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Diese Baum-Häuser zeigen, wie grün wir in Zukunft wohnen könnten

von Juliane Görsch
Was tun gegen urbane Luftverschmutzung und den Klimawandel? Eine Reihe von Architekten sehen die Lösung in einer grünen und nachhaltigen Bauweise. WIRED stellt sechs Projekte vor, deren zentrales Element lebende Bäume und Pflanzen sind.

Wer nach der Zukunft des Wohnens sucht, sollte in den Wald gehen. Zumindest legen das diverse Architektur-Projekte nahe, die Pflanzen und Bäume in den Mittelpunkt ihres Designs rücken. Architekten wie Stefano Boeri, Ferdinand Ludwig oder Luciano Pia stehen für grüne und nachhaltige Baukunst. Sie erschaffen vertikale Wälder, lassen Bäume zu Gebäudestrukturen verwachsen und verwandeln Dachterrassen in Äcker.

Wir stellen sechs schon existierende und geplante Architektur-Projekte vor, die Natur und Bauen nachhaltig miteinander verschmelzen lassen.

Stadtgarten auf dem Feldstraßenbunker in Hamburg
Der alte Flakbunker an der Feldstraße im Hamburger Stadtteil St. Pauli soll zum gemeinschaftlichen Stadtgarten werden. Ein knapp 21 Meter hoher Aufbau soll die brachliegende Dachfläche in einen grünen und nachhaltigen Rückzugsort verwandeln. Das Konzept aus dem Jahr 2014 stammt von Anwohnern, die vom Architekturbüro Interpol+ Architecture unterstützt werden. Eine sechs Meter breite, ebenfalls begrünte Rampe verbindet die Feldstraße mit dem Dachgarten, in dem 230 Bäume und Sträucher gepflanzt werden sollen.

Auf der Website des Projekts Hilldegarden können Anwohner Idee einreichen und darüber abstimmen, was mit dem Stadtgarten passieren soll. Ein gemeinschaftlicher Gemüsegarten mit Küchenstudio, ein Bienenstock, Ruheoasen und Baumhäuser sowie alternative Energieprojekte gehören zu den beliebtesten Ideen.

Ein ehemaliger Flakbunker aus dem 2. Weltkrieg, der einen pyramidenförmig bepflanzten Dachgarten aufgesetzt bekommt, das sei einzigartig, sagt Tobias Boeing von Hilldegarden. Vorbilder waren Projekte wie die New Yorker High Line: ein Park, der entlang eines alten Hochbahn-Abschnitts gebaut wurde. Einen konkreten Termin, wann mit dem Bau begonnen werden kann, gibt es nicht. Im vergangenen Jahr haben Landes- und Bezirksregierung grünes Licht für das Bebauungskonzept gegeben. Nun wartet das Planungsbüro auf die Baugenehmigung. „Es kann jederzeit soweit sein“, sagt Boeing.

Baubotanik von Ferdinand Ludwig und Daniel Schönle
Andere integrieren Bäume in die Architektur. Bei Ferdinand Ludwig sind die Bäume selbst die Architektur. An der Universität Stuttgart erforschen er und Daniel Schönle, wie man Pflanzen so anordnen und verbinden kann, dass sie mit den Jahren zu einer Fachwerkstruktur verwachsen.

Der Platanenkubus im baden-württembergischen Nagold, der 2012 zur Landesgartenschau entstand, ist eines von ihren Projekten. Noch müssen die Pflanzen von außen mit Nährstoffen versorgt und von Gerüsten in Form gehalten werden. Mit der Zeit können die Stützen aber nach und nach entfernt werden. Ludwig spricht von einem Prototypen, einem Experiment, an dem baubotanische Techniken erprobt werden können. In einigen Jahren soll im Umfeld des Kubus ein neues Stadtquartier entstehen, das Gebäude wäre dann ein vertikaler Park, in dem kleine Konzerte oder Theateraufführungen stattfinden können.

Wie man sich das Wohnen in baubotanischen Gebäuden vorstellen kann, ergründen Ludwig und Schönle im Forschungsprogramm KLIMOPASS. Die Bäume werden in die Fassaden der Häuser integriert, dadurch ergeben sich eine Reihe von Vorteilen: „Durch die Verschmelzung von Baum und Bauwerk können die Qualitäten der Bäume bei einer sehr hohen städtischen Dichte zum Tragen kommen, also an Orten, an denen es gewöhnlich keinen Platz gibt, große Bäume zu pflanzen“, sagt Ludwig. Die mehrere Meter tiefe Pflanzenschicht vor der Fassade bilde ein Mikroklima, das im Sommer vor Überhitzung schütze und die Luftqualität verbessere. Konkrete Pläne zur Umsetzung des Projekts gibt es aktuell allerdings noch nicht.

25 Verde in Turin
Seit 2012 steht in einem ehemaligen Industriegebiet in Turin das 25 Verde von Architekt Luciano Pia. Der 56-Jährige sollte dort ein Wohnkomplex errichten und stieß auf eine Umgebung, in der weder ein Park noch Bäume oder andere Pflanzen standen. Daraufhin fing er an, radikal ökologisch zu denken. Das entstandene Haus, so der Architekt, solle eine Provokation sein.

