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Nilz On Moviez / Auf Zeitreise mit dem deutschesten aller Touristen

von Nilz Bolkelberg
Donnerstag ist Kinotag, perfekt für Nilz Bokelbergs Kolumne über die besten neuen Filme und Serien der Woche. Normalerweise, denn diesmal schaut er lieber mehr als zehn Jahre in die Vergangenheit — auf zwei ganz besondere Perlen.

Ich könnte jetzt anfangen, über „Der Marsianer“ zu referieren, Ridley Scotts neuester Film mit Matt Damon als auf dem Mars vergessener Astronaut. Aber das wären Perlen vor die Säue, den haben sich doch sowieso schon alle angeschaut. Ich könnte auch von der neuen Serie „Minority Report“ berichten, die auf dem gleichnamigen Film basiert, nur Jahre später spielt und eine ganz gelungene Art „CSI: Hellsehen“ ist. Aber viel mehr muss man darüber eigentlich auch nicht wissen.

Deswegen habe ich mich entschieden, mal zwei meiner Lieblingsserien vorzustellen — in der Hoffnung, der ein oder andere möge sie noch nicht kennen. Die beiden Serien haben gemeinsam, dass sie nicht über sechs Episoden hinaus gekommen sind, dass sie schon über zehn Jahre alt sind und das man sie auf den gängigen Videoplattformen wie YouTube oder Vimeo mittlerweile komplett anschauen kann.

#1 „Gerhard Reinke's Wanderlust“
Wandersandalen, Tanktop, kalkweiße Haut und ein nahezu untrübbares Gemüt: So sieht die Welt den typischen deutschen Urlauber. Gerhard Reinke ist der Prototyp dieser Art Mensch und deswegen hat man 2003 wohl entschieden, ihn auf Reisen zu schicken und mit der Kamera zu begleiten. Um zu beobachten, wie er sich wohl auf der Welt so durchschlägt und ob man wirklich immer und überall günstig reisen kann. Die Sendung begleitet Reinke nach Thailand und Irland, in die Anden, an den Amazonas, nach Baja und Kalifornien. Ein Reiseziel pro Show. Und wo Reinke hingeht, da ist immer was los. Mit traumwandlerischer Sicherheit gerät er von Abenteuer zu Abenteuer, bleibt dabei stets neugierig und der weiterreiste Weltenbummler, der er ist.

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Okay, Reinke ist ein totaler Vollidiot, der nix blickt, aber auch irgendwie zu sympathisch und nett, um ihn wirklich doof zu finden. Die Art Typ, die einen zuschwallt, aber man kann sich nicht dagegen wehren. Weil man merkt, dass er es aus der Überzeugung heraus tut, einen glücklicher zu machen. Und am vermutlich wichtigsten ist: Reinke ist nicht echt. Eine Kunstfigur, erfunden und dargestellt von Autor und Comedian Josh Gardner.

„Gerhard Reinke's Wanderlust“ die totale Mockumentary-Eskalation: Reinke ist so schusselig, dass der Zuschauer sofort ahnt, dass zwar eine Menge passieren wird, aber nie, was. Und inwiefern Menschen eingeweiht sind, auf die Gerhard bei seinen Wanderungen trifft, ist auch immer ein bisschen und unklar. Das Ganze ist eher mit der groben Nadel gestrickt, man darf keinen fein ziselierten Humor erwarten, aber es ist durchaus lustig zu sehen, wie das Klischee-Bild der Deutschen abseits von Lederhosen und Dirndl aussieht. Man kann sogar noch die ein oder andere Entdeckung machen: In der Kalifornien-Episode besucht Gerhard das Dorf Solveig, ein dänisches Dorf. In dem es unter anderem. Holzschuhe zu kaufen gibt. Sogenannte Klotschen. Eine regionale Spezialität. Aus Holland.

