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Fabu will spielen / Die rosarote Datenbrille

von Fabu
Handelt es sich bei Oculus Rift und Co. um harmloses Luxusspielzeug für Early Adopter oder birgt die virtuelle Realität reale Gefahren in sich? WIRED-Spielekolumnist Fabu setzt die Kritikerbrille auf.

Wenn ich Menschen frage, ob sie sich für die rote oder die blaue Pille entscheiden, fällt die Wahl meist auf die rote. Zur Erinnerung: Im Film „Matrix“ (1999) wurde der Protagonist Neo vor ebendiese Entscheidung gestellt. Blau hält den Schlaf und somit die Illusion von Entscheidungsfreiheit aufrecht, rot öffnet im wahrsten Sinne des Wortes die Augen und offenbart die düstere Wahrheit.

Es wirkt bodenständiger und reflektierter, sich für die unbequeme Realität zu entscheiden, aber in meinen Augen ist die vermeintlich richtige Antwort die eigentliche Illusion. Letztlich präferiert der Mensch den Weg des geringsten Widerstands. Das gibt man natürlich ungern zu, also wird spontan von einer Selbstlüge Gebrauch gemacht.

Die virtuelle Realität ist längst nicht so nah an der Perfektion wie die Matrix, aber die Möglichkeit, zumindest temporär der leibhaftigen Realität zu entfliehen, ist mit Oculus Rift und Konsorten nun gegeben. Jawohl, sofern der stattliche Anschaffungspreis in Kauf genommen wird und der heimische Windows-PC die hohen Anforderungen erfüllt, steht der rosaroten Datenbrille nichts mehr im Wege. Außer unserer Würde vielleicht, aber die soll ja angeblich unantastbar sein.

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Schimpft mich Spielverderber, aber ich sehe neben den vielen Möglichkeiten, die VR uns bieten kann, auch potenzielle Gefahren, die es im Auge zu behalten gilt. Als jemand, der dazu neigt, sich äußerst ungern außerhalb der Komfortzone zu bewegen, ist Realitätsflucht ein ständiges Thema, das mich umgibt. An manchen Tagen muss ich mich regelrecht zwingen, die Wohnung zu verlassen. Services und Technologien, die mich davon abhalten, in natura agieren zu wollen oder zu müssen, sind effektive Ablenkungsmanöver. Und wer schlägt eine Ablenkung schon gerne aus, wenn die Alternative mit Anstrengungen oder gar Kontrollverlust verbunden ist? Und überhaupt: Nie wieder Köttbullar? Prima!

Jogginghose, Oculus und die Kneipe im Kopf. Verlockend.

Ein virtueller Flippertisch bietet im Vergleich zur altmodischen Variante auf Knopfdruck ein Vielfaches der Optionen und Eindrücke. Hinzu kommen diverse Einsparungen in Bezug auf Zeit und Nerven. Keine Konfrontation mit unliebsamen Nachbarn im Treppenhaus, keine lästige U-Bahn-Fahrt zur Lokalität, keine überteuerten Kaltgetränke, keine übelriechenden sanitären Anlagen. Stattdessen Jogginghose, Oculus Rift und die Kneipe im Kopf. Verlockend.

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VR verleitet aber nicht nur dazu, realen Konfrontationen und Lästigkeiten aus dem Weg zu gehen. Sie ermöglicht auch die nächste Stufe zur virtuellen Ausübung von Macht und Gewalt. Der 21-jährige Student Joseph Delago veranschaulicht das in seiner Modifikation von „GTA V“, die den Spieler sowohl visuell als auch mental tiefer ins Geschehen eintauchen lässt. Der Entwickler ist von seinem eigenen Werk merklich erschrocken: „I feel horrible about making this. You actually feel guilty. My mouth dropped the first time I shot someone in my GTA: V VR setup.“

Ich bin niemand, der Gewalt in Spielen verteufelt. Die Killerspieldebatte ist mir ein Graus. Doch man stelle sich vor, wie Gewaltexzesse im Stile von „Manhunt“ in Kombination mit VR womöglich zur Abstumpfung oder sogar Traumatisierung beitragen. Aber was weiß ich schon. Außerdem kann zum Ausgleich ja jederzeit gekuschelt werden.

Mehr zum Thema: Was macht es mit uns, wenn wir Angst und Horror in der Virtual Reality erleben?

Es bleibt abzuwarten, ob Oculus Rift, HTC Vive und PlayStation VR teure Luxusspielzeuge bleiben oder in Zukunft einen massentauglichen Mehrwert bieten. Ebenfalls unklar ist noch, welchen langfristigen Einfluss die virtuelle Realität auf das Leben der Konsumenten nimmt. Dafür müssen erst Grenzüberschreitungen erlebt und debattiert und Grauzonen definiert werden. Und wäre ein Schwarzmarkt für illegale VR-Software eigentlich rot oder blau?

Letztes Mal bei „Fabu will spielen“: Free-to-Play ist die Pervertierung des Gamedesigns 

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