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Gläserne Menschen, mysteriöse Flugobjekte: Marc Lüders lässt Malerei und Fotografie verschmelzen

von Oliver Klatt
Seit 1995 malt Marc Lüders Figuren und Objekte in seine Fotos hinein. Die reine Malerei war ihm nie genug. Genauso wenig wie die Fotografie. Erst in dem Zusammenspiel beider Kunstformen fand der Hamburger Künstler seine Bestimmung.

„Letztendlich geht es immer auch um Irritation“, erklärt Lüders die Wirkung seiner Werke, die dadurch entsteht, dass Ölfarbe und Lichtbild aufeinander treffen. Fotos, die er in den USA von Supermärkten gemacht hatte, drehte er zum Beispiel um 180 Grad und malte dann Menschen in die Konsumlandschaften, die an der Decke stehen. Erst auf dem zweiten Blick fällt auf, das mit diesen Bildern etwas nicht stimmt. Für seine Serie „Abu Ghraib“ wiederum übermalte Lüders die an die Öffentlichkeit gelangten Fotos von Gefangenen des US-Foltergefängnisses im Irak. Anstatt geschundener Leiber sieht der Betrachter nur leere Räume und karge Gefängnismauern — ein verzweifelter Versuch, Demütigung und Folter zumindest symbolisch ungeschehen zu machen.

Die Bilder seiner aktuellen Ausstellung „System Plural“ in der Hamburger LEVY Galerie sind weit weniger politisch — und sagen dennoch etwas aus über die Isolation des Menschen in der Welt. Sie zeigen Fremdkörper, die durch die Luft schweben und Personen, die verloren auf einem Jahrmarkt oder in der Natur herumstehen — meist mit einem Mobiltelefon oder einer Plastiktüte in der Hand.

Hin und wieder verwendet Lüders das Foto einer Waldlichtung oder eines bunt bemalten Karussells als Grundlage für mehrere Bilder. Doch auch hier gibt es ein Element der Irritation: Während einige der in die Fotos hineingestellten Figuren zunächst gar nicht von fotografierten Menschen zu unterscheiden sind, scheinen sich andere bereits aufzulösen. Wie Menschen aus Glas kommen sie der Unsichtbarkeit gefährlich nahe.

„Ich beschäftige mich schon eine ganze Weile mit Fragen des Selbstbildes“, sagt Lüders. „Forschungsergebnisse aus Philosophie und Psychologie legen nahe, dass unser Selbst nichts Bestehendes und Unwandelbares ist, sondern etwas, das sich ständig verändert, obwohl wir dennoch die selbe Person bleiben.“ Mit seinen transparenten Gestalten, die eins werden mit dem Bildhintergrund, bringt Lüders diese Unbeständigkeit zum Ausdruck: Die Grenze zwischen Ich und Umwelt wird durchlässig, das eine geht in das andere über. „Außerdem hat mich natürlich auch die technische Seite daran sehr interessiert“, sagt er. „Ich wollte herausfinden, wie ich die Malerei noch besser in der Fotografie verstecken kann.“

Eher zufällig entdeckte Lüders dagegen das Verfahren hinter Bildern wie „Objekt 829-1-1“ oder „Objekt 829-22-5“. Auf ihnen sind metallisch glänzende Gegenstände zu sehen, die durch den Wald oder über die Wasseroberfläche gleiten. Nichts deutet auf ihren Ursprung oder ihre Funktion hin. Sie sind ein Geheimnis. Flugkörper aus einer anderen Welt, die der unseren einen Besuch abstatten. „Ursprünglich wollte ich bloß Boote in eine Landschaft hinein malen“, erklärt Lüders den Entstehungsprozess, „Als ich die Ölfarbe jedoch von einem der Fotos wieder teilweise weggewischt hatte, entstand dabei dieses abstrakte, in der Luft schwebende Etwas.“

Die Ausstellung „System Plural“ ist noch bis zum 10. Juli in der LEVY Galerie, Osterfeldstraße 6, 22529 Hamburg zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 10 bis 18 Uhr 

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