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Google Pixel Test: Noch kein iPhone-Killer

von Timo Brücken
Das Pixel soll ein iPhone-Killer sein. Doch kann das neue Google-Smartphone Apple-User zum Wechsel bewegen? Unser Autor ist selbst einer von ihnen und hat es getestet.

Ich habe Apple immer für überhypt und überteuert gehalten – und mir vor eineinhalb Jahren trotzdem ein iPhone gekauft. Fast ohne es zu merken war ich in das Ökosystem des Konzerns aus Cupertino reingerutscht, angefangen mit dem Mac im Büro, irgendwann kam ein iPad dazu und schließlich eben das Smartphone. Es passte einfach alles so gut zusammen, die Macht der Gewohnheit betäubte den Schmerz über den hohen Preis, ich wurde vom Android- zum Apple-User.

Vor zwei Wochen stellte Google dann sein Pixel-Smartphone vor – den angeblichen iPhone-Killer: Die Kamera des Google-Geräts sei besser (bisher eher eine Stärke von Apple) und die Künstliche Intelligenz schlauer (bisher eher eine Schwäche von Apple). Eine ganze Reihe von Virtual-Reality-, Streaming- und Internet-of-Things-Gadgets sollen mit der Zeit einen eigenen Google-Kosmos um das Pixel entstehen lassen. Und preislich positioniert man sich exakt auf iPhone-Niveau. Eine klare Kampfansage an Apple.

Aber auch ein Grund für iPhone-User, auf Android umzusteigen? Das wollte ich herausfinden und habe das Google Pixel XL eine Woche lang im Alltag getestet.

Die Äußerlichkeiten
Auf den ersten Blick sind Pixel und iPhone Zwillinge: der Aluminiumrahmen mit den abgerundeten Ecken, der Lautsprecherschlitz oben auf der Vorderseite. Lediglich der Fingerabdruckscanner fehlt beim Pixel unter dem Display und sitzt stattdessen auf der Rückseite. Das ist angenehm und intuitiv, mit einem einfachen Tippen auf den Sensor lässt sich das Smartphone entsperren, gedrückt werden muss hier nichts (anders als beim iPhone, wo mit iOS 10 „Slide to unlock“ zugunsten von Touch ID abgeschafft wurde, was ich unnötig verwirrend fand). Und bei entsperrtem Telefon kann man durch Wischen von oben nach unten auf dem Sensor die Benachrichtigungen aufrufen.

Kaum kleiner als das iPhone, aber gefühlt deutlich handlicher

Was stört: Wenn das Pixel auf dem Tisch liegt, lässt es sich nur per Code oder Muster entsperren. Was ich spätestens an dem Punkt merkte, an dem ich zum zehnten Mal den Finger zum nicht vorhandenen Home-Button ausstreckte und ins Leere griff. Erziehung wird man leider nicht so schnell los.

Mit 154,7 x 75,7 x 8,6 Millimetern ist das Pixel XL kaum kleiner als das iPhone 7 Plus (158,2 x 77,9 x 7,3), fühlt sich aber deutlich handlicher an. Das liegt vor allem an den zwei Kanten, die sich über den Rahmen ziehen. Durch sie hat man das Gefühl, dass einem das Pixel nicht so leicht aus der Hand rutschen würde wie das völlig abgerundete iPhone. Deswegen könnte ich mir nicht nur vorstellen, auf eine griffigere Hülle zu verzichten, sondern auch, das größere Pixel-Modell zu nutzen, während ich beim iPhone immer eher zur kleineren Variante tendiert habe.

Insgesamt ist das Pixel XL 20 Gramm leichter als das iPhone 7 Plus, hochwertig verarbeitet (auch das Plastik im oberen Drittel der Rückseite stört nicht) und hat im Gegensatz zu seinem Apple-Pendant eine Kopfhörerbuchse. Daran, dass der Lautstärkeregler jetzt rechts sitzt, gewöhnt man sich schnell.

Einfaches Übertragen
Ein Feature, mit dem Google für das Pixel wirbt, ist die einfache Übertragung der Daten vom alten Smartphone – allen voran vom iPhone. Im Lieferumfang ist sogar ein Adapter enthalten, über den man das iPhone-Ladekabel ans Pixel anschließen kann. Dann lässt sich auswählen, ob man Fotos, Nachrichten und Kontakte übertragen will. Das dauert nur wenige Minute und verkürzt die Einrichtungszeit für das neue Smartphone zumindest ein bisschen.

Alle Apps neu herunterladen muss man wegen der unterschiedlichen Ökostysteme iOS und Android natürlich trotzdem. Das ging im Test aber deutlich schneller und reibungsloser als das Aufspielen eines iCloud-Backups auf ein neues iPhone.

