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Ein Interview zum neuen EM-Fußballschuh von Adidas, der „schimmert wie ein Pokal“

von Ilja Behnisch
Was glitzert da so auf dem Rasen? Chrom! Wie das neue Schuhmodell für die Fußball-EM dazu kam, mit diesem Material überzogen zu sein, darüber sprach WIRED mit Marco Müller, Fußballschuh-Chefentwickler von Adidas.

Die Saison ist nur für die Bundesliga vorbei, der Fußball macht in diesem Jahr keine Sommerpause: Am 10. Juni beginnt in Frankreich die EM und am 4. Juni bereits ihr süd- und nordamerikanisches Pendant, die Finalrunde der Copa América. Für einen Sportartikelhersteller wie Adidas bedeutet das: ganz viel Werbefläche, und zwar unter anderem an den Füßen von Nationalspielern. Die können, soweit sie von Adidas ausgestattet werden, zwischen drei neuen Schuhmodellen wählen. Heute werden sie der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die neuen Adidas-Fußballschuhe X, Ace und Messi sind Weiterentwicklungen der gleichnamigen Vorgängermodelle, es gibt sie sowohl mit als auch ohne Schnürsenkel. Und die sichtbarste Neuerung ist ihre Farbe: Chrom.

WIRED hatte vor einigen Wochen Gelegenheit, die Schuhe schon mal im Testbetrieb zu erleben: im Future Lab von Adidas auf dem Firmengelände in Herzogenaurach. Dort übt unter anderem ein elektrischer Kicker namens Mr. Roboleg mit Schuhprototypen an seinen Metallfüßen Freistöße, nur tritt er sie übermenschlich – mit 160 Kilometern pro Stunde, 40 mehr, als die härtesten Schützen unter den Fußballprofis es hinbekommen. Im Future Lab sprachen wir auch mit Marco Müller, dem Fußballschuh-Chefentwickler von Adidas, über die neuen Schuhmodelle.

WIRED: Adidas hat jetzt seine neuesten Fußballschuhe vorgestellt, genannt Mercury Pack. Was unterscheidet diese Schuhe von den Vorgängern?
Marco Müller: Mercury Pack steht für ein neues Zeitalter in Sachen future craft – so nennen wir bei Adidas unsere Innovationen im Produktionsbereich. Das auffälligste Merkmal der neuen Kollektion ist die Chromschicht, mit der die bereits bekannten X-, Ace- und Messi-Modelle nun überzogen sind und die eigens entwickelt wurde.

WIRED: Warum ausgerechnet Chrom?
Müller: Chrom bringt jedes Detail hervor. Und betont damit auch, wie durchdacht inzwischen jeder Millimeter eines Fußballschuhs ist. Außerdem steht nicht nur das Champions-League-Finale kommende Woche an, bald danach beginnen auch die Europameisterschaft und ihr südamerikanisches Äquivalent, die Copa America. Und welche Farbe haben die Trophäen, um die es dabei geht?

WIRED: Äh, Silber?
Müller: Richtig. Die Pokale schimmern genauso wie die Chromschicht des Mercury Pack. Das Chrom-Design war übrigens auch ein immer wiederkehrender Wunsch der Spieler, mit denen wir im regelmäßigen Austausch stehen.

WIRED: Welche Spieler haben sich Silber gewünscht?
Müller: In den vergangenen Wochen waren wir bei all unseren Partnervereinen zu Besuch, von Real Madrid, Bayern München, Juventus Turin über Manchester United bis zum FC Chelsea. Und es ist tatsächlich so: Diese Schuhe will sofort jeder tragen. Allein schon, weil sie zumindest bei den Profis zunächst nur die Spieler bekommen, die im Champions-League-Finale, bei der EM oder der Copa America auflaufen. Diese Schuhe in Pflichtspielen tragen zu dürfen, ist also Auszeichnung und Ansporn zugleich.

James Rodriguez hatte einen Gesichtsausdruck wie ein kleines Kind an Weihnachten

WIRED: Wir hatten eigentlich auf ein paar Namen gehofft.
Müller: Also gut… Thomas Müller zum Beispiel hat extrem positiv reagiert. James Rodriguez, Kolumbiens Spielmacher in Diensten von Real Madrid, hatte einen Gesichtsausdruck wie ein kleines Kind an Weihnachten. Und auch sein Teamkollege Gareth Bale war sehr beeindruckt.

WIRED: Aber schlussendlich sind es doch nur die bereits bekannten Adidas-Schuhe in neuem Anstrich.
Müller: Gerade für die Profis ist der Schuh noch immer das heilige Werkzeug. Für sie steht die Performance natürlich an allererster Stelle.

