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Dieser Drucker könnte euer Handy hacken

von Cindy Michel
Smartphones anzapfen, Textnachrichten abfangen, das ist heute keine Kunst mehr. Julian Oliver macht es aber dazu. Sein neues Projekt „Stealth Cell Tower“ zeigt, wie einfach eine Abhörstation als Drucker getarnt werden kann.

Auffallen würde der alte Hewlett Packard erst mal niemandem. Das klotzig-graue Gerät stünde irgendwo in einer Ecke des Büros, unbeachtet und unbedacht. Ein Drucker eben. Erst wenn merkwürdige Anrufe auf den Smartphones der Kollegen eingehen würden, die bei Annahme „I Just Called To Say I Love You“ spielen oder der Hewlett Packard Textnachrichten ausdrucken würde, die man eigentlich privat versendet hatte, würde klar: Mit diesem Gerät stimmt etwas nicht.

Tarnen und Täuschen, getreu diesem Motto hat der Hacker-Künstler Julian Oliver sein neues Projekt Stealth Cell Tower („heimlicher Mobilfunkmast“) realisiert. Was wie typisch unauffälliges Büroinventar aussieht, kann viel mehr als nur drucken. Das Gerät, getarnt als Drucker, ist eigentlich eine sogenannte Rogue-GSM-Basisstation. Diese funktioniert wie ein Mini-Mobilfunkmast, sie täuscht Smartphones, damit sie sich bei ihr und nicht beim eigentlichen Anbieter einloggen.

Weil der kastenförmige Spion inmitten von Smartphones sitzt und somit viel näher als jeder Handymast vor dem Fenster, stehen die Chancen gut für das Täuschungsmanöver. Sobald sich also ein Telefon mit dem Drucker verbindet, kann dieser Gespräche belauschen und aufzeichnen, Nachrichten abfangen und sogar gefälschte SMS versenden.

Doch Olivers Stealth Cell Tower spioniert Smartphone-Nutzer nicht aus. Vielmehr sorgt er für Verwirrung. So beginnt das Gerät etwa unter nicht identifizierter Nummer SMS-Konversationen und textet Nachrichten wie „Komm einfach vorbei, wenn du fertig bist“ oder „Alles gut, ich bin in der Ecke, komm doch einfach vorbei, wenn du soweit bist“. Sollte der Smartphone-Besitzer darauf antworten, druckt der Hewlett Packard seine Worte einfach auf Papier aus. Doch nicht nur textlich sorgt das Projekt für Verwirrung, sondern auch auf hörbarer Ebene.

Denn Julian Oliver hat den Stealth Cell Tower so programmiert, dass er eingeloggten Nummern nicht nur schreibt, sondern sie auch anruft. Wer rangeht hört Stevie Wonder schmachten „I Just Called To Say I Love You.“ Nach fünf Minuten trennt der Drucker die Verbindung automatisch und das Smartphone loggt sich wieder in das Mobilfunknetz seines regulären Anbieters ein.

Mit dem Projekt will der Elektronik-Künstler nicht etwa Büroangestellte nerven, sondern vor allem auf die offensichtlichen Datenschutzmängel bei Mobilfunkverbindungen hinweisen. Sein Stealth Cell Tower unterscheidet sich kaum von IMSI-Catchern, auch Stingrays genannt. Das sind Geräte, die die Funktionsweise von Mobilfunkmasten imitieren. Diese setzen vor allem Polizei und Behörden ein. „Das GSM ist so kaputt und die Telefone so verzweifelt, dass sie sich überall einloggen würden“, sagte Oliver gegenüber WIRED US. „Mein Projekt soll GSM bloßstellen. Wir müssen anfangen unsere Sachen Ende zu Ende zu verschlüsseln.“

Um den Stealth Cell Tower zu bauen, brauchte der Künstler nicht viel: einen Raspberry Pi Minicomputer, ein BladeRF Software Defined Radio (SDR), zwei GSM-Antennen und einen Hewlett Packard Laserjet 1320. Den Code für den Tower veröffentlichte Oliver auf seiner Website.

Landschaftliche Täuschungsmanöver in den USA und Teilen Europas inspirierten den Hacker Julian Oliver: Sie sehen aus wie ganz normale Bäume, Fahnenstangen oder Lichtmasten, in Wirklichkeit verbergen sich hinter den Attrappen getarnte Telefonmasten. „Ich habe mich schon eine ganze Weile für diese merkwürdige Designpraxis interessiert, Telefonmasten als Bäume oder ähnliches zu verkleiden“, berichtet Oliver. „Also habe ich mich dazu entschieden selbst einen in Form eines Druckers zu bauen. Denn die sind allgegenwärtig in der Flora geschlossener Räume.“

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