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Fruchtbarkeits-Wearable Ava: „Auch die Männer müssen von Anfang an dabei sein“

von Domenika Ahlrichs
Einmal synchronisieren, der Hintergrund der Ava-App färbt sich pink und es ist soweit: Die fruchtbaren Tage des Zyklus haben begonnen. Mit dem Wearable Ava scheint die Erfüllung des Kinderwunsches plötzlich ganz nah. WIRED traf Mitgründerin Lea von Bidder zum Interview.

Das Wearable Ava wird als Armband nachts getragen und kann anhand neun unterschiedlicher Parameter messen, wann eine Frau ihre fruchtbare Phase hat. Dazu gehören der Puls, der Schlafrhythmus, die Temperatur und die Durchblutung. Paare mit Kinderwunsch holen sich damit technologische Hilfe ins Schlafzimmer. Bisher war Ava nur auf dem US-Markt aktiv, kommt aber Ende Januar auch nach Deutschland und sieht sich hier ganz anderen kulturellen Bedingungen ausgesetzt: Während Amerikanerinnen oft sehr offensiv mit ihrem Kinderwunsch umgehen, erzählen deutsche Frauen vielleicht nur ihrer besten Freundin oder Schwester davon.

Angesichts der verschiedenen zwar erprobten, aber teils unbequemen und aufwändigen Methoden, mit denen Frauen ihre Fruchtbarkeitsphase bestimmen können, wirkt das Armband wie eine kleine Revolution: Einfach zu handhaben, diskret zu nutzen. Frauen erfahren durch Auswertung ihrer eigenen Daten viel über ihren Körper, ohne dieses Wissen mit irgendjemandem teilen zu müssen. Natürlich könnten sie das jedoch. Und so wirft das Ava-Wearable Fragen darüber auf, wie gesellschaftlich mit den Themen Zyklus und Menstruation umgegangen werden soll und ob ein Mehr an Information nicht auch ein Mehr an Erwartungen oder Handlungsdruck hervorbringt. WIRED hat mit Ava-Mitgründerin Lea von Bidder darüber gesprochen.

WIRED: Fruchtbarkeitstracking ist keine neue Idee. In dem Bereich gibt es sicherlich viel Konkurrenz, oder?
Lea von Bidder: Es gibt im Fruchtbarkeitstracking drei Möglichkeiten, mit denen wir konkurrieren. Zunächst gibt es Urintests, die man etwa zehn Mal im Monat macht, die allerdings sehr unpraktisch sind – viele Frauen müssen dann schnell aus dem Meeting verschwinden, um auf der Toilette minutenlang auf das Ergebnis zu warten. Außerdem gibt es Apps wie Clue, in denen man den Zeitpunkt der Menstruation einträgt. Die dritte Möglichkeit ist die Temperaturmethode, bei der man jeden Morgen die Körpertemperatur in eine App oder ein Chart eintragen muss. In diesem Bereich gibt es durchaus Innovationen, wie Vaginalringe oder Oberarm-Patches. Generell erwarten wir in Deutschland jedoch keine größere Konkurrenz als in anderen Märkten auch.

Eine Frau im 21. Jahrhundert, die es gewohnt ist, in jedem Bereich von Technologie begleitet zu werden, kann auch beim Zyklustracking davon profitieren

Lea von Bidder

WIRED: Welche Vorteile bietet Ava Frauen?
von Bidder: Eine Frau im 21. Jahrhundert, die es gewohnt ist, in jedem Bereich von Technologie begleitet zu werden, kann auch beim Zyklustracking davon profitieren. Es gibt sicherlich auch Frauen, die lieber ohne diese Hilfsmittel schwanger werden möchten. Aber Frauen, die ihre Fruchtbarkeit tracken möchten, sollten die Möglichkeit erhalten, das mit zeitgemäßen Methoden zu tun.

