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Der WIRED-Gadget-Test zeigt: Schneider machen Leute

von Bernd Skischally
Mit ruhiger Hand lässt Sylvio-Alexander Kölbel die surrenden Klingen des Trimmers an dem Kamm entlanggleiten. Als zeichne er mit Stift und Lineal, trägt er Millimeter um Millimeter des grau melierten Vollbarts von Hendrik Bruch ab. Der 52-Jährige ist Stammkunde bei Kölbel, seit dieser Anfang 2015 in Berlin den Herrenfriseur Beardy Boys eröffnet hat. Kölbel ist ein Mann der alten Schule. Aufsätze? Braucht ein Barbier nicht. Der vertraut auf sein Augenmaß. Kölbel rasiert nicht – er modelliert.


Bruch vertraut Sylvio-Alexander Kölbel blind. Seine Augen hält Bruch meist geschlossen. Nur einmal schreckt er auf. Als Kölbel zum dritten Mal zwischen den fünf verschiedenen batteriebetriebenen Langhaarschneidern hin und her wechselt, die er im Auftrag von WIRED testen soll, erhebt er Einspruch. „Muss das sein? Ich will keinen Flickenteppich im Gesicht“, meckert er. Unbeirrt setzt Kölbel zum nächsten Zug an „Das Werkzeug ist zwar nicht egal“, sagt er. „Ein Profi muss aber selbst mit der stumpfesten Klinge einen sauberen Cut hinbekommen.“ Da macht Bruch die Augen wieder zu.

Der Testsieger: Panasonic ER16111 K 

„Ein Topgerät. Liegt leicht in der Hand und schneidet sehr sicher und ohne Zwicken. Kommt auch in vielen Friseursalons zum Einsatz.“
Gewicht: 265 g 
Trimmlänge: 0,8 bis 15 mm (3 Aufsätze)
Extras: Klingen made in Japan
180 €, panasonic.com

Männer wie er sind der Mensch gewordene Beweis für zweierlei. Auf der einen Seite: Wer Bärte ernst nimmt, lässt nur Profis an sich heran. Auf der anderen Seite ist so etwas wie gepflegte Normalität in den Umgang mit der Gesichtsbehaarung des Mannes eingekehrt. Die jahrelange Hysterie um Schnauzer und Vollbart hat sich abkühlt. 

Der Ehrgeizige: Philips Beardtrimmer 9000

„Die Idee mit dem Laser ist eine nette Spielerei, aber nicht mehr. Hat beim Test kurz gezwickt – Punktabzug dafür.
Gewicht: 175 g
Trimmlänge: 0,4 bis 7 mm  Extras: Ausfahrbare LED-Konturhilfe, zweiseitige Klinge 140 €, philips.de

Der Mann trägt nun Bart, wie es ihm gerade passt, niemand muss sich mehr für wechselnde Pelz- oder Flaumlaunen rechtfertigen. Das sorgt nicht nur in Berlin, sondern auch in Düsseldorf, München und Frankfurt für eine Renaissance der Barbiere. Und dafür, dass Menschen staunend vor Schaufenstern stehen bleiben, wenn ein Mann einem anderen eine dampfende Kompresse übers Gesicht legt – damit dessen Barthaar vor der Behandlung geschmeidig wird.

Wer bei den Berliner Beardy Boys durchs Fenster blickt, sieht zudem eine kleine Bar­anrichte mit Absinth-, Scotch- und Bourbonflaschen, die ganz selbstverständlich neben den bleischweren, alten Friseurstühlen steht. Und dazwischen: Sylvio-Alexander Kölbel, der Melone zu seiner blauen Barbierschürze trägt und seine Hemdsärmel gerne hochkrempelt, damit die auf den Armen tätowierten Race-Flaggen und Pokerkarten zum Vorschein kommen.