Leider hat es der niedliche Backpacker nur auf sechs Episoden gebracht. So viel Hang zur Selbstentblößung war wohl schwer zu ertragen. Oder nur in ganz kleinen Dosen. Aber vielleicht ist es auch besser so, die Figur ist eigentlich auserzählt. Was hätte Reinke noch groß machen sollen? So behalten wir ihn einfach in liebevoller Erinnerung: Als der Typ, der sich mit Bigfoot prügelt — und dem schönsten Fake-Deutsch-Englisch-Slang ever spricht.

#2 „Garth Marenghi's Darkplace“
Jetzt wird es ein wenig kompliziert, denn diese Serie stellt ein komplett eigenes Genre dar. Zur Erklärung: Garth Marenghi ist einer der erfolgreichsten Gruselschriftsteller aller Zeiten. In den Achtzigerjahren hat er sich mit seinem Manager Dean Learner zusammengetan und eine Fernsehserie erschaffen, die in einem Hospital spielt, in dem sich seltsame Dinge ereignen: Darkplace. Marenghi selbst übernahm die Hauptrolle, sein Manager spielte den Chef und Leiter des Krankenhauses. Der Rest wurde mit Schauspielern besetzt. Und ja, ich lasse das Adjektiv „professionell“ davor absichtlich weg.

Der Sender hat vermutlich einfach die Genialität dieser Serie nicht erkannt und sie deshalb niemals ausgestrahlt. Nun aber, in einer Zeit, in der Marenghi Tausende und Abertausende von Büchern verkauft, ist auch das Interesse an seinem filmischen Werk wieder aufgeflammt. Marenghi selbst hat sich das Material noch mal vorgenommen, die alten Folgen zusammengeschnitten, und durch Interviews mit ihm und Dean kommentiert.

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Und auch hier gilt wieder: Es gab nie einen Garth Marenghi. Zumindest nicht in unserer Welt. Die Figur des „Master of Darkness“ wurde erfunden von Matthew Holness und Richard Ayoade (vielen bekannt als Moss von der „IT Crowd“). Holness spielt Marenghi, Ayoade spielt Dean Learner. Dabei ist außerdem Matt Berry, auch bekannt aus „IT Crowd“ als rumpfbackiger Chef der Firma, der hier den Oberarzt Sanchez spielt, bester Freund von Marenghis Serienfigur Dr. Rick Dagless.

Berry spielt er perfekt unperfekt. Wie ein ambitionierter Seriendarsteller. Immer einen Hauch zu dramatisch und overacted. Das Gegenteil zu Ayoade, der als Hospitalchef so hölzern spielt, weil er als Lerner eben gar kein Schauspieler ist. Zuletzt Marenghi, der sich seine Rolle in „Darkplace“ so geschrieben hat, dass er in jeder Sekunde, in jeder Zeile Text immer unendlich cool, gerecht und um die ganze Welt besorgt erscheint. Immer leicht heiser sprechend, um noch bedeutungsvoller zu wirken.

„Darkplace“ ist eine Parodie auf Achtziger-Serien, auf Horrorliteratur, auf das Fernsehen und auf Produzenten, Schauspieler und vielleicht sogar irgendwie die Zuschauer — weil uns bewusst wird, was wir alles einfach hingenommen und nicht in Frage gestellt haben, als wir in den Achtzigern ferngesehen haben. Aber das alles ist so liebevoll gemacht, mit so einer Hingabe und einem derart scharfen Auge fürs Detail, dass es einfach eine Wucht ist.

Die Serie funktioniert auch dadurch so gut, dass sie so viele Ebenen gleichzeitig aufmacht. „Darkplace“ ist eine Meta-Mockumentary-Parodie, oder so. Eine Metamentary, vielleicht sollte man das so nennen. Comedy, die auf den ersten Blick grobschlächtig wirkt, aber in Wirklichkeit ein derartiges Auge fürs Detail hat, dass man es kaum bemerkt. Erst wenn man ganz genau hinguckt. Aber das sollte man sich vielleicht für das zweite oder dritte Mal aufheben. Erstmal genießen. Die sechs Folgen sind alle auf YouTube zu finden. 

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