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Gründlich, aber leicht beschränkt: Der Saugroboter Dyson 360 Eye im Test

von Karsten Lemm
Mit dem 360 Eye präsentiert Dyson seinen ersten Saugroboter. Panoramablick, smarte Navigation und höchste Reinigungskraft sollen dem Neuling in der Premiumklasse helfen, die Konkurrenz zu überholen. Wir haben geprüft, was der Dyson-Roboter wirklich kann.

Mit Getöse wirft sich der putzige Kleine in den Staub. Kaum ist er von der Basisstation weggerollt, schmeißt er den Turbo-Sauger an, der an einen Düsenjet beim Start erinnert, und beginnt, mit den rotierenden Bürsten unter seinem Bauch noch die letzten Krümel aus dem Teppich zu kratzen. Ganz, wie man es bei jemandem von seiner Herkunft erwarten darf.

Dyson, der Name steht für Sauberkeit ohne Kompromiss und ohne Beutel: Ein milliardenschweres Imperium hat der britische Erfinder und Unternehmer James Dyson mit dem Versprechen aufgebaut, den Haushalt gründlicher vom Staub zu befreien als andere Hersteller und dabei gleich noch die Papiertüten einzusparen. Der Müll landet stattdessen in transparenten Auffangbehältern, die unübersehbar zeigen, was sich auf Parkett, Teppich, Fliesen alles angesammelt hatte, bis der Dyson in Aktion trat.

Der 360 Eye passt da perfekt in die Familie: Er bietet laut Dyson „2x mehr Saugkraft als alle anderen Saugroboter“ und besitzt einen V2-Motor mit bis zu 78.000 Umdrehungen sowie „Radial Root Cyclone“-Technologie – gemeinsam wohl verantwortlich für das Getöse, das bei der Tiefenreinigung entsteht. Immerhin: Für empfindliche Ohren gibt es auch einen Leise-Modus, in dem der Roboter den Motor etwas herunterfährt.

Dem Ergebnis dieser geballten Power gilt es dann ins Auge zu schauen – öfter, als manchem lieb sein mag. Denn mit einem Volumen von 0,33 Litern ist der Staubfang-Behälter schnell voll und muss entsprechend oft geleert werden. Nicht unbedingt ein Vergnügen, und wer unvorsichtig ist, kann dabei reichlich Staub aufwirbeln.

Gründlich ist der 360 Eye ohne Frage. Er kratzte bei jedem Testlauf beachtliche Mengen an Beweismaterial dafür zusammen. Dank seines kompakten Durchmessers von lediglich 24 Zentimetern fällt es dem Dyson-Sauger auch leichter, in Ecken zu kriechen, als vielen Konkurrenten. Andererseits ist er mit zwölf Zentimetern Höhe schon zu groß, um unter manch ein Möbelstück zu passen – da muss dann doch wieder der manuelle Staubsauger oder ein Putzfeudel her.

Aber Gründlichkeit dürfte für die meisten Menschen eine Grundannahme sein, die bereit sind, fast 1000 Euro für einen Staubsauger auszugeben. Wer einen Roboter kauft, wünscht sich wohl vor allem eines: endlich von der Drecksarbeit befreit zu sein, die Wohnung eigenhändig nach Krümeln, Fusseln und Flusen zu durchforsten.

Als die US-Firma iRobot vor knapp 15 Jahren den ersten Saugroboter auf den Markt brachte, kam das einer Revolution gleich: Deren Roomba kurvte ohne Hilfestellung durchs Haus und schaffte es, reichlich Staub einzusammeln, obwohl ihm seine Umwelt fremd blieb: Sensoren waren teuer, Rechenchips langsam, und so durfte man von den ersten Maschinen noch nicht viel erwarten. Entsprechend sahen Käufer es ihren neuen Helfern meistens nach, wenn die weitgehend blinden Roboter hier und da mal aneckten.

Blind ist der Dyson 360 Eye nicht. Er benimmt sich nur manchmal so

Blind ist der Dyson 360 Eye nicht. Er benimmt sich nur manchmal so. Der Name mag suggerieren, dass dieser Roboter mit Panoramablick in alle Richtungen schauen kann. Schließlich besitzt er eine 360-Grad-Kamera an der Oberseite und dazu noch Infrarot-Sensoren, die das Bild ergänzen. Nur kommt es trotzdem erstaunlich oft vor, dass der Roboter ungebremst auf Hindernisse prallt. Bei unserem Test fuhr er verlässlich immer wieder gegen eine Holzkommode, die gerade so hoch auf ihren Beinen steht, dass der Dyson darunter keinen Platz hat. Er rempelte eine Stehlampe an, kollidierte mit den dünnen Beinen eines Sessels, übersah immer wieder die Metallfüße zweier Stühle.

