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Binaural Bits / So klingt Europa!

von Miriam Sandabad
In Zeiten des innereuropäischen Umbruchs beweist zumindest die Audiowelt, dass es sich lohnt, mal über den eigenen Tellerrand beziehungseise die Landesgrenze zu schauen — und vor allem zu hören: Das Projekt „Europeana Sounds“ will 130 Jahre europäische Kulturgeschichte hörbar machen — sehr zur Freude unserer Autorin.

Mir scheint, in diesem Jahr wird die sonst so hochgelobte europäische Freundschaft besonders strapaziert: Die Finanzkrise in Griechenland, ein ständiges Geraune um einen britischen EU-Austritt und nicht zuletzt die Uneinigkeit darüber, wie mit den Flüchtlingen, die nach Europa kommen, umgegangen werden soll. All das klingt überhaupt nicht nach der ursprünglichen, friedlichen Idee, die uns nachbarschaftliche Kulturen doch eigentlich näherbringen sollte.

Ich bin keine große Politikexpertin, aber eins habe ich gelernt: Wenn man die Menschen verstehen möchte, dann muss man ihnen zuhören. Übers Ohr funktioniert so einiges an Verständnis und Verständigung. Learning by hearing sozusagen — und genau das hat sich das Projekt „Europeana Sounds“ auf die Fahnen geschrieben.

Dieses Sound-Archiv wurde von der British Library ins Leben gerufen und will sich innerhalb von drei Jahren zum akustischen Erbe der europäischen Kulturgeschichte mausern. Gestartet ist es im vergangenen Jahr, die Zielgerade ist für Januar 2017 angepeilt — jetzt ist also ein idealer Zeitpunkt, um mal zu schauen: Wie klingt es denn, unser altes und neues Europa?

Das akustische Erbe der europäischen Kulturgeschichte

Klickt man sich durch das schon jetzt sehr umfangreiche Archiv der „Europeana Sounds“, wird ziemlich schnell klar: Europa lässt es krachen. Das Projekt sammelt auf seiner Website alle erdenklichen Sounds, die Portugal, Irland, Litauen oder Österreich ihren typischen Klang geben. Von Musik und Spoken Word-Aufnahmen über Natur- und Tiergeräusche bis zu Radiobeiträgen und Audio-verwandtem Material wie Kompositionen, Interview-Transkripte und Videobeschreibungen: Alles, was sich auch nur irgendwie in die sehr weit offen stehende Schublade Audio reinlegen lässt, findet hier seinen Platz.

Die musikalische Bandbreite deckt von traditioneller Volksmusik bis hin zum ersten Pop aus dem zwanzigsten Jahrhundert ein großes Feld ab, und es wird deutlich: Musik erzählt Geschichten, macht Gefühle lebendig und ist ein Storytelling-Mittel im ursprünglichsten Sinne. So etwa ein litauisches Volkslied, aufgenommen 1957, in dem eine Frau von ihrer Fahrt übers Meer singt.

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Aufnahmen von Möwengeschrei an der englischen Südküste sind genauso gelistet wie Audiozeugnisse der neuzeitlichen Industrie mitten in Europa: Wir können altes Telefonklingeln aus einem slowenischen Museum hören oder wie die berühmten Brüsseler Spitzen hergestellt werden. „Europeana Sounds“ schickt seine Besucher auf eine Zeitreise quer durch Europa, zu dem Hauptmann von Köpenick Wilhelm Voigt nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis oder zu einer Mutter, die mit einem alten griechischem Brauch einen Mann für ihre Tochter finden will.

Und natürlich findet man beim Stöbern durchs Soundarchiv auch weltpolitisch wichtige Audioaufnahmen, bei denen einem schon mal ein Schauer über den Rücken läuft — wie etwa die Verkündung im dänischen Radio über das Ende der deutschen Besetzung nach dem zweiten Weltkrieg.

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Aus einem Dutzend der europäischen Mitgliedsstaaten haben sich 24 Kultur- und Forschungsinstitutionen zusammengeschlossen, um noch gut eineinhalb Jahre lang Sounds aus allen Winkeln des Kontinents zu sammeln. Und das Beste ist: Wir alle können kostenlos darauf zugreifen und mit seinem starken digitalen Anspruch alles andere als rückwärts gewandt. Wenn Europa also eine gemeinsame Audio-Zukunft hat, dann zeigt Europeana Sounds schon mal ganz gut, wo sie zu finden ist: im Netz.

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