Im Jahr 2007 ließ er 50 große und kleine Bäume auf dem Grundstück pflanzen und setzte die Wohneinheiten aus Stahlträgern zwischen die Wipfel. 150 weitere Bäume wurden auf die Terrassen und Dächer gesetzt. Im Laufe der Zeit entsteht so eine lebende, immer weiter wachsende Struktur, die Sauerstoff produziert, die Luftverschmutzung reduziert, vor Lärm schützt und in den Wohneinheiten für ein Mikroklima sorgt, das dem Lauf der Jahreszeiten folgt. Auf dem Dach befindet sich sogar ein Acker von einem Meter Tiefe, auf dem Bewohner Landwirtschaft betreiben können.

Vertikaler Wald in Mailand
Der Bosco Verticale in Mailand gilt als Prototyp der Verschmelzung von Natur und Bau. 2014 errichtet, hat er mehrere vertikale Wälder auf der ganzen Welt inspiriert, etwa in Paris, Melbourne oder Sri Lanka.

Auf der Website von Architekt Stefano Boeri heißt es über das Konzept bewaldeter Hochhäuser: „Jeder dieser Versuche ist extrem wichtig für die Zukunft der Architektur und die Zukunft unseres Planeten. Ein einzelner Gedankte, kann nur einen bestimmten Einfluss haben. Aber tausende Gedanken können die Welt verändern. Den Klimawandeln verlangsamen, CO2-Emssionen verringern, unser Leben nachhaltig und in Harmonie mit der Natur gestalten.“

Der Bosco Verticale in Mailand besteht aus 900 Bäumen und 2000 weiteren Pflanzen, die CO2 und Feinstaub aufnehmen und Sauerstoff produzieren. In diesem Jahr soll in Lausanne in der Schweiz ein weiterer vertikaler Wald entstehen. Der Cedar Tower soll aus 100 Zedern, 6000 Büschen und 18.000 weiteren Pflanzen bestehen. 2017 eröffnet zudem das Mountain Forest Hotel in Guizhou/China. Und als wäre das schon nicht groß genug, plant Boeris Architekturbüro noch die Forest City. Das nachhaltige Viertel soll in Shijiazhuang entstehen, der Stadt mit der höchsten Luftverschmutzung in China.

Baumhaus in Kasachstan
Im Südosten Kasachstans, am Fuße des Tian-Schan-Gebirges, soll 2017 ein einzigartiges Baumhaus entstehen. Allerdings wird es nicht wie üblich auf einem Baum gebaut, sondern um ihn herum. Konzipiert wurde es vom Design- und Architekturbüro A.Masow.

Das zylinderförmige, mehrstöckige Gebäude soll komplett aus einer Glasfassade bestehen und um einen lebenden Baum herum gebaut werden. Zurzeit wird zwar noch daran geforscht, wie man einen Baum in einem Gebäude technologisch am Leben halten kann. Architekt Aibek Almassov gibt sich zuversichtlich, gegenüber WIRED sagte er: „Wir planen, Land zu kaufen und dann die Baugenehmigung der Regierung zu bekommen. Es wird ein touristischer Ort, weil jeder ihn besuchen möchte. Deswegen haben wir entschieden, es auch für jeden zugänglich zu machen.“ Im Juli 2017 soll der Bau beginnen – wenn alles nach Plan läuft.

Smog-absorbierendes Wohnhaus in Taipeh
Ein klares Zeichen gegen den Klimawandel setzt auch dieses Hochhaus, das im September 2017 in Taiwan fertiggestellt werden soll. Der Tao-Zhu-Yin-Yuan-Turm, auch Agora Gardens genannt, entsteht im Herzen von Taipeh. Das Gebäude ähnelt von außen der Doppelhelix-Struktur der DNA. Laut Architekt Vincent Callebaut, der sich selbst „Archibiotect“ nennt, ist der Turm eine direkte Antwort auf vier Ziele der Ökologiepolitik: Verringerung der Erderwärmung, Schutz von Natur und Artenvielfalt, Umweltschutz und Lebensqualität und Ressourcenmanagement. Die 23.000 Bäume auf dem Turm – es sind fast so viele wie im New Yorker Central Park – 130 Tonnen CO2 pro Jahr aufnehmen.

Auch innerhalb des Turms sind Pflanzen das vorherrschende Stilelement: Die Wände sind begrünt und die Bewohner der 40 Luxuswohnungen haben die Möglichkeit, in ihren eigenen Gärten Blumen, Obst, Gemüse und Kräuter anzupflanzen. Dass der Turm nur Luxus-Appartments beherbergen soll, während Taipeh und ganz Taiwan mit akutem Wohnungsmangel zu kämpfen haben, gibt dem umweltfreundlichen Projekt jedoch einen unangenehmen Beigeschmack.

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