Der Wannabe: Grundig MC 8340

„Wirkt zunächst wie ein Profigerät. Hält das Versprechen in Sachen Schnittleis­tung und Verarbeitung nicht ganz.“ Gewicht: 200 g
Trimmlänge: 1,5 bis 20 mm (6 Aufsätze) Extras: Lange Akkulaufzeit (160 Minuten) 80 €, grundig.de

Kölbel, Jahrgang 1968, gebürtiger Chemnitzer, wollte nach der Schule eigentlich Steinmetz lernen, um später als Bildhauer arbeiten zu können. Als Sohn von regimekritischen Eltern blieb ihm in der DDR allerdings nur die unfreiwillige Wahl zwischen Maurer, Bäcker – und Friseur.

Anfangs belächelt für seine Entscheidung, profitiert Kölbel heute davon, dass er als einziger Junge seines Jahrgangs eine Ausbildung in einer sächsischen Produktionsgenossenschaft für Friseure absolviert hat. „Der Nachwuchs lernt meist nur noch an der Schere. Wir haben dagegen den Umgang mit Rasiermessern und elektrischen Maschinen von der Pike auf gelernt.“ Bei seiner Arbeit fühlt Kölbel sich oft wie ein Chirurg. „Du darfst keinen einzigen Fehler machen, sonst kann die ganze Operation schiefgehen.“

Der Robuste: Remington HC5880

„Robust verarbeitet, kann man getrost mal fallen lassen. Die Schnittleistung ist Mittelmaß. Rupft etwas.“  
Gewicht: 310 g 
Trimmlänge: 0,5 bis 25 mm (11 Aufsätze) 
Extras: Schlagfestes Gehäuse
80 €, remington-europe.com

Neben den Trimm-Profis haben auch Elektronikhersteller die neue Liebe zum Bart erkannt: Sie ent­wickeln immer neue Geräte zum Do-it-yourself-Trimmen. Dabei sollen verstärkt Zusatzfunktionen wie „smarte Bedienfelder“ oder „Lasertechnologie“ für Abgrenzung sorgen. Für den Barbier ist das meiste Ausdruck eines „sinnlosen Innovationszwangs“.

Auch DIY-Trimmer sollten sich beim Kauf eines Langhaarschneiders nicht vom Wesentlichen ablenken lassen – den Klingen. „Damit diese dauerhaft scharf und sicher schneiden, müssen sie sauber übereinanderlaufen“, sagt Kölbel. „Das funktioniert am besten, wenn Metall auf Metall trifft. Was da zum Teil angeboten wird, etwa Karbon- oder Keramikschneideköpfe, ist meis­tens Augenwischerei.“

Der Elegante: Moser Li+Pro2

„Solide bei etwas längerem Haar. Für feine Linien nicht so geeignet. Praktisch: hat drei Geschwindigkeitsstufen.“ 
Gewicht: 265 g
Trimmlänge: 0,7 bis 25 mm (6 Aufsätze)
Extras: LED-Display für Wartungsinfos
205 , moser-profiline.de

Bei ihm selbst kommen überwiegend kabelbetriebene Maschinen älterer Bauart zum Einsatz, weil deren Motoren leistungsstärker seien als die der neuen, batteriebetriebenen Modelle. „Das sind Teile, mit denen hat man früher selbst Hunde getrimmt. Damit kann jeder schnell und perfekt arbeiten“, sagt der Barbier.

Die für WIRED getesteten Akkumaschinen entsprechen nur zum Teil den Anforderungen, die Kölbel an sein Handwerkszeug stellt. Zwar haben alle Maschinen Stahlklingen, aber bei mehreren Langhaarschneidern hapert es seiner Meinung nach an der Feinjustierung. Das führt, ausgerechnet beim Modell mit dem spektakulär leuchtenden Laser, der für saubere Konturen sorgen soll, dazu, dass es Hendrik Bruch – für einen kurzen Augenblick – beinahe bereut, sich als Testkunde auf Kölbels Rasierstuhl niedergelassen zu haben.

Als Kölbel ansetzt, ihm die Härchen über der Oberlippe zu stutzen, schreckt Bruch auf – der Trimmer hat ihn gezwickt. Der Barbier runzelt die Stirn: „Das sollte nicht passieren. Ein gutes Gerät darf keine Haut miteinziehen.“ Zur Beruhigung schenkt er dem Gepeinigten ein Glas Whiskey ein. So viel Klischee darf sein im Herrensalon.

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