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Parrots Disco-Drohne: Toll zu fliegen, aber taugt sie auch zum Filmen?

von Dirk Peitz
Das neueste Fluggerät von Parrot ist mehr Modellflugzeug als Drohne. Mit einem Headset auf dem Kopf können Freizeitpiloten einen Segelflug aus der Egoperspektive erleben. WIRED hat die Parrot Disco FPV über der Mecklenburgischen Seenplatte getestet.

Nach ungefähr zwei Kilometern begann ich, mir ernsthaft Sorgen zu machen. Dabei hatte ich die Parrot Disco FPV nur kurz in den Wind gedreht. Doch kaum eine halbe Minute später hatte sie sich laut der Distanzangabe auf der FreeFlight-Pro-App bereits zwei Kilometer weit wegbewegt. Die Drohne war längst außer Sicht, ihr Kontakt zur Fernsteuerung, auf der das Smartphone als Monitor aufgeschraubt wird, war mittlerweile abgebrochen. Und das Ding trieb weiter ab: zweieinhalb Kilometer, dann drei.

Vielleicht, dachte ich kurz, sollte man Windwarnungen doch ernstnehmen. Gerade wenn man eine ursprünglich knapp 1300 Euro teure Drohne aufsteigen lässt – die, obwohl erst im September auf den Markt gekommen, nun aber bereits für 999 Euro angeboten wird.

Ich stellte mich innerlich bereits auf eine größere Suchaktion an der Mecklenburgischen Seenplatte ein. Und fragte mich kurz und nicht besonders scherzhaft: Darf man bei einem Fall von verlorener Drohne in einer Gegend voller Binnengewässer eigentlich die Rettungsschwimmer der DLRG alarmieren? Okay, falls die im stürmischen Spätherbst überhaupt noch auf Binnengewässern rumschippern und nicht längst in der Sauna überwintern.

Eine ernsthaftere Frage für einen Drohnenpiloten ist zunächst mal, ob die Parrot Disco im engeren Sinne tatsächlich eine Drohne darstellt. Sie ist keiner der üblichen Multikopter mit vier oder sechs Rotoren, sondern ihrer Konstruktion nach eher ein Modellflugzeug: zwei Flügel, insgesamt 1,15 Meter Spannweite, hinten ein Propeller dran, vorne eine 2K-Kamera drauf. Wie ein Modellflugzeug steuert die Disco sich dann auch, Standbilder lassen sich mit ihr nicht machen. Dafür aber lässt sie sich prima sturzfliegen. Oder eben verlieren, denn die Drohne ist laut Betriebsanleitung bis zu 80 Stundenkilometern schnell. Ihr offizielles absolutes Spitzentempo wurde aber ohne kräftigen mecklenburgischen Rückenwind gemessen.

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Die Rasanz der Disco ist ihr Fluch und Segen zugleich, das zeigte sich auch bei weiteren Einsätzen an windstillen Tagen. Sie ist einerseits nach dem Wurfstart in den Wind derart kinderleicht zu fliegen, dass man auch wirklich mal ein Kind an die Steuerung lassen kann – der elfjährige Sohn meines besten Freundes hatte die Disco sofort im Griff. Schaut man sich andererseits aber nach der weichen, durch Knopfdruck automatisch eingeleiteten Landung die Videobilder an, sind diese leider eine ziemliche Enttäuschung. 32 Gigabyte internen Speicher hat die Disco für diese Aufnahmen.

Die Dreiachsenstabilisierung der im Flugkörper der Disco eingebauten Frontkamera kommt auch dann kaum mit den Bewegungen der Drohne mit, wenn sie sehr behutsam geflogen wird – die Bilder wackeln und ruckeln absolut grauenhaft. Die Optik reagiert extrem langsam auf Lichtveränderungen, ein bloßes Hochziehen der Disco vom Blick über den Boden in Richtung Himmel scheint den Prozessor, die Sensorik und die Software komplett zu überfordern. Bis sich das Kamerabild vom matschigen Braun der Landschaft aufs helle Himmelblau einstellt, ist das theoretisch spektakulär aussehende Flugmanöver längst vorbei.

Diese an Irrlichter erinnernden Bilder kriegt man auch in der Postproduktion nicht mehr korrigiert. Man kann die Szene beim Schnitt für ein späteres Video einfach wegschmeißen, außer man möchte sich bei anderen Drohnen-Liebhabern auf YouTube oder Vimeo als blutiger Anfänger outen.

