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Geräte-Innereien: Der Fotograf Sylvain erforscht ausgediente Elektrotechnik von innen

von Oliver Klatt
Eng geflochtene Kabelstränge liegen dicht an dicht, elegant geschwungene Leitbahnen verbinden dickbäuchige Transistoren mit bunt gestreiften Widerständen. Die Fotos des Flickr-Users „mashpriborintorg“  zeigen das Innenleben von elektronischen Gerätschaften, die schon lange ausgedient haben. Von ausgemusterten Herzschrittmachern über Fernsehkameras bis hin zu russischen Funkgeräten und Raketen.

Warme Grün- und Brauntöne überwiegen in den Bildern, hin und wieder setzen türkis oder orangefarben leuchtende Elektrobauteile Akzente. Alles wirkt formschön abgerundet, beinahe so, als wären diese Muster aus Metall und Kunststoff organisch gewachsen — und nicht von Menschenhand auf größtmögliche Effizienz hin angeordnet worden.

Seine Obsession mit alter sowjetischer Hardware begann vor 20 Jahren.

„Schon als Kind habe ich gern Geräte auseinandergenommen“, sagt „mashipriborintorg“, der im Norden von Frankreich lebt, mit richtigem Vornamen Sylvain heißt und ansonsten lieber anonym bleiben möchte. „Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass einige Dinge einfach zu schön sind, um sie wegzuwerfen. Also bin ich zum Sammler geworden.“ Seine Obsession mit ausgemusterter Hardware aus der ehemaligen Sowjetunion begann vor zwanzig Jahren. Damals kaufte er auf einem Flohmarkt zum Schnäppchenpreis einige Cockpitbauteile eines russischen Hubschraubers. „Ich bin heute noch traurig, dass ich dem Händler nicht alles abgekauft habe“, sagt Sylvain.

Mittlerweile umfasst seine Sammlung mehr als 700 Elektrogeräte sowjetischer Herkunft. Komponenten aus Flugzeugen sind darunter, aber auch Alltagsgegenstände wie Fotoapparate und Taschenrechner. Außerdem besitzt Sylvain 200 Mobiltelefone und 100 Herzschrittmacher aus den Anfangstagen der Technologie. Seine ergiebigste Quelle ist Ebay. „Manchmal finde ich aber auch Schätze in Mülltonnen oder im Gerümpel, das Leute am Straßenrand abladen“, sagt er. „Gewöhnliche Gebrauchselektronik langweilt mich aber total.“ Heutzutage gilt sein Interesse Gerätschaften, an die man normalerweise nur schwer herankommt: Laborausrüstung zum Beispiel, oder die obsolet gewordene Technik alter Aufnahmestudios.

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Mich faszinieren die Ordnung und die Komplexität, die sich zeigt, wenn man in eine Maschine hineinschaut.

Sylvain alias „mashipriborintorg“

„Mich faszinieren die Ordnung und die Komplexität, die sich zeigt, wenn man in diese Maschinen hineinschaut“, sagt Sylvain. „Ein Gerät kann 30 oder 40 Jahre alt sein, aber wenn man es zum ersten Mal aufschraubt, sieht es im Inneren immer noch aus, als kämen es frisch aus der Fabrik.“ Er sei tief davon beeindruckt, so Sylvain, dass alle Einzelteile von Ingenieuren an einem Ort entwickelt und anschließend in Handarbeit an einem ganz anderen Ort zu einem funktionierenden Ganzen zusammengesetzt wurden. Das Wichtigste sei für ihn aber das schlichte Vergnügen an der Farben- und Formenvielfalt der Geräteinnereien. „Mir geht es um Schönheit“, sagt Sylvain. „Und darum, diese mit der Welt zu teilen.“

Damit scheint er einen Nerv getroffen zu haben. Mehr als 900.000 Zugriffe hat sein Fotoalbum auf Flickr bisher zu verzeichnen. Immer wieder fügt Sylvain Aufnahmen seiner neuesten Fundstücke hinzu. Zu seinen persönlichen Favoriten gehören die hochkomplexen Mechanismen im Herzen einer Luxuskarosserie (siehe oben) und das Bauteil einer russischen Rakete, das bei ihm zu Hause im Wohnzimmer steht. Wem die stille Schönheit seiner Bilder nicht genügt, kann Sylvain auf seinen YouTube-Kanal dabei zusehen, wie er antike Festplatten und Faxgeräte auseinandernimmt. Und er ist nicht allein: Rund um das genussvolle Öffnen von alter Hardware hat sich längst eine Szene gebildet. In Teardown-Videos und Tutorials rufen Yotuber wie Mikeselectricstuff oder Tesla500 dazu auf, hinter die Fassaden der grauen Kisten zu blicken, die in unserem Alltag unauffällig vor sich hin summen. 

 

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