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Google verschenkt Computer an Flüchtlingsheime — und setzt ein unbeabsichtigtes Zeichen

von Max Biederbeck
Google will helfen, Flüchtende in Deutschland besser zu integrieren. Dazu tut sich das Unternehmen mit dem Arbeiter Samariter Bund (ASB), der Telekom und der NGO Nethope zusammen und spendet 25.000 Computer im Wert von fünf Millionen Dollar. Das passiert öffentlichkeitswirksam, aber egal ob PR-Motiv oder nicht: Der Konzern setzt das richtige Signal zur richtigen Zeit.

Achmed brauchte eine Woche zu Fuß und fünf Monate Asylheim, um in einem Zirkus zu landen. Der junge Iraker hockt mittendrin und um ihn herum wuselt es an allen Ecken und Enden. Der enge Computerraum im ASB-Flüchtlingsheim in Wilmersdorf Berlin quillt über mit Kamerateams, Journalisten und Presseleuten. Vorne posieren Wieland Holfelder von Google und Frank Schott von der NGO Nethope gerade für ein Foto. Sie haben einen verunsicherten jungen Flüchtling zwischen sich geklemmt. „Das passt schon alles so“, kommentiert Haias die Situation mit einem Grinsen, „aber normalerweise ist hier nicht so viel los.“

Google hat zum Event geladen und der Berliner Medienzirkus ist gekommen. Eine große Ankündigung wolle man machen, hieß es vorher. Die Schlagwörter „Google“, „Flüchtlinge“ und „Plan“, sie reichten aus, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ein Security-Mitarbeiter geleitet einen Reporter nach dem anderen durch die Eingangstür. Draußen rauchen einige Männer Shisha, auf der Treppe spielen Kinder. „Sway Sway“, ruft die Wache ihnen zu. „Nicht so schnell“.

„Google.org hat das oberste Ziel, Menschen und Projekte zu würdigen, die die größten Herausforderungen der Menschheit des 21 Jahrhunderts angehen“, sagt Holfelder. Google.org ist der Charity-Zweig des Mutterunternehmens Alphabet. Bereits im verganenen Jahr hat der Internet-Konzern Spenden gesammelt und selbst gespendet. Insgesamt zehn Millionen Dollar gingen an Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen. Jetzt soll die Hilfe weiter ausgebaut werden — dieser Plan scheint hoch willkommen.

Google will mehr als fünf Millionen Dollar spenden, um 25.000 Chromebooks für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.

Bundesminister Peter Altmaier lässt ein Grußwort ausrichten, Aydan Özoğuz, die Beauftrage der Bundesregierung für Migration, schreibt, die Kooperation sei ein „herausragendes Beispiel“. Und auch der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann ist gekommen. Er sagt Sätze wie „IT spielt zum ersten Mal in der Geschichte eine zentrale Rolle“ und „Der Staat alleine schafft das nicht, wir brauchen die Hilfe der Unternehmen“.

Google will mehr als fünf Millionen Dollar spenden, um 25.000 Chromebooks für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung zu stellen. Organisationen wie der ASB sollen einfacher Internet anbieten, Flüchtende Menschen sich besser vernetzen und integrieren können. Mit allen Mitteln des Internets: Übersetzung, Kommunikation, Bildung. Bewerben kann sich prinzipiell jede NGO bei diesem „Project Reconnect“, die Mitarbeiter von Nethope werden in den nächsten Wochen auswählen, wer die Computer bekommt.

„Wir haben es nicht beabsichtigt, aber ehrlich gesagt, der Zeitpunkt ist der passende“, sagt ein Sprecher von Google nach der Veranstaltung. Draußen klettern die Umfragewerte der AfD auf zehn Prozent, die europäische Presse schreibt Angela Merkels Scheitern an der Flüchtlingsfrage herbei und die CSU fordert, die Grenzen zu schließen. Während all dem kommt Googles Zeichen gerade richtig, auch wenn der Konzern abstreitet, eine Seite in der Debatte einzunehmen. Sich mit der Frage nach einer langfristigen Integration zu beschäftigen, und sie so öffentlichkeitswirksam zu verkaufen, das ist heutzutage schon eine Seite — und das Gegenteil von kurzsichtiger Angstpolitik.

„Wir haben mit der politischen Entscheidung, wie es mit der Flüchtlingskrise weitergeht nichts zu tun. Tatsache ist, wir haben über eine Million geflüchtete Menschen, die integriert werden müssen“, sagt Wieland Holfelder. „Die Probleme werden nicht weggehen, selbst wenn heute entschieden würde, es kommt kein einziger Flüchtling mehr ins Land.“

Achmed hat das mit dem Stimmungswechsel in Deutschland nur am Rande mitbekommen. Und nach wie vor ist er eher belustigt von dem Andrang in dem kleinen Raum, in dem Google seine ersten Rechner (und ihre User) zur Schau stellen will. Aber er ist überzeugt, das mit den Computern sei eine gute Sache. „Ich persönlich kenne mich gut genug aus, ich bräuchte dieses Internetcafé nicht, aber für viele andere hier ist es wirklich sinnvoll“, sagt er. Ja, er finde den Auflauf an plötzlichen Besuchern albern, und auch, dass sich die Unternehmen und Politiker mit ihrem Aktivismus so in Szene setzten. „Aber weißt du, ich bin für jeden Menschen, der mir hilft wahnsinnig dankbar, daran werde ich mich für immer erinnern“, sagt der studierte Agrar-Ingenieur in fließendem Englisch. 

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