Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Wie ein Startup das perfekte Smartphone für Gamer bauen will

von David Pierce
Nokias N-Gage und Sonys Xperia Play haben eins gemeinsam: Die Smartphones wurden für eine Zielgruppe entwickelt, die sich am Ende kaum dafür interessierte – Gamer. Ein Startup will es besser machen und lässt die Spieler mitentwickeln. 

Als Wonder-CEO Andy Kleinman den berühmten Industriedesigner Yves Béhar anrief und ihn fragte, ob er ihn unterstützen würde, warnte Béhar ihn: „Dir ist nicht bewusst, wie schwierig es ist, dieses Zeug zu machen.“ Kleinman blieb dabei. Immerhin ist er ein erfahrener Software-Experte, der bei Firmen wie Zynga und Disney gearbeitet hatte. Und er hatte eine Idee: Er wollte ein Smartphone nur für Gamer bauen. 

Kleinman, ein Argentinier mit welligem Haar, kennt seine Zielgruppe. Die Leute prüfen die aktuelle Game-of-Thrones-Folge auf Herz und Nieren, analysieren jede einzelne Szene und suchen nach Hacks in dem Computerspiel PlayerUnknown's Battlegrounds (PUBG). Sie lieben Musik und Filme, sind besessen von ihren Lieblingsathleten sowie YouTubern und zocken überall und immer.

Kleinman entwickelt seit über zehn Jahren Produkte für sie. Mehr noch: Er ist einer von ihnen. Und er ist überzeugt davon, dass es zumindest noch ein paar mehr Menschen gibt, die so ticken wie er selbst – die, wie er es nennt, gelangweilt sind vom „Ozean der Gleichheit“, von iPhones und Galaxys, die allesamt die gleichen Funktionen haben und so miteinander und ineinander verschwimmen. Andy Rubin hat diese Zielgruppe erkannt und entwickelt eine Art Anti-iPhone für die Kids. Für die Geeks will Kleinman Wonder bauen

Bisher hat die Firma 14 Millionen US-Dollar von Investoren sammeln können. Einige der Geldgeber sind die üblichen Silicon-Valley-Investoren wie etwa Greycroft Partners und TCL, aber bei Kleinman finden sich auch Unterstützer wie Shakira, Kevin Spacey und Neymar sowie Atari-Erfinder Nolan Bushnell oder der ehemalige Sega-CEO Hayao Nakayama. Wonder braucht Fans und Follower – und genau das bringen die Unterstützer mit.  

„Die größte Herausforderung für Wonder ist es, eine Marke aufzubauen, die bei der Gamer-Community als eine anerkannt wird, die ihre Sprache spricht“, sagt Emmanuel Seuge, ein erfahrener Marketing-Experte und Investor von Wonder. „Wenn du das richtig machst, dann werden sie dich mit offenen Armen empfangen und das Produkt sowie die Marke sogar noch verbessern.“ Es sei aber eine Gratwanderung: Gamer können Marken gegenüber zwar freundlich gesonnen sein, wenn sie glauben, dass die Firmen dahinter die Community fördern. Sie reagieren aber empfindlich, wenn sie merken, dass man ihre Gutmütigkeit ausnutzen will.  

Lange bevor die Firma Wonder ihr erstes Produkt angeboten oder überhaupt an die Öffentlichkeit gegangen ist – was erst jetzt richtig passiert – veröffentlichte das Startup eine Anmeldung für ein mysteriöses Alphaprogramm. Tausende registrierten sich. Die ersten Teilnehmer finden sich nun in den Foren wieder, wo sie sich über TV und Gaming sowie all die anderen Dinge unterhalten, die sie interessieren. Außerdem wollen sie mehr über das Unternehmen und das Produkt herausfinden. Kleinman hat sich diesen Trick bei Elon Musk abgeschaut. Musk hatte lange, bevor überhaupt jemand einen Tesla besaß, Foren für Tesla-Besitzer eröffnet. „Es geht darum, dass man die Community einbindet“, sagt Kleinman. „Erst dann können wir ihren Mitgliedern etwas geben, das sie wollen, und gleichzeitig erhalten wir Feedback. So können wir das Produkt über die kommenden Jahre besser machen.“ 

Letztlich ist die Vision, die Kleinman für Wonder hat, aber viel größer, als nur ein neues Smartphone für Gamer zu bauen. Sein Ziel ist es, eine mächtige neue Tech-Marke aufzubauen, die sich auf eine Nutzergruppe spezialisiert. Kleinman denkt dabei schon an Hardware für Virtual- sowie Augmented-Reality, Tablets, Wearables, einfach alles. Aber als erstes muss dieses Telefon funktionieren.  

Ein Telefon für Gamer ist zwar schon oft gebaut worden, doch bisher sind alle Modelle gescheitert. Sonys Xperia Play wurde mit offenen Armen empfangen, floppte aber. Ähnlich erging es Nokias N-Gage. Kleinman sagt, er habe mit Leuten gesprochen, die an dem Xbox-Phone bei Microsoft oder dem Playstation-Phone bei Sony gearbeitet haben. Kleinman hat das Gefühl, die Leute bedauerten es, dass diese Geräte zu Mainstream-Flops wurden.