Solche Probleme seien den Entwicklern bekannt, erklärt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage. Mit Metall vor allem komme der Roboter nicht immer klar, weil es ihn blenden könne. Holzbeine allerdings sollte er erkennen – und das tat er bei unserem Test in der Regel auch. Aber eben nicht immer. Da wirkt es dann etwas vollmundig, wenn Firmengründer James Dyson sich über die Konkurrenz mokiert: „Die meisten Roboterstaubsauger erkennen die Umgebung nicht, haben wenig Saugkraft und reinigen nicht richtig. Es sind Spielereien.“

Die Umgebung zu erkennen ist eben auch nicht gerade eine Stärke des 360 Eye. Und wenn man nicht möchte, dass Möbel ständig angestoßen, womöglich beschädigt werden, bleibt nichts anderes übrig, als vor dem Saugen alles aus dem Weg zu räumen, was dem Dyson-Roboter erkennbar Probleme bereitet. Vor jedem Einsatz wieder. Das ist ausgesprochen lästig.

Zugegeben: Alle Saugroboter verlangen, dass man ihnen ein Stück entgegenkommt – aufräumen können sie schließlich (noch) nicht von allein. Deshalb müssen auch Strippen, Socken, Spielzeug, Teppiche mit langen Fransen und vieles mehr, das sich in den Bürsten des Geräts verfangen könnte, vor dem Start entfernt werden.

Leider gibt es keine Möglichkeit, den 360 Eye anzuweisen, bestimmte Bereiche der Wohnung auszulassen. Der Roboter kurvt einfach los und erkundet seine Welt, jedes Mal wieder neu, als hätte er sie noch nie gesehen. Das tut er in einer Weise, die für solche Geräte üblich ist: scheinbar planlos, aber doch mit Methode. SLAM nennt sich das Verfahren (Simultaneous Localization And Mapping), bei dem die Maschine sich dreht und wendet, mal hierhin und mal dorthin fährt – bis am Ende der ganze Raum erfasst wurde. Wie das passiert, ist dabei nicht so wichtig; Hauptsache, jeder Fleck wird irgendwann erwischt.

Das gelingt dem 360 Eye nach unserer Erfahrung auch sehr verlässlich. Allerdings verlangt die Kamera dazu, dass der Raum beleuchtet ist. Wer den Roboter gern nachts einsetzen möchte, etwa zum Säubern von Flur und Keller, muss dabei auch das Licht anknipsen, zum Beispiel per Zeitschaltuhr.

Mit einer Akkuladung hält der Dyson bis zu 45 Minuten durch. Das ist am unteren Ende des Üblichen und reicht nicht unbedingt für große Räume. Geht ihm die Energie aus, rollt der Roboter zurück zur Basisstation und setzt nach dem Aufladen, das knapp drei Stunden dauert, seine Arbeit fort.

Bei alledem erstellt das Gerät eine zentimetergenaue Karte seiner Umgebung, die auf der Mobil-App (für iOS und Android) anzeigt, wo gesaugt wurde. So lässt sich kontrollieren, was der Roboter gemacht hat, man kann den aktuellen Status abrufen und regelmäßige Reinigungsaktionen festlegen – bequem auch aus der Ferne. Einzige Voraussetzung ist ein WLAN-Netz auf 2,4 Gigahertz Funkfrequenz, mit dem sich der Dyson verbinden kann.

Schön wäre es natürlich, man könnte dem Roboter auch per App sagen, welche Räume er putzen soll. Oder auch nur, welche Teile eines Raums – sei es, um gezielt Dreck zu entfernen oder um künftige Kollisionen zu verhindern. Schließlich weiß der Roboter ja eigentlich nach dem ersten Reinigen durch die erstellte Karte, wie es um ihn herum aussieht. Nützlich, sollte man meinen, selbst wenn ab und zu ein Stuhl umgestellt wird oder sich sonst etwas verändert.

Ja, das wäre schön, sagt auch die Dyson-Pressestelle und versichert, den Wunsch habe man bereits an die Entwickler in England weitergegeben. Fürs Erste allerdings bleibt nur, den Roboter für eine Komplettreinigung einfach loslaufen zu lassen oder ihn in einem Raum, der gesäubert werden soll, per Hand abzusetzen. Dann erledigt er brav seine Arbeit, bis ihm der Akku ausgeht, und fährt mit letzter Kraft an die Stelle zurück, an der er abgesetzt wurde.

