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Fashiontech Berlin: Is Tech The New Black?

von Anja Rützel
Werden wir bald alle leuchten? Ist technisierte Mode auf dem Weg zum Mainstream oder doch noch blinkende Kuriositätenshow? Ein Panel auf der Fashiontech-Konferenz in Berlin lieferte gestern jedenfalls einen wichtigen Hinweis: Hütet euch vor zu schlauen Jacken!

„Wenn Sie irgendwo Leute sehen, die ihren Schal in die Steckdose stecken — keine Angst, das ist nur die Zukunft“, sagt Lisa Lang: „Willkommen!“. Gerade hat sie die erste Kollektion ihres Fashiontech-Labels ElektroCouture auf der Designershop-Plattform von asos.com gelauncht, und beleuchtbare Schals gehören zu ihrem Sortiment: Auf einem prangt die feinstdetailliert gestrickte Berliner Skyline, einen anderen ziert ein abstraktes Muster, das sich beim Betrachten von sehr, sehr weit weg als extreme Ausschnittsvergrößerung aus einem digitalisierten Foto vom Auge der ersten weiblichen Programmiererin Ada Lovelace entpuppt. Das klingt kompliziert, ist aber absolut tragbar — bislang eher noch die Ausnahme im Fashiontech-Sektor. „Alltagstauglich“ nennt man sowas beruhigend, was in diesem Fall ausnahmsweise nicht „fad“ bedeutet, sondern einen wichtigen Schritt in Richtung Normalität.

Beim Panel „Technology as a fashion statement: Style vs. Sensors“ der Berliner Fashiontech-Konferenz, einem kleinen, ausgewiesenen Nerd-Bereich im größtenteils dann doch entschieden untechnisierten Fashion-Week-Gebausche, erklärt Lisa Lang ihre Design-Philosophie: „Come to me, I can make you glow“ ist zwar ihr Motto — keineswegs aber wolle sie in ihren eigenen Kreationen aussehen „wie ein Zirkuspony“. Weswegen ihre Kollektion bei allem Bling und Blong immer auch die Klassiker zitiert, eine Halskette mit leuchtenden blauen LEDs etwa nach Art-Deco-Prinzipien designt wurde: Wie „Mathe in sexy“, alles sehr symmetrisch, beruhigt das Gehirn, sagt Lisa Lang.

Natürlich gibt es in ihrer Kollektion auch ein Showpiece, ein wolkiges Tüllmonster mit Leuchtmieder, das demnächst auch einen Gastauftritt in der Berliner Oper haben wird. Tatsächlich aber ist Fashiontech längst über diese Bestaunungsphase hinweg: Es geht nicht mehr um avangardistische Leistungschau, sondern darum, zwei starke Industrien tatsächlich zu verschmelzen. „Meine Schneiderin musste löten lernen, und mein Tech-Guy musste sich mit der Haptik und den physikalischen Eigenschaften von Stoff beschäftigen“, sagt Lang. Und außerdem: So hübsch ein Kleid auch sein mag, das den Nachthimmel mit vielen kleinen Blinklichtlein simuliert — am Ende muss die Trägerin damit auch irgendwie aufs Klo gehen können. Da bleibe für die Zukunft vor allem die Aufgabe, kluge, nachhaltige Energiequellen zu finden, um die Techmode zu betreiben.

Mit Martina Pickhardt, „Lead Architect“ bei Microsoft, diskutiert Lang schließlich über eine verschrullt klingende, aber grundsätzliche Frage: Wie schlau darf eine Jacke sein? All die fitnesstrackenden und lifecoachenden Techbänder, die die Menschen gerade um ihre Handgelenke tragen können, hätten nämlich ein deutliches Ablaufdatum, sagt Pickhardt, in einigen Jahren würden sie durch smarte Kleidung abgelöst: „Wird das Connected Jacket das nächste Fashion-Statement?“, fragt sie.

Ich sage meiner Kleidung, was sie tun soll — und nicht umgekehrt.

Lisa Lang

Lang warnt davor, alle technischen Möglichkeiten auch wirklich umzusetzen — schließlich sei die Mode, die persönliche Kleidung in Zeiten fast allumfänglichen Kontrollverlustes eines der letzten sicheren Refugien des Menschen: „Digitally, you’re naked.“ Auch wenn es natürlich machbar sei, statt Licht auch Daten durch die Kleidernähte zu jagen: Vielleicht sollte man seine Jacke nicht unbedingt damit betrauen, einem den Blutdruck zu messen oder andere Gesundheitsdaten zu speichern. Wie wäre es nämlich, fragt Lang, wenn ein Diabetiker in den Supermarkt ginge und sich entgegen der ärztlichen Anweisung an Chipsregal und Süßigkeiten verlustierte — und seine übersmarte Jacke mit Geotagging-Funktion und Biodatenmesser würde das sogleich an seine Krankenkasse weiterpetzen?

Mode soll uns schützen, uns helfen, unsere Geschichte zu erzählen. Eines müsse immer klar sein, sagt Lisa Lang: „Ich sage meiner Kleidung, was sie tun soll — und nicht umgekehrt.“ 

Wired Germany ist Medienpartner der #FASHIONTECH BERLIN. Das Panel mit Lisa Lang und Martina Pickhardt wurde von Wired Chefredakteur Nikolaus Röttger moderiert. 

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