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Digital ist besser / Leute bei Konferenzen blöd finden ist okay

von Johnny Haeusler
Johnny Haeusler ist nicht nur WIRED-Kolumnist, sondern auch einer der Gründer der re:publica. Eine Woche vor deren 2016er Ausgabe begibt er sich deswegen auf die Suche nach der Meinungsvielfalt auf Konferenzen.

„Wie du’s machst, machst du’s falsch!“ So lautet eine alte Weisheit, an die ich jedes Jahr aufs Neue denken muss, wenn mich Kritik am Programm der bevorstehenden re:publica erreicht. Es sind meist wenige, an den Fingern einer Hand abzählbare Beschwerden, ernst nehme ich sie dennoch. Wenn sich jemand die Mühe macht, sachliche Kritik zu üben, möchte ich mir auch die Mühe machen, darauf zu reagieren.

Das ist nicht immer leicht. Oft dreht es sich um Programmpunkte, in die ich mich erst einlesen muss, ich kenne nicht alle der mittlerweile 700 Sprecherinnen und Sprechern oder ihre Themen. Und weil das Vertrauen der Gründerinnen und Gründer in unser Programmteam sehr groß ist, verlasse ich mich blind auf die Entscheidungen dieses Teams und habe das noch nie bereut.

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Dennoch kann es auch ein so eingespieltes Team nicht jeder und jedem recht machen, denn es gibt ganz grundsätzliche Herausforderungen beim Kuratieren eines Konferenz-Programms. Lädt man nur diejenigen ein, die einer Meinung sind, steht der berechtigte Vorwurf im Raum, man betreibe „Preaching to the converted“, also des „Predigens vor den bereits Bekehrten“. Holt man sich hingegen Leute mit wirklich konträren Haltungen an Bord, ist man der Kritik ausgesetzt, man biete „den Falschen“ eine Bühne.

Mal ehrlich: Mich persönlich langweilt das Panel-Format

Wer aber „die Richtigen“ und „die Falschen“ sind, das empfindet jede und jeder anders. Die Lösung liegt daher oft in Panels, in Diskussionsrunden, bei denen Menschen mit verschiedenen Haltungen auf einer Bühne miteinander reden. Aber mal ehrlich: Mich persönlich langweilt dieses Panel-Format, weil es meistens nur an der Oberfläche kratzen kann und am Ende nur aus Kurz-Interviews der Moderatoren mit den Teilnehmern besteht.

Ich bevorzuge es mittlerweile, mir die etwas ausführlicher vorgetragene und begründete Haltung einer Sprecherin oder eines Sprechers zu einem Thema in Ruhe anzuhören und mich als Zuhörer gegebenenfalls in einer anschließenden offenen Gesprächsrunde einzumischen.

Oder eben nicht. Denn ich kann auch mal jemanden einfach nur blöd finden. Ich kann auch mal mit jemandem gar nicht diskutieren wollen.

Man muss meine Vorlieben bezüglich der Meinungsvielfalt auf einer Konferenz wie der re:publica natürlich nicht teilen, doch ich bin überzeugt davon, dass wir noch viel mehr konträre Haltungen und Meinungen brauchen, auch wenn das manchmal schmerzt. Alles andere ist nämlich langweilig. Ich kenne schließlich die Argumente derjenigen, die meiner Meinung sind, sehr gut – es sind ja auch die meinen.

Wo Denken stattfindet, wird es spannend

Aber wie verteidigen die „Anderen“ ihre Haltung, wie argumentieren die, die völlig anders drauf sind als ich? Die einen völlig anderen Lebensentwurf haben, andere Erfahrungen gemacht haben, eine andere Sozialisierung durchlaufen haben? An diesen Stellen wird es doch erst spannend, an diesen Stellen findet Denken statt, an diesen Stellen können wir unsere eigenen Haltungen auf den Prüfstand stellen und herausfinden, ob wir uns diese einfach nur angewöhnt haben, oder ob sie auch gegen sachliche Argumentation der „Gegenseite“ standhalten.

Es gibt Grenzen bei dieser Herangehensweise, niemand im re:publica-Team möchte etwa Rassisten oder Rechtsextremisten eine Bühne geben. Denn dabei würde es nicht um Meinungen und Argumente, sondern um menschenfeindliche Ideologien gehen. Generell andere Haltungen zu den Themen, um die es sich bei einer Konferenz wie der re:publica dreht, wollen wir aber weiterhin abbilden, und so erhalten manchmal auch Menschen eine Bühne, deren Meinung wir nicht unbedingt teilen, die wir aber für erwachsen genug halten, diese auch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutieren zu können. Damit es nicht langweilig wird.

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