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Im Strudel der Symbole: Wie der Künstler Philipp Schewe die digitale Bilderflut bezwingt

von Oliver Klatt
Unter dem Motto „The Day Will Come“ findet in Hamburg gerade die sechste Triennale der Photographie statt. In mehr als 50 Ausstellungen setzen sich Fotokünstler aus aller Welt mit dem Thema Zukunft auseinander. Außerdem gibt es Vorträge, Partys und Workshops. Viele Einzelausstellungen werden auch noch nach dem Ende des Festivals zu sehen sein. Wir stellen die spannendsten Beiträge vor.

Noch nie war der Mensch von so vielen Bildern umgeben wie heute. Und noch nie wurden solche Bildermassen von jedem einzelnen Menschen produziert. Auf der Phototriennale in Hamburg diskutiert man gerade darüber, wie man mit dieser Flut an optischen Informationen umgehen soll. Der Hamburger Künstler Philipp Schewe hat einen Weg gefunden: Er bündelt sie in exzentrische Fotocollagen.

Plüschtiere und Totenköpfe, Selbstportraits und Heiligenbilder, Magermodels und aufgeblasene Disney-Ikonen: Das sind nur einige der fotografischen Versatzstücke, aus denen Schewe, der an der Hamburger Hochschule für bildende Künste studiert hat, die Collagen in seiner aktuellen Ausstellung „Heavenliest Buddies“ zusammensetzt. Angeregt von den Fresken und Altargemälden der christlichen Bildtradition lässt er ein geordnetes Durcheinander von Figuren und Symbolen auf den Betrachter los, das einen in seiner schieren Masse schlichtweg überfordert. Die Perspektiven sind wirr. Die Botschaft ist es ebenso. Soll man nun lachen oder entsetzt sein? Nach Sinn suchen oder sich über den Unsinn freuen? „Ich denke, ich habe eine Möglichkeit gefunden, mit der ich ganz gut Irritation erzeugen kann“, sagt Schewe. Das hat er.

Seine großformatigen, von hinten mit LEDs erleuchteten Arbeiten bewegen sich zwischen Kitsch und Erbauungskunst, zwischen Idylle und Höllenvision à la Hieronymus Bosch. Hier und da fühlt man sich an die Ästhetik von Heavy-Metal-Plattencovern und esoterischen Schwarzlichtpostern erinnert. Sein Ausgangsmaterial holt sich Schewe aus dem Internet und legt es in Ordnern ab, die Namen wie „Amerika“, „Ewigkeit“ oder „Das Jüngste Gericht“ tragen. Darüber hinaus verarbeitet er aber auch viele seiner eigenen Fotografien. „Mit meiner alten Spiegelreflexkamera habe ich in fünf Jahren über eine Million Fotos gemacht“, sagt er. Mehr als 561 pro Tag.

Die Arbeit an einem Bild, für das Schewe normalerweise zwischen einer Woche und drei Monaten benötigt, beginnt damit, dass er nach dem Zufallsprinzip Fotos aus seinen Archiven zieht, sie auf einer weißen Fläche verteilt und auf Inspiration hofft. „Ausgangspunkt ,Heavenliest Buddies‘ war beispielsweise die Fotografie des Shut-Down-Knopfes einer Computertastatur“, sagt Schewe. Der Rest der Collage ist dann um dieses eine Bildelement herumgewuchert. Ausgeschnitten und zusammengefügt werden die Puzzleteile in Schewes Kompositionen mit Bildbearbeitungssoftware und einem Grafiktablet. „Manchmal geht es aber auch schneller, wenn ich einfach reale Gegenstände zu einem Stillleben arrangiere und davon ein Foto mache“, sagt Schewe.

Fragt man ihn nach seinen Motiven dafür, Unmengen an Bildmaterial anzuhäufen und neu zu arrangieren, gesteht Schewe unumwunden: „Das ist eine Manie!“ Etwas Zwanghaftes, das ihn in die Nähe der Outsider Art rückt, die sich schon immer einen Dreck um guten Geschmack und ein etabliertes Kunstverständnis geschert hat. Schewe, der sich ohnehin mehr als Bildhauer denn als Fotokünstler begreift, gelingt es mit seinen Arbeiten, die Rohmasse Bild in etwas Neues umzuformen. In Selbstbilder, die sich aus dem Eitlen und Belanglosen speisen, das uns alltäglich umgibt, und es zu etwas sehr Persönlichem werden lassen.

Die Ausstellung „Heavenliest Buddies“ ist noch bis zum 27. September in der Galerie Artworks, Bei den Mühren 90 in Hamburg zu sehen. Öffnungszeiten: täglich 14 bis 18 Uhr 

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