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Mach’s gut iPod und danke für all die kostenlose Piraten-Musik!

von David Pierce
Der iPod ist tot! Hoch lebe die Welt, die er uns vermacht hat. WIRED-Redakteur David Pierce beschreibt das Ende einer Ära und ihre Bedeutung für die Musikindustrie.

Der iPod siecht schon lange dahin, sein Ende kam jedoch plötzlich. Er hatte einst Apples Erfolg entzündet und maßgeblich dazu beigetragen, das Unternehmen zu dem zu machen, was es heute ist. Nach fast 16 Jahren auf dem Markt und mehr als 400 Millionen verkauften Exemplaren hat Apple den iPod Nano und Shuffle am Donnerstag still und leise aus dem eigenen Online-Shop entfernt. Der iPod Touch durfte weiterleben (mit 32 Gigabyte Speicher kostet er 229 Euro). Dieses Gadget ist aber in Wirklichkeit nichts anderes als ein abgespecktes iPhone. Der iPod als MP3-Player ist offiziell tot, und damit endet für Apple eine Ära.

Klar, wer braucht überhaupt noch einen MP3-Player, wenn es Smartphones gibt, werden viele sagen. Und das stimmt auch: Seit Jahren verkauft Apple keine relevante Anzahl an iPods mehr. In den letzten Jahren wurde er bei der Auflistung der Umsätze nur noch in der Auffangkategorie „Andere Produkte“ mitgezählt. Längst stand er auf einer Stufe mit Kopfhörern, Ladekabeln und dem obskuren Apple Pencil. 2014, als der iPod Classic eingestellt wurde, sagte Tim Cook: „Wir wissen seit langem, dass die Verkäufe von iPods rückläufig sind.“ Es gab einfach keinen Markt mehr für MP3-Player.

Irgendwie ist der Tod des iPods ein ganz besonderer Augenblick für eine ganze Generation, zu der ich mich dazu zähle. Mich persönlich erinnert er an meine Schulzeit. Ich besaß damals einen unglaublich hässlichen, goldenen iPod Mini, der mir aus dem Auto gestohlen wurde. Auf ihm war all die Musik, die mir damals das Gefühl gab, cool zu sein. Und dann gab es da diese Angst, wie Freunde darauf reagieren könnten, falls sie peinliche Songs auf meinem iPod finden. (Ich schwöre, das neue Album von Hoku gehört meiner Schwester. Keine Ahnung, wie das hier draufgekommen ist.)

Auf die Art und Weise, wie manche Menschen sich daran erinnern, wie sie in den Plattenläden die LPs durchstöbern oder obzessiv ihre CD-Sammlung pflegen – so werden manche an den iPod zurückdenken. Er erinnert mich daran, wie ich ihn mit dem Computer verbunden habe und es ewig dauerte, bis sich iTunes zum synchronisieren öffnete. Ich habe die Metadaten gepflegt und Playlists erstellt. Und vor allem das Gefühl, wie ich das Steuerrad mit dem Daumen so lange drehte, bis ich den perfekten Song gefunden hatte.

Der iPod hatte ein gutes Timing, er kam dann in die Kaufhausregale, als Napster gerade seine heißeste Phase hatte. Musikpiraterie machte das Gadget erst so richtig aufregend. Musik war plötzlich kostenlos und der iPod hatte einen riesigen Speicher. Und die mitgelieferten In-Ear-Kopfhörer waren allgegenwärtig bei Musikliebhabern, die plötzlich den Soundtrack ihres Lebens selbst in die Hand nahmen. „Er gibt Kontrolle über die Reise, das Timing und den Raum, durch den man sich bewegt“, sagte Michael Bull, Professor an der University of Sussex, 2004 zu WIRED. „Es ist zwar eine Verallgemeinerung, aber beim iPod geht es vor allem um Kontrolle.“

Natürlich gab es zuvor andere portable Gadgets, die Musik abspielten. Der MiniDisc-Player und der Walkman waren jedoch größer, unhandlicher – und komplizierter. Du musstest im Vorfeld planen, was du anhören wolltest. Mit dem iPod hattest du deine gesamte Musik stets bei dir.

Man könnte argumentieren, dass der iPod das Album getötet hat. Weil eigene Playlists und die Zufallswiedergabe zur bevorzugten Art wurden, Musik zu hören. Sicher ist: Der iPod war maßgeblich daran beteiligt, dass heute niemand mehr für Musik bezahlt. Wer hätte es sich auch leisten können, ihn mit 5000 Songs zu befüllen? Die Musikindustrie musste sich irgendwann diesen neu geschaffenen Fakten stellen und die bezahlten Downloads wichen dem Abo-Modell. Statt Alben gab es plötzlich „Dein Mix der Woche“.

Musik ist allgegenwärtig geworden und heute wähle ich nicht mehr selbst übers Steuerrad, sondern Amazons Sprachassistent Alexa sucht den nächsten Song für mich heraus. Die Ironie dabei: Apple erschuf quasi eine neue Musikindustrie, dominiert von Streaming und Algorithmen, in der es plötzlich keinen Platz mehr für den iPod gab.

Wer noch immer nostalgische Gefühle hat, kann einen der letzten iPods im Apple Store kaufen – zumindest so lange der Vorrat reicht. Alternativ gibt es noch Mighty, eine Art iPod, der sich mit Spotify verbindet. Oder man wechselt zur Apple Watch und HomePod, die Apple sicherlich als geistige Nachfolger des iPod sieht.

Tatsächlich brauche ich nichts davon, denn ich habe ja weiterhin mein Smartphone. Es wird noch einige Zeit der zentrale Ort bleiben, an dem ich Musik höre. Doch der iPod ebnete den Weg dafür. Und deshalb sollten wir uns an seinem Todestag daran erinnern, was ihm gelang: Er befreite die Musik.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
Das Original lest ihr hier.

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