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Digital ist besser / Pure Tracking-Vernunft darf niemals siegen!

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist hört gern auf den guten Rat von anderen. Von dem kleinen Computer an seinem Handgelenk will er sich aber auf gar keinen Fall Vorschriften machen lassen. Das wäre ja absurd.

Die Smartwatch an meinem Arm bringt mich mehrfach am Tag zum Lachen. Jedes Mal nämlich, wenn ich vom Schreibtisch aufstehe, um mich in die Büroküche zu begeben, mir einen neuen schwarzen Kaffee zu ziehen und eine Zigarette anzuzünden, beglückwünscht mich die Fitnessfunktion mit einem leichtem Klopfen und einer Gratulation auf dem Display. Ich sei meinem „Steh- und Bewegungsziel“ wieder ein Stück näher gekommen. Selten zuvor habe ich mich so gesund gefühlt beim Konsum von Koffein und Nikotin.

Sobald ich diese Meldungen nicht mehr so spaßig finde, werde ich sie wie alle anderen Fitness-Kontrollfunktionen der Uhr abschalten. Denn ich habe kein „Steh- und Bewegungsziel“, und schon gar nicht lasse ich mir von einem Computer an meinem Handgelenk erklären, wann ich mich wohl zu fühlen habe.

Die echten Bewegungen im Leben werden nicht von einer App gemessen.

Die freiwillige, konstante Vermessung des eigenen Ich ist neben der unfreiwilligen, durch Snowden bekannt gewordenen der erste digitale Trend, denn ich aktiv ablehne. Erstens, weil es mich einfach nicht interessiert, wie mein BMI ist (oder sagt man „was“?). Ich habe noch nie eine Körperwaage besessen und komme jedes Mal ins Schleudern, wenn ich in einem Formular meine genaue Größe und mein Gewicht eintragen muss. Zweitens, weil ich sie als weiteren Schritt zu einer auf Perfektion und das „bessere Leben“ getrimmten Gesellschaft betrachte. Alle sind fit, alle haben gerade Zähne, perfekte Brüste, stramme Bäuche. Alle sind vernünftig. Alle sind gleich. Und allein den Gedanken daran finde ich unfassbar langweilig und überhaupt nicht erstrebenswert.

Das Leben, davon bin ich überzeugt, begeistert nicht durch Gleichheiten, sondern durch Unterschiede. Das trifft auch viele gesellschaftliche Streitigkeiten zu, auch auf die zwischen Männern und Frauen und allen anderen: Nicht Gleichheit sollte dabei erreicht werden, sondern Gerechtigkeit. Und Zufriedenheit oder gar Glück bemisst sich nicht allein am körperlichen Fitnesslevel und der Menge an Schlaf, die man hat.

Dabei hat natürlich niemand etwas gegen einen guten Rat von Dritten, selbst ich nicht. „Zieh dich warm an“, „Fahr' vorsichtig“, „Pass auf dich auf“ – diese und andere Allerweltstipps sowie jede Menge Glück haben mich bisher relativ gut durchs Leben gebracht.

Sobald aber Computer mir vorschreiben wollen, wie ich richtig zu leben habe, wie viel ich zu wiegen habe, wie oft ich joggen oder Gewichte stemmen und Salat essen sollte, schalte ich ab. Algorithmen können zwar auch mal gute Ratschläge geben, sie können anhand von statistischen Erfahrungen und Datenauswertungen Wahrscheinlichkeiten bemessen, und kleine Computer motivieren uns vielleicht sogar manchmal dazu, unsere Körper in Gang zu setzen, wenn wir daran mal wieder nicht gedacht haben.

Zu sehr auf sie zu hören oder sich gar von ihnen Vorschriften machen zu lassen, wäre aber ein Fehler. Denn die echten Bewegungen im Leben werden nicht von einer App gemessen. Das wirklich bewegte und bewegende Leben lässt sich nicht in gestandenen Minuten oder gelaufenen Kilometern messen. Denn es findet dort statt, wo Algorithmen nichts mehr zu rechnen und auch nichts zu suchen haben.

Letzte Woche bei „Digital ist besser“: Warum Amazon Johnny Haeusler nur noch homoerotische Literatur empfiehlt 

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