Wenn die Disco die Sonne sieht, ist alles vorbei. Dann gibt sie auf. Und es sieht im Videobild plötzlich so aus, als habe man eine atomare Explosion am Horizont gefilmt – das Problem kennen Leute, die mal die Bebop oder Bebop 2 geflogen sind, die kleineren Quadrokopter-Modelle von Parrot. Schon mit sanftem Gegenlicht am Morgen kommen Parrot-Drohnen überhaupt nicht zurecht: Die Überbelichtung ist brutal, das Bild ist ein einziger großer Blendenfleck, und in der FreeFlight-Pro-App sucht man vergebens nach irgendwelchen manuellen Einstellungsmöglichkeiten, etwa des ISO-Wertes. Am besten fliegt man schlicht nur mit der Sonne im Rücken, doch wozu dann überhaupt noch fliegen und filmen?

Die Videobilder der Drohnen des französischen Herstellers sind gegenüber der chinesischen Konkurrenz von DJI oder Yuneec offen gestanden ein Desaster. Und zwar in jeder Hinsicht. Dass Parrot weiterhin keine Drohne mit 4K-Auflösung anbietet ist hier nur ein Detail. Die Bildstabilisierung der im Bug der Disco verbauten Kamera kann offensichtlich nicht annähernd mit den mechanischen Gimbals und der Sensortechnik in Multikoptern wie der DJI Phantom 4 oder Mavic und dem Yuneec Typhoon H mithalten. Die liegen alle ungefähr im selben Preissegment zwischen 1000 und 1500 Euro. Sogar die 2,7K-Kamera der mit 599 Euro derzeit günstigsten DJI-Drohne – die Phantom 3 Standard – liefert technisch bessere Bilder als die Disco.

Das einzige Argument, das für die Disco sprechen könnte, ist im Praxistest leider kein wirkliches: Sie wird im Gegensatz zu fast allen anderen Videodrohnen gleich mit einer First-Person-View-Brillenhalterung geliefert. In die können Nutzer ihr Smartphone hineinschieben und so immersiv fliegen – doch die Bildübertragung funktioniert nur dann störungsfrei und relativ unverpixelt, wenn die Disco in der Nähe ist. Sobald sie auch nur weniger hundert Meter weit weg bewegt wird, unterbricht die Übertragung immer wieder. (Im Test wurden iPhone 5 und 7 verwendet)

Doch ein riesiger Vorteil gegenüber anderen Drohnen bleibt der Disco: Mit einer maximalen Flugzeit von 45 Minuten übersteigt ihre Akkukapazität die von Konkurrenzprodukten um fast das Doppelte. Und weil es wie bei anderen Drohnen einen Return-Home-Button gibt, kehrte die Disco, nachdem sie sensationelle dreieinhalb Kilometer weit abgetrieben war, dann selbstständig rechtzeitig vor dem Akku-Aus um – eine Suchaktion war nicht nötig, die DLRG konnte in der Sauna bleiben. Bei rund zwei Kilometern Entfernung fand die Fernsteuerung auch wieder eine Verbindung zur Disco. Es blieb sogar noch etwas Akku-Zeit übrig für ein paar letzte Runden übers Feld.

Dies Fliegen in Sichtweite ist dann letztlich auch der große Spaß, den die Parrot Disco wirklich bietet: Sie ist tatsächlich eher ein Modellflugzeug mit angeschlossener Hilfskamera als eine Video-Drohne, mit der man ernsthaft filmen könnte. Doch akkubetriebene Modellflugzeuge ohne Kamera gibt es in ähnlicher Größe und mit ähnlichen Flugeigenschaften schon ab rund 200 Euro zu kaufen. Dann steuert man zwar kein fliegendes Auge mehr am Himmel, aber die eigenen Augen leiden hinterher auch nicht unter mittelmäßigen Videos.

Im Überblick:
+ doppelt so viel Akkuleistung wie vergleichbare Drohnen
+ schneller Flugspaß, der an ein Modellflugzeug erinnert
- Verbindung zum Headset bricht schon nach wenigen hundert Metern ab
- Videoaufnahmen der Kamera sind ein Desaster: schlechte Bildstabilisation, niedrige Auflösung und starke Überblendung durch die Sonne

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