie nicht mehr perfekt auf dem Knochen, schon verschwindet der Ton oder wird leiser. Selbst bei leichtem Fahrradfahren stieß ich immer wieder auf dieses Problem. Bei Menschen mit langen Haaren verrutschen die Kopfhörer noch leichter. Die TrekzAir sind außerdem nicht wasserdicht und demnach fürs Schwimmen nicht geeignet.

Bone Conducting Headphones sind ein bisschen wie ein beeindruckender Party-Trick: Im ersten Moment begeisterten sie fast jeden in der WIRED-Redaktion. Nachdem aber die Faszination für die TrekzAir abgeklungen war, habe ich sie in meinem Alltag schnell wieder mit regulären Inears ersetzt.

WIRED: Die Musik klingt, als entstünde sie direkt im Kopf / Lieblingssong hören und unterhalten geht problemlos
TIRED: unbequem / verrutschen schnell bei Bewegung


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