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Diese VR-Ausstellung zeigt euch, wie es ist, ein Baum zu sein

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Bäume sind Lebewesen! Ziemlich komplexe sogar. Diese oft vergessene Tatsache verdeutlichen britische Künstler nun mit einer psychedelischen VR-Ausstellung in London.

Virtual-Reality-Brillen wie Oculus Rift, HTC Vive und PlayStation VR sind aktuell der Gipfel der Unterhaltungselektronik. Skeptiker wie der US-Spieleentwickler Warren Spector (System Shock, Deus Ex), warnen allerdings, dass die VR-Technologie die Nutzer von ihrer Außenwelt isoliert, mehr noch: sie von der realen Welt abschottet.

Ausgerechnet diese Technik nutzt das britische Kreativstudio Marshmallow Laser Feast nun, um Menschen wieder stärker für ihre Umwelt zu sensibilisieren. Mithilfe interaktiver VR-Erfahrungen wollen die Künstler die Welt aus ungewöhnlichen Perspektiven zeigen und die Wahrnehmung des Menschen für seine natürliche Umgebung schärfen.

Im vergangenen Jahr präsentierte das Studio sein Projekt In the Eyes of the Animal: Mit Virtual-Reality-Helmen, die mitten in einem nordenglischen Waldgebiet installiert waren, konnten Besucher den Wald durch die Augen unterschiedlicher Tiere erleben.

Jetzt treiben die Künstler diesen Ansatz noch einen Schritt weiter. Unter dem Titel Treehugger laden sie Menschen dazu ein, den komplexen Organismus eines Baumes hautnah zu erleben.

Anders als ihr Vorgänger findet die aktuelle Ausstellung aber nicht unter freiem Himmel, sondern im London Southbank Centre statt. Dort erwartet Besucher laut Fast Company zunächst nur ein kleines Studio, in dessen Mitte eine stoffbedeckte Säule steht. Setzen die Besucher ihr HTC-Vive-Headset auf, verwandelt sich diese dank VR-Technik jedoch in einen 3500 Jahre alten Sequoia-Mammutbaum in voller Blüte.

Das riesige Gewächs wird nicht fotorealistisch dargestellt, sondern stark stilisiert. Leuchtende Linien und Punkte umgeben den Baum, um sein Ökosystem zu visualisieren, das sonst für das menschliche Auge unsichtbar wäre. Ein virtueller Gewitterschauer zeigt etwa, wie die riesige Pflanze das Wasser durch ihre Wurzeln aufsaugt und über den Stamm nach oben transportiert.

Dank der physisch vorhandenen Säule, auf die der Baum projiziert wird, entsteht für die Besucher die Illusion, den Sequoia anfassen zu können. Wer den Baum umarmt, wird virtuell in sein Inneres gesogen und gemeinsam mit dem Regenwasser zur Baumkrone emporgetragen. Dort angekommen, entlässt die Pflanze ihre VR-Besucher in Form von Wassermolekülen in die Luft. Durch Handbewegungen kann man mit der virtuellen Umgebung interagieren und etwa Wassertropfen aufwirbeln. Ein spezieller Anzug mit Vibrationsmotoren simuliert die Vitalsignale des Baums. „Wir haben gehört, dass die Erfahrung der Einnahme halluzinogener Pilze gleicht“, sagt Creative Director Ersinhan Ersin.

Für die Umsetzung in Zusammenarbeit mit dem Londoner Natural History Museum und der University of Salford kamen unter anderem LiDAR-Messtechnik und CT-Scans zum Einsatz. Bis zu vier Personen können gleichzeitig an der VR-Erfahrung teilnehmen. Der physischen Säule im Raum kommt dabei noch eine zweite entscheidende Rolle zu: Sie verhindert Ersin zufolge, dass den Besuchern schwindelig wird, wenn die Krone des über 100 Meter hohen Baums erklimmen.

Die Künstler möchten Besucher über ihr Projekt dazu bewegen, sich stärker für den Naturschutz einzusetzen. „Viele Menschen betrachten Bäume nicht als Lebewesen, weil sie sich langsamer bewegen und langsamer wachsen als wir“, sagt Ersin. „Wir möchten erreichen, dass sie Bäume als Kreaturen wahrnehmen, die ebenso lebendig sind wie wir“. Um das zu erreichen, plant das Team eine ganze Reihe von Treehugger-Erfahrungen für unterschiedliche Baumarten.

Die Ausstellung, die ihre Premiere am 12. Oktober 2016 auf dem niederländischen Cinekid Festival feierte, ist noch bis zum 28. Dezember im London Southbank Centre zu sehen. Für 2017 sind im März und im April weitere Termine in Eindhoven und in Wales geplant.

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