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Entdecker, Fotograf und Urban Explorer: Ralph Mirebs im Interview

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Der Fotograf Ralph Mirebs liebt das Ablichten verlassener Orte. Nachdem er in einem Geschichtsbuch gelesen hatte, dass sich in einem Hangar des Kosmodroms Baikonur in Kasachstan alte sowjetische Raumgleiter befinden sollen, witterte er eine große Story. Was er dann erlebte und warum er vor einigen Jahren in einem Kleiderschrank hauste, erzählt er im Interview mit WIRED.

Während des Kalten Krieges lieferten sich die Sowjetunion und die USA einen Wettstreit um die Vorherrschaft im All. Das Buran-Raumfahrtprogramm sollte die Antwort der UdSSR auf das Space Shuttle der NASA sein. Doch wegen Budgetproblemen startete nur ein einziges Mal ein Buran-Orbiter vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan in den Weltraum: 1988 hob Buran 1.01 mithilfe der Trägerrakete Energija zu einem unbemannten Flug ab. 

1993 wurde Buran offiziell eingestellt. 2002 kam es zum Einsturz eines Hallendachs in der Montagehalle des Kosmodroms. Infolge des Unglücks mussten nicht nur acht Menschen ihr Leben lassen, auch einer der Buran-Gleiter wurde verschrottet.

Die Vergangenheit des sowjetischen Raumfahrtprogramms sind heute im Kosmodrom Baikonur, das mit 6700 Quadratkilometern etwa zweieinhalb Mal so groß ist wie das Saarland, immer noch zu sehen. Der Weltraumbahnhof ist ein riesiger Friedhof für Raumfähren — und dank des russischen Fotografen Ralph Mirebs weiß man nun, wie es dort aussieht. Ende Juni dieses Jahres hat Mirebs diese Bilder im Netz veröffentlicht

WIRED: Erzähl doch mal von deiner Reise zum Hangar und deiner Entdeckung, den beiden Buran-Orbitern. 
Ralph Mirebs: Die Reise war komplett illegal, ich ging an zwei Nächten in die Wüste und stieß schließlich auf diesen Hangar. Als ich ihn bei Tageslicht betrat, fühlte ich mich wie Indiana Jones. Es war, als hätte ich das Grab eines vergessenen Gottes entdeckt. Früher, da war er groß und glanzvoll, aber dann ist er völlig vergessen worden und stirbt jetzt langsam und einsam. 
 
WIRED: Hat der Fund deine Karriere positiv beeinflusst?
Mirebs: Nur als Urban Explorer. Ein ausländischer Verlag hat mir angeboten, ein Buch mit meinen Fotografien zu publizieren.

Ich fühlte mich wie Indiana Jones.

WIRED: Aber wie kommt man überhaupt auf Baikonur?
Mirebs: Über die Geschichte des sowjetischen Raumfahrtprogramms wurde ja viel geschrieben. Ich wusste aus Büchern, dass sich Shuttles in dem Hangar befinden sollen. Aber ich wusste nicht, in welchem Zustand sie sind und nichts über das Equipment des Hangars. Es war eine freudige Überraschung.

WIRED: Hat die russische Regierung auf deine Fotos reagiert?
Mirebs: Nein, da kam absolut keine Reaktion. Auch kein größeres russisches Medium hat sich mit meiner Arbeit befasst. Offenbar ist das Interesse an dem sowjetischen Raumfahrtprogramm in Übersee viel größer als in Russland. Allerdings haben russische Blogger einen Brief an die Federal Space Agency geschrieben. Die hat ihnen dann mitgeteilt, dass die Shuttles jetzt das Eigentum der Republik von Kasachstan sind, diese sei nun für die Beantwortung aller Fragen zuständig. 

WIRED: Wie bist du eigentlich Fotograf geworden?
Mirebs: Ich arbeitete für einige Zeit im Unternehmen des Vaters eines Freundes. Die Firma war mit der Konstruktion der Metro beauftragt. Ich erfuhr von den Angestellten, dass es in der Stadt unvollendete Tunnels und Stationen gibt. Also ging ich hin, um sie mir anzusehen. So begann meine Faszination für verlassene Orte. Hauptberuflich bin ich allerdings Hochschullehrer für Computerwissenschaften, die Fotografie ist nur ein Hobby.

 

WIRED: Das du aber mit viel Leidenschaft ausübst. Auf deinem Facebook-Profil hast du einmal ein Foto veröffentlicht, das dich in einem Schrank arbeitend zeigt...
Mirebs: Um ehrlich zu sein, ich habe Facebook seit Jahren nicht aktualisiert. Ich lese alle privaten Nachrichten, veröffentliche aber keine neuen Sachen. In dem Schrank habe ich nicht gearbeitet, aber eine Zeit lang gelebt. Ich habe einen kleinen Raum mit einem Freund geteilt, und es gab nicht genug Platz für zwei Betten. Also entschloss ich mich, wie der Held eines Anime, im Schrank zu leben. Ich konnte darin schlafen und Filme auf meinem Notebook ansehen.

WIRED: Es gibt ja Verschwörungstheorien, laut denen die Amerikaner die erste bemannte Mondlandung vorgetäuscht haben. Glaubst du, dass da etwas Wahres dran ist?
Mirebs: Ich habe von dieser Version gehört, aber ich glaube nicht daran. Nein, vielmehr möchte ich es auch gar nicht glauben. Da bleibe ich lieber bei der romantischen Apollo-11-Version.


 WIRED: Ich habe auf deinem Twitter-Account gelesen, dass Du im August in Japan unterwegs warst. Gibt es typische kulturell basierte Unterschiede zwischen der Arbeitsphilosophie in Japan und Russland?
Mirebs: Ich habe einige Jahre in Japan gelebt und kann sagen, dass zahlreiche Unterschiede existieren. So viele, dass man damit ein Buch füllen könnte. Kurz gesagt: Der größte Unterschied ist, dass es in Japan nicht so sehr zählt, wie du arbeitest, sondern woher deine Arbeit kommt.

WIRED: Womit befasst du dich noch, wenn du nicht gerade fotografierst oder arbeitest? 
Mirebs: Während des gesamten Sommers arbeite ich nicht, sondern reise für gewöhnlich. In den übrigen Monaten reise ich weniger oft und widme mich neben der Arbeit dem Lesen von Büchern, Radfahren und anderen Hobbys wie dem Programmieren von Robotern.

 

Поскольку все уже знают, думаю, можно показать. Знакомьтесь - орбитальный космический корабль. В таком ракурсе чёрный нос чем-то напоминает щенячий)

Ein von Urbex is my sin / 廃墟 + 私の生活 (@ralphmirebs) gepostetes Foto am 8. Mai 2015 um 8:16 Uhr


 
WIRED: Hast du einen Ratschlag für jemanden, der Fotograf werden will? Oder denkst du, dass dieser Beruf in Zeiten von Instagram ohnehin ausstirbt?
Mirebs: Ehrlich gesagt, meine Fotos von abgelegenen Orten werfen nicht viel Geld ab. Aber das ist auch nicht so wichtig. Etwas Neues zu lernen, ungewöhnliche Plätze zu besuchen, Geschichte neu zu erleben — das ist es, was für mich zählt, nicht die Bilder. Dank Instagram und anderen sozialen Medien können Anfänger heute aber durchaus schneller berühmt werden. 

Auf seinem Instagram-Account präsentiert Ralph Mirebs sein fotografisches Talent und zeigt hier nicht nur verlassene Orte, sondern auch gerne mal seine Katze. 

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