Benutzeroberfläche und Performance
Über das Für und Wider der Android-Benutzeroberfläche gegenüber iOS zu diskutieren, wäre hier fehl am Platz. Es gibt grundlegende Unterschiede, durch die man beim Wechsel zuerst einmal immer etwas verwirrt ist (Beispiel Zurück-Button oder fehlende Zahlen an den App-Icons), aber das ist letztlich nur Gewöhnungssache. Als Spitzenmodell läuft das Pixel jedenfalls mit dem besten Android, das Google zu bieten hat. Alles läuft flüssig, nichts ruckelt, Multitasking und das schnelle Wechseln zwischen Apps funktionieren einwandfrei. So wie beim iPhone 7 eben auch, ein Unterschied ist nicht spürbar.

Der bessere digitale Assistent hat einen Preis

Wer sein Leben lang nur Apple-Geräte benutzt hat, braucht möglicherweise etwas länger, um sich an die anders zu handhabenden Notifications oder Menüführungen zu gewöhnen, oder er vermisst 3D Touch. Als Früher-mal-Android-User fand ich mich aber auch zwei Betriebssystemversionen später schnell wieder zurecht.

Display
Mit einer Auflösung von 2560 x 1440 Pixeln und einer Pixeldichte von 543 PPI liegt das Pixel XL beim Display vor dem iPhone 7 Plus (1920 x 1080 und 401 PPI). Die Farben wirken im direkten Vergleich beim Google-Gerät satter. Wenn man ganz genau hinsieht, denn im Gebrauch merkt man diese Unterschiede so gut wie gar nicht. Man könnte sagen, das iPhone hat schon ein brillantes Display – und das Pixel eben ein noch ein bisschen brillanteres. Kein Grund, sich für oder gegen eines der beiden Modelle zu entscheiden.

Kamera
Als Google ankündigte, das Pixel habe „die beste Kamera, die jemals jemand in ein Smartphone gebaut hat“, dürften viele Apple-User hellhörig geworden sein. Die Überlegenheit des iPhones auf diesem Gebiet galt lange Zeit als selbstverständlich. Die 12-MP-Rückkamera des Pixel liefert Bilder, an denen nichts auszusetzen ist, und überzeugt vor allem bei schwachen Lichverhältnissen. Etwas, das aber auch die neueste iPhone-Generation besser kann als ihre Vorgänger. Ob Google sein Versprechen hält und die Apples Kamera-Dominanz beenden kann, müssen Profifotografen nach längeren Tests beurteilen.

Der Assistent
Kommen wir zum eigentlichen Killer-Feature des Pixel: dem Google Assistant. Der Nachfolger von Google Now, der nicht nur in den neuen Smartphones, sondern etwa auch im Heimlautsprecher Google Home enthalten sein wird, ist wirklich faszinierend. Der Assistent reagiert schnell und präzise auf alle Kommandos, versteht Folgefragen und kann Kontexte herstellen („Ok Google, zeig mir das Rezept für Spagehtti Carbonara.“ – „Gibt es das auch in vegan?“). Während ich Siri auf meinem iPhone kaum nutze, weil es zu wenig kann und mich oft nicht versteht, spreche ich ständig mit dem Google Assistant. Er fühlt sich einfach wesentlich schlauer und fähiger an als sein Apple-Pendant.

Google hat seinen bisher größten Vorteil aufgegeben

Auch wenn die Software noch ganz am Anfang steht und ihr volles Potenzial erst mit der Zeit entfalten wird, wenn mehr App-Einbindungen und kompatible Geräte hinzukommen, ist der Assistant schon jetzt der größte Vorteil des Pixel. Wenn Apple nicht schnell mit seiner versprochenen KI-Offensive ernst macht und Siri endlich schlau und brauchbar wird, könnte das iPhone abgehängt werden. Noch werden Apple-Nutzer deswegen nicht in Massen zu Google wechseln, in ein bis zwei Jahren könnte das schon ganz anders aussehen.

Der bessere digitale Assistent hat aber auch einen Preis: Google sitzt auf wesentlich mehr Nutzerdaten als Apple und geht, sagen wir: liberaler mit ihnen um. Was da ist (dank der Suchmaschine wesentlich mehr als bei Apple), wird ausgewertet und das macht den Google Assistant potenziell besser. Wer Apple wegen seiner Bekenntnisse zu Datenschutz und Verschlüsselung schätzt, könnte das aber auch als Nachteil auslegen.

Fazit
Ich werde nicht vom iPhone aufs Google Pixel umsteigen – und zwar vor allem aus Bequemlichkeit. Das Pixel ist ein faszinierendes Gerät, das Spaß macht und sowohl auf der Hardware- als auch Software-Seite einige Vorteile hat. Aber keinen, der die neueste iPhone-Generation wirklich aussticht. Noch. Der Google Assistant könnte im Laufe der kommenden Jahre ein solcher werden, aber noch fehlt das Ökosystem, in dem er seine Stärken voll ausspielen kann. Eine leicht bessere Kamera, ein leicht besseres Display und ein leicht handlicheres Äußeres rechtfertigen für mich noch keinen Umstieg und keine Umgewöhnung. Zumal Google den bisher größten Vorteil von Android-Geräten gegenüber iPhones aufgegeben hat: den deutlich niedrigeren Preis.

Ein Langzeit-Test des Google Pixel XL aus der Perspektive eines Android-Nutzers folgt im Laufe der kommenden Wochen.

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