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Nils Völker programmiert die Bewegung von Kugeln und macht daraus Kunst

von Anna Schughart
In „Bits and Pieces“ von Nils Völker vollführen filigrane Spielzeugkugeln hypnotisierende Bewegungen. Im WIRED-Interview erklärt der Physical-Computing-Künstler, wie seine Installation funktioniert und was ihn an der Verbindung von Kunst und Technik fasziniert.

Im weißen Ausstellungsraum hängen bunte Bälle von der Decke, die sich selbstständig öffnen und schließen. Je länger man sie betrachtet, desto faszinierender wird die Installation„Bits and Pieces“ von Nils Völker. Eine bunte Bewegung, die Kugeln ziehen sich zusammen, scheinen sich zu entfernen, dann dehnen sie sich wieder aus und kommen scheinbar näher. Dazu Geräusche: Mal klingt es als würden ein paar wütende Vögel schreien, dann als würde man eine Kiste Legos auf den Boden ausschütten, dann wieder wie ein Wellenrauschen. WIRED hat mit dem Physical-Computing-Künstler über sein Werk gesprochen.

WIRED: Wie bist du auf die Idee gekommen, aus Kinderspielzeug Kunst zu machen?
Nils Völker: Ich habe diese Kugeln, sie heißen Hoberman Spheres, in so einem 99-Cent-Restpostenladen gefunden. Sie sind total ästhetisch, aber als Kind benutzt man sie, glaube ich, nur ein paar Tage, dann verstauben sie im Regal. Man kann ja nicht wirklich etwas damit machen.

WIRED: Außer ganz viele an die Decke hängen und sie sich selbstständig öffnen und schließen lassen.
Völker: Es war spannend, die Bewegung zu sehen, ohne dass Hände im Spiel sind. Ich habe dann einen Testaufbau mit zwölf Stück gemacht und dann hat das ganze eine Dynamik bekommen. Es wirkt organisch, fast hypnotisierend.

WIRED: Das stimmt, je länger man hinschaut, desto mehr wird man hinein gesogen. Das erinnert ein bisschen an deine anderen Arbeiten, bei denen sich Tüten selbstständig aufblasen.
Völker: Ja, das funktioniert ähnlich, aber das war Zufall und liegt wahrscheinlich einfach daran, dass mir diese Art von Bewegung gut gefällt. Was mich daran reizt, ist, dass im Grunde ja alle Kugeln das Gleiche machen. Sie gehen auf und sie gehen zu. Sie sind nicht sehr flexibel, aber wenn man das richtig zeitlich abstimmt und steuert, ergibt es eine faszinierende Bewegung.

WIRED: Was macht diese Bewegung so faszinierend?
Völker: Ich glaube, das muss jeder für sich entscheiden. Manche finden es vielleicht auch einfach banal oder denken: Was soll der Quatsch? Ich habe auch keine tieferliegende Bedeutung. Die kann jeder für sich selbst daraus ziehen, wenn er möchte. Die ersten Reaktionen waren ganz lustig, einer meinte, es erinnere ihn an Lungenbläschen.

WIRED: Wie funktioniert deine Installation?
Völker: Jede Kugel hängt an einer Art Hebel, das sind die kleinen weißen kleinen Teile, die oben herausschauen. Sie sind angetrieben von einem Servomotor und drehen sich um ihre eigene Achse. An den Hebeln hängt eine durchgehende Faden-Schlaufe, die ins obere und untere Ende der Kugel geht. Durch die Hebelbewegung ziehen sich die Kugeln zusammen und gehen wieder auf. Mir war auch wichtig, dass man die Technik hört. Ich will sie nicht verstecken.

Es ist total faszinierend, wenn man ein kryptisches, textbasiertes Programm schreibt, es dann hochlädt und die Dinge auf einmal etwas tun.

WIRED: Und dann hast du einen Algorithmus programmiert, der die Hebel steuert?
Völker: Genau. In jedem Modul steckt ein kleiner Mikroprozessor und der steuert die Motoren. Es ist total faszinierend, wenn man ein kryptisches, textbasiertes Programm schreibt, es dann hochlädt und die Dinge auf einmal etwas tun. Das ist immer noch ein total faszinierender Moment.

WIRED: Wie bist du denn zu dieser Art von Installation gekommen? Eigentlich bist du doch Grafikdesigner.
Völker: Das war ein langer Weg mit vielen Zufällen. Am Anfang habe ich mit einem Lego-Roboter-Set gebaut. Bei meiner ersten Ausstellung, konnte man in eine Box schauen und ein Eyetracker hat aufgezeichnet, was man anschaut. Die Daten wurden dann an einen kleinen Roboter geschickt, der auf einem großen Papierstapel mit einem dicken Filzstift aufgezeichnet hat, wo man hingeschaut hat. Da wurde für mich zum ersten Mal aus dem Hobby Kunst. Danach habe ich noch eine Weile mit Lego weitergebaut, weil ich ein bisschen Respekt davor hatte, zur echten Elektronik zu wechseln. Dann habe ich Arduino und die aktive Arduino-Community entdeckt und bin jetzt schon ein paar Jahre dabei.

WIRED: Was hat dich daran fasziniert, Technik und Kunst zu kombinieren?
Völker: Es ist wahnsinnig abwechslungsreich. Einerseits ist es super kreativ: Du hast morgens unter der Dusche oder im 99-Cent-Shop plötzlich eine Idee. Dann kommt der ganz Prozess, das Ingenieurhafte. Hätte man mich vor ein paar Jahren gefragt, hätte ich gesagt: Das interessiert mich nicht. Aber heute finde ich es total faszinierend, darüber nachzudenken, wie man Dinge konstruieren kann oder stundenlang nach den richtigen Schrauben zu suchen. Und dann ist es auch sehr körperlich: Ich hab gar nicht gezählt, wie oft ich in den letzten Tagen auf der Leiter gestanden habe.

Vor zwanzig, dreißig Jahren hätte ich diese Kunst nie machen können.

WIRED: Ist das Interesse an dieser Art von Projekten derzeit denn groß?
Völker: Das weiß ich nicht. Aber was schon auffällt, ist, dass bei Ausstellungen der Altersdurchschnitt der Künstler sehr jung ist. Es ist eine neue Sache. Ich hätte zum Beispiel vor zwanzig, dreißig Jahren diese Kunst nie machen können.

WIRED: Wieso?
Völker: Ich hätte Ingenieurswesen studieren oder mich intensiv fortbilden müssen. Ich hätte in Bibliotheken recherchieren müssen. Heute, durch das Internet und zum Beispiel die Arduino-Community, kann man sich immer Hilfe holen. Wenn du ein Problem hast, kannst du sicher sein, dass es irgendjemand schon mal gelöst und in irgendeinem Forum beschrieben hat, wie es geht.

WIRED: Hast du schon Pläne für dein nächstes Projekt?
Völker: Ich plane das nicht konkret. Aber es fällt schon auf, dass alle meine Arbeiten aus Alltagsgegenständen bestehen, die man überall findet und eigentlich ignoriert. Ich benutze sie, um in großen Mengen etwas zu daraus zu machen. Das werde ich sicher weiter tun. Wenn ich etwas finde, dann mache ich einfach. Im schlimmsten Fall interessiert es niemanden und wandert in die Schublade.

Die Ausstellung „Bits and Pieces“ in der NOME Galerie in Berlin ist noch bis zum 15. April 2016 zu sehen. 

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