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Interaktive Bücher wie „Alice“ machen Literatur anders erlebbar

von Max Biederbeck
Mit Kunst im Stil der Renaissance und einer alten Kindergeschichte ist die App Alice zum Überraschungserfolg geworden. Das interaktive Buch ist ein Verkaufs-Hit im AppStore – und nicht das einzige seiner Art.

Emmanuel Paletz hat ein Buch geschrieben, obwohl er nicht richtig lesen kann. Das funktionierte, weil die Wörter „geschrieben“ und „Buch“ vielleicht gar nicht so wirklich passen. Eigentlich hat der New Yorker Designer seine Adaption von „Alice im Wunderland“ eher produziert. Aus einer bekannten Kindergeschichte machte er ein Mashup an der Grenze zwischen Kunst, Literatur und interaktivem Spiel. Die Cricket-Partie zwischen der Herzkönigin und Alice wurde zum Minispiel, die grinsende Katze verschwindet per Wisch mit dem Finger und ein Erzähler lässt sich nach Belieben zu- und wieder wegschalten. „Ich war schon immer fasziniert von Gemälden aus der Renaissance, gleichzeitig komme ich aus der Werbebranche, also aus einem interaktiven Umfeld“, erklärt Paletz. Lewis Carrolls „Alice“ ist für ihn „eines der wichtigsten Werke der westlichen Kultur“. Und weil er selbst an Dyslexie leidet, also eben nicht richtig lesen kann, wollte Paletz aus der alten Geschichte ein multimediales Erlebnis machen, ein „eigenes Wunderland“ wie er sagt.

Mit Erfolg, denn seine App Alice ist in den amerikanischen App-Stores seit Anfang September zum Verkaufserfolg geworden. Erst featurte Apple sein interaktives Buch in den Top 10 der Unterhaltungs-Apps für Kinder, dann schnellten die die Downloads auf mehr als 10.000, mit Einnahmen von bis zu 70.000 Dollar pro Woche. Die Zahlen zeigen: Die Idee, Literatur für Tablets mit Effekten aufzupeppen, kommt an. Leser werden zu Usern.

Mit einem interaktiven Buch Erfolg zu haben, ist keine Zauberei.

Emmanuel Paletz

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an interaktiven Angeboten. Comics, bei denen sich die Bilder bewegen und verschieben lassen, Kindergeschichten zum Mitspielen. Auch auf dem Markt für Erwachsene tauchen immer mehr crossmediale Produkte auf, wie die gerade laufende Frankfurter Buchmesse zeigt. Google etwa hat in dieser Woche in Zusammenarbeit mit Autor James Frey einen eigenen Next-Gen-Roman veröffentlicht. In „Endgame“ wird der Leser durch interaktive Zusatzelemente und Augmented Reality in eine echte Schnitzeljagd verwickelt, bei der Google dem Gewinner am Schluss sogar 500.000 Dollar verspricht.  „Ich denke, dass Bücher und Computerspiele zusammengehören. Sie helfen sich gegenseitig, Leseerfahrungen in die echte Welt zu übersetzen“, sagt James Frey selbst mit Blick auf sein Werk. Solche Ausmaße wird Alice nicht annehmen, dennoch sagt Paletz: „Mit einem interaktiven Buch Erfolg zu haben, ist keine Zauberei.“

2008 begann er mit der Arbeit am Projekt. Einen Investor wie Google gab es nie. Für Alice tat er sich mit Künstlern aus den Niederlanden und zwei Programmierern zusammen, die sich mit Software wie After Effects auskannten. Die Text-Vorlage von Lewis Carroll brauchte er nur anzupassen und zu übernehmen. „Ich denke, dass vor allem Eltern meine App kaufen. Sie bringen ihren Kindern eine großartige Geschichte näher und können gleichzeitig spielerisch die Kunst der Renaissance vermitteln“, ist er sicher.

Sein Buch muss auf dem iPad horizontal gelesen werden und zeigt auf dem Bildschirm immer zwei Seiten. Im Artwork verstecken sich Videos, Sound-Effekte, verschiebbare Elemente oder Spiele. Nur durch Wischen und Tippen lassen sie sich erforschen. Aus einem Bild wird so auf einmal eine kleine Sequenz, Alice schrumpft oder wächst, oder hinter einem Vorhang zeigt sich ein neuer Teil des Wunderlands. Kinder, so zumindest die Hoffnung von Paletz, könnten sein Alice wegen solchen Elementen dem Fernseh-Cartoon vorziehen. „Jeder der Effekte und jedes Kunstbild hat eine inhaltliche Bedeutung und ist mit der Geschichte verwoben“, sagt der Designer. Momentan arbeitet er an einer Version für das neue iPhone für Anfang November. Danach möchte er sein Werk auch nach Europa bringen und mit Übersetzungen, auch ins Deutsche, anfangen. 

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