Nicht gelöst ist damit weiterhin das Problem von Karambolagen. iRobot bietet als Zubehör sogenannte „virtuelle Wände“ an, die den hauseigenen Roomba-Modellen mit Infrarotstrahlen signalisieren: bis hierhin und nicht weiter. Dyson habe sich gegen solch eine Lösung entschieden, erklärt die Sprecherin, weil Kunden dieses Prinzip zu umständlich fänden.

Nun muss jeder Käufer einen eigenen Weg finden, dem fehlsichtigen Roboter Grenzen zu setzen – etwa durch gezielte Blockaden. Das ist unbequem und auch nicht ganz leicht, denn der 360 Eye ist eigentlich darauf ausgelegt, Hürden zu überwinden. Stolz weist Dyson darauf hin, dass dieser Saugroboter nicht, wie seine Konkurrenten, einfach auf Rollen unterwegs ist, sondern Kettenräder besitzt, die es ihm erlauben, über Hindernisse hinwegzufahren.

Das ist sicher gut gemeint, doch bei unserem Test brachte sich der 360 Eye dadurch immer wieder in Schwierigkeiten. Er kurvte in die Aussparung eines alten Kachelofens hinein, arbeitete sich bis zur Hälfte auf Türschwellen vor – nur, um dann hängen zu bleiben; und versuchte zunehmend verzweifelt, über das Metallgestell von Stühlen zu fahren, das sich ihm in den Weg legte.

Aufgeben mag er dabei so gut wie nie, und die wilde Entschlossenheit, es irgendwie doch zu schaffen, ist beinahe bewundernswert. Aber wahrscheinlich wäre weniger hier mehr gewesen: Hätten die Ingenieure ihren kleinen Saubermann darauf programmiert, im Zweifel lieber nachzugeben, früher abzubiegen, vor Hindernissen zurückzuschrecken, wäre er am Ende zwar weniger gründlich – aber man könnte ihn auch leichter in die Welt entlassen, ohne Unfälle zu befürchten.

Fazit
In der derzeitigen Form merkt man dem 360 Eye an vielen Stellen an, dass es sich um ein Produkt der ersten Generation handelt. Zwar ist Dyson alles andere als früh dran beim Versuch, einen Saugroboter zu bauen; doch bisher war die Firma vor allem darauf spezialisiert, mechanische Ingenieurswunder zu vollbringen. Mit dem Zusammenspiel aus Hardware und Software hat Dyson erkennbar noch wenig Erfahrung. Die Mobil-App ist solide gestaltet, aber rudimentär in ihren Funktionen, und viele Möglichkeiten bleiben ungenutzt.

Wer bereit ist, dennoch 1000 Euro für den 360 Eye auszugeben, darf sich zumindest auf eines freuen: Viele der möglichen Verbesserungen beruhen auf einer Weiterentwicklung der Software – sowohl der App als auch der Firmware im Roboter selbst. Damit besteht die Chance, den bisher etwas beschränkten Sauger nach und nach intelligenter zu machen. Von solchen Verbesserungen, versichert Dyson, werden auch Geräte profitieren, die bereits verkauft wurden.

So bleibt Kunden die Hoffnung, dass die Ingenieure mit der gleichen Hartnäckigkeit weitermachen wie ihr Roboter – ganz nach dem Vorbild des Firmengründers selbst. Als James Dyson Ende der 70er Jahre auffiel, dass die Kraft von Staubsaugern nachließ, je mehr sich der Beutel füllte, beschloss er, eine Alternative zu entwickeln: einen Staubsauger, der ohne Beutel auskam. Fünf Jahre lang tüftelte er an dem Konzept herum und baute mehr als 5000 Prototypen. Wissen wollte von seiner Erfindung trotzdem niemand etwas. Es dauerte noch viele weitere Jahre, bis James Dyson die Welt daran gewöhnt hatte, dem Dreck ins Auge zu schauen und für besondere Gründlichkeit einen Aufpreis zu zahlen.

Heute macht sein Unternehmen mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz im Jahr und beschäftigt 7000 Menschen. Die Queen hat den Gründer geadelt. So schnell gibt Sir James nicht auf. Darf er allerdings auch nicht, wenn der 360 Eye tatsächlich „ein geniales, arbeitssparendes Gerät“ werden soll, wie von Dyson persönlich beim Verkaufsstart versprochen.

WIRED: Hohe Saugkraft und reinigt sehr gründlich. // Klein und wendig, kommt in viele Ecken. // Genaue Anzeige der gereinigten Fläche in der App.
TIRED: Hoher Preis. // Saugbehälter muss oft geleert werden. // Geringe Akku-Leistung. // Unzuverlässige Navigation, eckt öfter mal an.

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