WIRED: Ava sammelt jede Nacht eine riesige Menge an sensiblen Informationen. Wie stellen Sie den Datenschutz sicher?
von Bidder: Unsere Verschlüsselung ist die derzeit bestmögliche. Wir nutzen unsere Daten nur anonymisiert für Forschungszwecke, was wir auch transparent machen. Die Daten, die wir erheben, werden außerdem getrennt von den personalisierten Daten gespeichert. Wir nutzen sie nicht gemeinsam und werden das auch in Zukunft nicht tun. Der einzige Fall, in dem wir das machen, ist, wenn die Kundin dem Customer Service Probleme mitteilt. Dann fragen wir nach, ob wir einen Einblick erhalten dürfen.

WIRED: Dreht man das Fruchtbarkeitstracking um, würde sich ja anbieten, damit auch zu verhüten. Ist Ava schon soweit?
von Bidder: Hoffentlich in ein paar Jahren. Es haben so viele Frauen Probleme mit der Pille und suchen nach Alternativen. Unsere Algorithmen sind darauf getrimmt, den richtigen Zeitpunkt zu finden, wenn man schwanger werden will. Wir bräuchten andere Algorithmen, um beim Verhüten helfen zu können. Dahin soll es gehen. Aber wenn wir es machen, dann auch richtig, also mit Pearl Index und klinischen Studien dahinter.

WIRED: Sollen die Erkenntnisse, die Frauen durch Ava gewinnen, auch im Arbeitsleben eine Rolle spielen oder plädieren Sie eher dafür, dass man diese Daten im Privaten behält?
von Bidder: Wir arbeiten an einer offeneren Kommunikation über das Thema Menstruation. Der Zyklus gehört zum Körper und es sollte normal sein, das als Teil des Lebens zu akzeptieren. Auf der anderen Seite kann das Wissen darüber extrem verdreht und gegen Frauen verwendet werden. Das ist auch eine ethische Frage: Es ist gut, über seinen Zyklus Bescheid zu wissen, aber wir wollen auch nicht, dass das Umfeld das zum Anlass nimmt, Frauen weniger ernst zu nehmen.

WIRED: Insofern ist Ava nichts, was man offen am Arm herumtragen würde.
von Bidder: Genau. Das Problem ist, dass Hormone immer gegen Frauen verwendet werden. Dabei haben Männer natürlich auch welche – Testosteron ist ebenso für manche Verhaltensweisen verantwortlich. Vielleicht muss man aufhören, Hormone als Frauenthema zu sehen, sondern viel mehr als Thema für alle.

WIRED: Also könnten Sie Ava auch für Männer entwickeln? Testosteron als Beispiel hat doch sicherlich auch Auswirkungen auf die Körpertemperatur und den Puls. Das müsste sich doch tracken lassen.
von Bidder: Wir haben beim Thema Frauen noch so viel zu tun, wir könnten noch Jahre weiterforschen. Es ist für uns wichtiger, uns auf Frauen zu konzentrieren und das richtig zu machen.

WIRED: Trotzdem plädieren Sie dafür, auch Männer mit einzubeziehen.
von Bidder: Das Thema Fruchtbarkeit wird viel zu oft nur von Frauen diskutiert. Manche Frauen realisieren viel zu spät, dass ihr Zyklus unregelmäßig ist. Die sind dann 35, wollen noch drei Kinder bekommen und merken, dass sie einen Zyklus von 80 Tagen haben. Daran müssen wir arbeiten und darüber reden. Es gibt Frauen, die sich nicht trauen, ihrem Partner zu sagen, dass sie Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden. Dann ist es auch noch so, dass immer noch die Frauen stigmatisiert werden, obwohl die Probleme in der Hälfte der Fälle beim Mann liegen. Wenn wir erwarten, dass Männer ein Teil von dem ganzen Prozess werden und hinterher auch auf die Kinder aufpassen, dann müssen wir schon viel früher anfangen. Wir haben zum Beispiel auch Paare, die sich einen Account teilen. Ich finde das schön und richtig, es sollen doch beide ein Teil davon sein.

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