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IFA-Vorschau: Smart Home und Smart TV müssen noch schlauer werden

von Karsten Lemm
Smart TV und Wearables, vernetzte Kühlschränke und Drohnen: Auf all diesen Gebieten erwarten die Hersteller kräftiges Wachstum. Bei einer Vorschau auf die Elektronikmesse IFA in Berlin zeigt sich aber auch, dass viele Geräte noch viel schlauer werden müssen, um wirklich zu überzeugen.

Lauter gute Nachrichten, wohin Hans-Joachim Kamp auch schaut. Der oberste Chef des IFA-Organisators gfu steht am Dienstagmorgen auf der Bühne eines Messezentrums im Herzen von Berlin und präsentiert die Ergebnisse einer europaweiten Umfrage zur Nutzung von Unterhaltungselektronik und vernetzten Heimgeräten. Die Präsentation ist Auftakt einer Pressevorschau zur IFA-Messe, die Anfang September in der Hauptstadt stattfindet.

Seit Jahren preisen die Hersteller die Segnungen von Fernsehern an, die auch online gehen können, von Fitnesstrackern, die uns in Bewegung halten, oder von Stereo-Anlagen, die sich ihre Musik aus dem Netz holen – und jetzt scheint die Überzeugungsarbeit tatsächlich zu fruchten.

Fast ein Drittel der Deutschen signalisiert Kaufabsichten bei Anlagen zum Audio-Streaming, jeder Fünfte interessiert sich für Wearables, und auch Drohnen reizen viele Befragte: 15 Prozent gaben an, sie wollten noch vor Ende 2017 eine autonome Flugmaschine kaufen. Vor allem aber wünschen sich die Menschen neue Fernseher. 7,7 Millionen Geräte sollen bis 2020 hierzulande verkauft werden – und auch noch für mehr Geld als bisher: „Wir haben einen steigenden Durchschnittspreis“, sagt der gfu-Chef. „Das gab es seit fünf Jahren nicht mehr.“ 600 Euro zahlen Käufer derzeit im Durchschnitt, 20 Euro mehr als 2015.


Hinter dem aktuellen Run aufs TV stehen technische Verbesserungen und der Wunsch nach größeren Bildschirmen: Hochauflösende Displays lassen den Fernseher, der jetzt im Wohnzimmer steht, alt und blass aussehen – und wenn man schon einen neuen kauft, dann gern eine Nummer größer. Geräte ab 56 Zoll sind doppelt so stark gefragt wie vor einem Jahr.


Außerdem lockt der Zugang zum Internet: In jedem zweiten deutschen Haushalt steht mittlerweile ein Smart TV mit entsprechenden Features – und fast 80 Prozent der angeschlossenen Geräte werden tatsächlich online genutzt. Lieblingsadressen deutscher Zuschauer sind die Mediatheken der Fernsehsender, die zeitversetztes Ansehen erlauben.


Allerdings: Lange werden sich die Käufer an ihren neuen Fernsehern wohl nicht erfreuen, denn die nächste Generation kündigt sich bereits an. Sie soll noch bessere Bilder bringen und noch besseren Ton – Displays mit einer Auflösung in 4K, dem Vierfachen des bisherigen HDTV. Und selbst das ist nicht genug: Die nächste Variante mit 7680 mal 4320 Bildpunkten, wahlweise 8K oder UHD-2 genannt, ist auch schon in der Entwicklung. „Da ist eine ganze Menge Schwung drin“, sagt Stephan Heimbecher, Innovationschef beim Pay-Sender Sky, als er auf der Bühne steht. „Aber es fehlt in einigen Punkten noch an Standards, damit das Ganze sinnvoll eingeführt werden kann.“


Auf mehr Pixel allein wollen sich die Hersteller ohnehin nicht verlassen. Deshalb sollen künftige Fernseher auch eine größere Bandbreite an Farben darstellen können und besser mit starken Helligkeits-Unterschieden klarkommen – „höhere Dynamik“ nennen das die Fachleute. Die Fußball-Europameisterschaft zeigt, wo aktuell das Problem liegt: Wenn der Rasen halb im Schatten liegt, kämpfen TV-Geräte damit, zwischen Hell und Dunkel die Balance zu halten, weil ihr Dynamik-Umfang weit geringer ist als beim menschlichen Auge. „Was Sie im täglichen Leben sehen, ist sehr viel mehr als das, was Sie im TV sehen können“, sagt Heimbecher. Künftig soll das anders sein. Unerwünschte Licht-Schatten-Effekte wie beim Fußball „gehören dann der Vergangenheit an“, verspricht der Sky-Manager.


Jenseits des Wohnzimmers arbeiten die Hersteller daran, das ganze Haus zu vernetzen. Die Küche steht dabei vornan, und immer wieder muss der Kühlschrank als Beispiel herhalten, auch an diesem Morgen. Eine Kamera, die ins Innere schaut, soll gemeinsam mit dem Internetanschluss jederzeit Aufschluss geben, ob noch Milch da ist – oder genug Bier, um Freunde zum EM-Halbfinale einzuladen. Das gibt es heute schon. Morgen dann könnte das Gerät allein entscheiden: „Wenn der Kühlschrank selbst bestellt und die Drohne zweimal klingelt – das wird die Zukunft sein“, kalauert Roland Hagenbucher, Geschäftsführer der Siemens-Hausgerätesparte bei seinem Vortrag über das vernetzte Heim.

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Welche Vorteile es denn wirklich biete, wenn die Waschmaschine per SMS ihren Waschgang mitteilen kann, will anschließend die Moderatorin Judith Rakers wissen – und bringt den Siemens-Manager damit sanft ins Schleudern. „Ähm, dann sind Sie erst einmal beruhigt, dass Ihre Wäsche gewaschen wird“, antwortet Hagenbucher nach kurzem Zögern und räumt schnell ein: „Aber ja, man muss natürlich größer denken.“ Etwa, indem die Waschmaschine das Waschpulver selbst bestellen könnte, wenn ihr der Nachschub ausgeht.


Dass die grandios vorgetragenen Visionen der Hersteller noch an vielen Stellen mit der Wirklichkeit hadern, zeigt sich auch beim Vortrag von Heiko Neundörfer, der mit seiner Firma HiFi Forum täglich damit zu tun hat, vernetzte Geräte im Alltag zum Laufen zu bringen. Keine leichte Aufgabe. Beim Thema Smart Home, erklärt Neundörfer, befalle ihn „immer eine gewisse Beklemmung“ – nicht zuletzt, weil das Versprechen vom nahtlosen Zusammenspiel der Geräte verschiedener Hersteller oft genug an fehlenden Standards und komplizierter Technik scheitere. „Die Geräte werden immer komplexer statt intuitiver“, klagt Neundörfer. „Die Verknüpfung erfordert immer mehr Spezialwissen. Das ist noch nicht wirklich ausgegoren.“

Aus Insellösungen, wie bisher, müssten gut durchdachte Ökosystemen werden, die es leicht machten, Produkte aller Art zu integrieren, fordert der Experte. Denn: „Nur weil die Produkte vernetzt sind, heißt das noch nicht, dass sie auch smart sind.“


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