WIRED: Wieviel Mitspracherecht an Entwicklung und Farbgebung hat bei Adidas ein Spieler wie Lionel Messi eigentlich, immerhin der beste Fußballer der Welt?
Müller: Mit Leo ist es ganz einfach. Denn der Schuh ist nicht für ihn gemacht, sondern mit ihm. Wir sind alle paar Wochen in Barcelona und tauschen uns mit ihm aus. Und so kommt der Blauton bei seinem Schuh auch nicht von ungefähr, sondern spiegelt die argentinischen Nationalfarben wider, in denen Messi während der Copa America antritt.

WIRED: Was passiert, wenn Messi Argentinien zum Titel schießt? Dann wird er die Schuhe doch nie wieder gegen zukünftige Modelle tauschen wollen.
Müller: Aberglauben gehört zum Fußball dazu. Aber die Spieler schauen voraus, nicht zurück. So wie wir. Und auch nach dem Mercury Pack haben wir noch tolle Produkte in der Hinterhand.

WIRED: Die da wären?
Müller: Mit dem Mercury Pack gehen wir auf eine sechsmonatige Reise. Nach dem Champions-League-Finale, nach den großen Turnieren im Sommer, folgt die Vorbereitung auf die neue Saison. In der jeder Spieler versucht, für sich das Beste herauszuholen, um es in die erste Elf zu schaffen. Für diese Zeit bekommen die Schuhe noch mal ein Update. Im Oktober dann brechen wir zu ganz neuen Welten auf, mit einer Kollektion, die vom Weltraum inspiriert ist. Die Chromschicht, mit der jetzt alles beginnt, erinnert also nicht von ungefähr auch an eine Rakete.

WIRED: Wenn das kommende Halbjahr schon komplett verplant ist mit neuen Farbgebungen und Beschichtungen, wie lange dauert dann der Vorlauf, die eigentliche Entwicklung eines Fußballschuhs?
Müller: Die Kreation der Produkte beginnt etwa drei Jahre im Voraus. Eine frühe Abstimmung zwischen Designern und Produktentwicklern ist wichtig, weil es ja durchaus sein kann, dass ein schöner Farbeffekt die Performance, die Qualität und vor allem auch die Haltbarkeit eines Schuhs beeinflusst.

Anfangs sahen die Schuhe eher grau wie Elefantenhaut aus, nicht wie aus schickem Chrom

WIRED: Was waren die größten Herausforderungen beim Mercury Pack?
Müller: Chrombeschichtungen reflektieren am stärksten, wenn das Material sehr hart und sehr steif ist. Ein Metallblock hat also eine überragende Reflexion. Nur lässt es sich mit so einem harten Material eben schlecht Fußball spielen. Ein totaler Gegensatz zu dem, was wir für unser Produkt brauchten. Und so sahen die Schuhe anfangs eher grau wie Elefantenhaut aus, nicht wie aus schickem Chrom.

WIRED: Jetzt glitzert alles. Wie dick ist die Chromschicht also geworden?
Müller: Wir sind bei 0,1 Millimeter gelandet. Mit einer Schicht. Bei Auto- oder Fahrradteilen, also Anwendungsgebieten, aus denen man Chrom ansonsten kennt, werden 20 bis 30 Schichten benutzt.

WIRED: Wie viele Entwicklungsstufen beziehungsweise Prototypen hat es bis zum fertigen Mercury Pack gebraucht?
Müller: Beim Mercury Pack waren es am Ende zwischen 20 und 30 Muster und Weiterentwicklungen. Wobei man das mal drei nehmen muss. Schließlich haben wir ja nicht nur einen Schuh, sondern mit dem X, Ace und Messi drei neue Modelle entwickelt.

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WIRED: Und wie viele Menschen arbeiten an der Entwicklung eines solchen Fußballschuhs?
Müller: Hier im Headquarter in Herzogenaurach arbeiten 45 Leute in Entwicklung, Design und Marketing. Dann sind in den Entwicklungsabteilungen der jeweiligen Fabriken noch mal etwa die gleiche Anzahl an Leuten am Prozess beteiligt. So dass es am Ende zirka 100 Menschen sind, die ganz unmittelbar mit der Entwicklung zu tun haben.

WIRED: Ihr Firmengründer Adi Dassler soll der Legende nach ehedem ganz allein an seiner Werkbank gesessen und Leder- für Lederschicht über Leisten gezogen haben. Wird heute überhaupt noch mit der Hand gearbeitet?
Müller: Im Fertigungsprozess nicht. Wir sprechen mittlerweile ja auch von Schuhen, die nur noch 200 Gramm wiegen. Die von Adi Dassler damals haben 400 bis 500 Gramm gewogen. Die Robotertechnik ermöglicht uns heute hohe Präzision und damit ganz andere Möglichkeiten, auch fürs Design. Aber wenn es darum geht, mal schnell ein neues Muster zu entwerfen, wird schon noch ab und an Hand angelegt, gerade ganz am Anfang der Entwicklung eines neuen Schuhs – das ist der Geist von Adi Dassler.

Die ausführliche Reportage über den Besuch im Future Lab von Adidas lest ihr in der neuen Ausgabe von WIRED. Ab 7. Juni an jedem guten Kiosk. 

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