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Nilz On Moviez / „Alles steht Kopf“ geht unserem Filmexperten ziemlich nahe

von Nilz Bokelberg
Donnerstag ist Kinotag. Heute hat sich unser Experte Nilz Bokelberg den neuen Pixar-Film „Alles steht Kopf“ angesehen und ist sauer — auf sich selbst.

Dinge, bei denen ich mich jedes Mal über mich selbst ärgere, Teil 264: Dem eigenen Vertrauen misstrauen. Bevor ich zu lange mit anderen Beispielen rumschwurbele, erkläre ich, was das mit dem heutigen Text zu tun hat, es lässt sich nämlich auf fünf Buchstaben runterbrechen: P. I. X. A. R. Wann kam aus diesem Studio jemals ein schlechter Film? Wann kam aus diesem angeblichen Traumarbeitsplatz jemals ein langweiliger Streifen, oder einer, der nur für Kinder war und in dem sich Erwachsene deswegen zu Tode langweilten? Die Antwort auf all diese Fragen lautet „Nie“.

Und dennoch: So bald ich die Vorankündigung eines neuen Pixar-Films sehe, denke ich immer zuerst: „Zu bunt, zu niedlich, zu kindlich. Nix für mich.“ Und das obwohl ich „Toy Story 3“ zu meinen absoluten Lieblingsfilmen zähle. Es muss sich also um irgendein tieferliegendes, psychisches Problem handeln (mit dem ich, zumindest in diesem speziellen Fall, ganz sicher nicht allein bin!), dem ich nicht ohne weiteres Herr werden kann. Da hilft nur Desensibilisierungs-Therapie: Ich gucke mir alles von Pixar sofort an. Und wie gut ich daran tue! Der neueste Film ist das beste Beispiel.

So ernst wurden Kinder in einem Film noch nie genommen.

In „Alles steht Kopf“ (mal wieder eine deutsche Naja-Version für den schönen Original-Titel „Inside Out“) geht es um die 11-jährige Riley, beziehungsweise um ihren Kopf. In dem befindet sich eine große Schaltzentrale, in der die Verkörperungen der Emotionen Wut, Freude, Trauer, Ekel und Angst versuchen, Riley durchs Leben zu manövrieren. Und das ist im Moment gar nicht so einfach, denn Riley ist mit ihren Eltern aus ihrem beschaulichen Leben auf dem Land mitten in die Stadt nach San Francisco gezogen. Alles muss sie neu lernen, neu erleben — dazu kommt noch das große Chaos in Riley Kopf, wo sich gerade alles zu verändern scheint und alte Gefühlswelten aufbrechen und untergehen. Mittendrin stecken Freude und Trauer, die durch ein blödes Versehen aus der Zentrale geflogen sind und jetzt alles versuchen, um wieder zurückzukommen. Und wie schräg jemand drauf ist, dessen Kopf kurzzeitig von Wut, Ekel und Angst gesteuert wird, kann sich wohl jeder vorstellen.

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Hört sich erst mal niedlich an. Und ganz witzig. Aber als ich den Film gesehen habe, hätte ich meiner vorherigen Meinung am liebsten ein paar Backpfeifen gegeben. „Alles steht Kopf“ geht so tief und so nah, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. In diesem Film werden die ganz großen Themen verhandelt: Familie, Glück, Liebe. Jeder war mal Kind, jeder war mal klein und jeder findet in diesem Film Situationen, die man selbst so oder so ähnlich schon erlebt oder gespürt hat. Und endlich wird einem ein großes Ganzes erzählt, man versteht, wie all die Verwirrung, all der Frust und Ärger zustande gekommen ist.

Und es darf hemmungslos geweint werden, denn in seinen allerstärksten Momenten erklärt einem der Film auch Trauer. Oder besser: Traurigkeit. Zeigt einem, wie sich auch die schönsten Erinnerungen in reinste Jammerspielen verwandeln können und dass das gar nichts Schlimmes ist, sondern zur Gefühlswelt dazu gehört. So ernst wurden Kinder in einem Film noch nie genommen und Erwachsene sowieso nicht.

Man sollte diesen Film mit allen Menschen gucken, die einem etwas bedeuten.

Meine Lieblingsszene in „Toy Story 3“ ist die in der Müllverbrennungsanlage. In ihr spiegeln sich alle Dramen menschlichen Lebens, nicht nur durch die Augen der Spielzeuge, sondern auch durch die Augen der Menschen, die die Spielzeuge sehen. Alles an dieser Sequenz ist existenziell. Leben und Vergänglichkeit gleichberechtigt nebeneinander. Ich konnte damals nicht glauben, dass man Kindern so viel Philosophie zumuten kann.

Mit „Alles steht Kopf“ haben die Visionäre bei Pixar bewiesen, dass man darüber sogar einen ganzen Film machen kann. Man sollte diesen Film mit allen Menschen gucken, die einem etwas bedeuten. Vielleicht versteht man sich danach noch besser als vorher. Aber Achtung: Taschentücher einpacken. Ich hab schon wieder einen Kloß im Hals, wenn ich nur davon schreibe.

In der letzten Woche hat Nilz Bokelberg seine Liebe zu den Muppets gestanden und erklärt, warum die neue Staffel der Jim-Henson-Puppen groß werden könnte. 

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