Erst vor kurzem hatte PGS eine Kickstarterkampagne für eine portable Spielekonsole gestartet, die zugeklappt als Smartphone funktioniert. Auch wenn das Projekt einiges an Geldern einnehmen konnte, musste PGS relativ schnell einsehen, dass sie nie das Gerät bauen können, das sie versprochen hatten. 

Wenn Kleinman und sein Team Erfolg haben wollen, müssen sie daraus lernen. Eine Lektion: Man kann kein Telefon bauen, das wie ein Spielzeug aussieht: „Wir wollen etwas, das seinen Fokus auf Gaming und Entertainment hat, aber es kann nun mal kein Game Boy sein“, sagt Kleinman. „Man muss das Telefon ja auch mit in die Arbeit nehmen können.“ 

Statt alles in einem Gerät zu verbauen, denkt Wonder eher wie Nintendo. Das Telefon wird zum Zentrum eines Ökosystems aus verschiedenen Zubehörgeräten. So kann man etwa auch auf dem Fernseher mit Hilfe eines Controllers spielen und noch einiges mehr. Oder man trennt alle Geräte und hat dann eben ein Telefon, das auch wie ein Telefon aussieht – nur größer, übertaktet und mit mehr blinkenden Lichtern. 

Die größte Herausforderung für Wonder wird nicht die Hardware sein. All die anderen Telefon-Konsolen-Hybridgeräte scheiterten nicht wegen des Designs, sondern weil es keine Spiele für sie gab. Mobile Spiele werden für Touchscreens und nicht für Controller entwickelt; Controller-basierte Spiele werden für Konsolen wie etwa die Playstation 4 entwickelt, nicht für Telefone. Kleinman versichert, dass sie kein Spieleentwickler werden wollen, aber mit anderen Studios zusammenarbeiten würden, um Spiele für Wonder-Geräte zu entwickeln.

Das Startup will Entwicklern dabei helfen, ihre Spiele zu Geld zu machen. Ermutig wird es von der Tatsache, dass Breath of the Wild für die Nintendo Switch aktuell eines der beliebtesten Spiele ist und auf einem mobilen Prozessor läuft. Die Zeit könnte also tatsächlich reif sein für solch eine Konsole wie Wonder sie bauen will. 

Wonder plant ein Paket für etwa 85 Euro (100 US-Dollar) im Monat anzubieten. Darin soll der Nutzer Hardware, Games, Musik, Spiele, TV und sogar Mobilfunkangebote finden. Details gibt es noch keine, aber Kleinman möchte gewährleisten, dass alle Wonder-Nutzer Zugriff auf die gleichen Sachen haben und gemeinsam spielen können. 

Eine Erfolgsgeschichte wäre toll. Denn die Geschichte wäre eine über eine Gemeinschaft, über Gleichgesinnte, die sich gefunden haben und über die Macht, die aus so einer Vereinigung entsteht. Natürlich wäre es auch eine Geschichte darüber, wie ein Startup sein Smartphone erfolgreich zum Mittelpunkt eines Spieler-Ökosystems macht, so wie es schon andere Firmen davor versucht hatten, die aber allesamt scheiterten. Aber Wonder hatte noch keinen Erfolg. Mehr noch, es hat sein Produkt noch nicht einmal fertig entworfen.  

Ein Jahr nach ihrem ersten Telefongespräch, an einem sonnigen Sommernachmittag in San Francisco, sitzen Béhar and Kleinman an einem langen Tisch in dem Büro von Béhars Designfirma Fuseproject und prüfen Prototypen aus Polykarbonat. Béhar greift nach einem Modell, hält es waagerecht in die Höhe. „Letztlich wurde diese Form mehr und mehr vintage, glaube ich.“ Das Gehäuse ist oben und unten leicht angewinkelt – trapezförmig. „Interessante Idee“, sagt Béhar. „Hat aber nicht wirklich funktioniert.“ Ein anderer Prototyp sieht aus wie die PSP von Sony. Und wieder ein anderer Prototyp erinnert an einen gigantischen iPod.

Mit jedem Prototyp versuchen Béhar und Kleinman die richtige Balance zwischen Telefon und Konsole zu finden. Sie haben es mit Geräten ohne Umrandung oder Blende versucht. Dann wurde ihnen aber klar, dass Gamer ihre Daumen irgendwo ablegen müssen, ohne dass sie das Display verdecken. „Wir erforschen ständig neue Ideen und Veränderungen“, sagt Kleinman etwas resigniert und erzählt von einem Meeting in China, in dem sie drei Stunden lang über 0,2 Millimeter an einem Telefon diskutiert hätten.

Wonder will sein Telefon bereits 2018 auf den Markt bringen. Kleinman und sein Team entwickeln letzte Designs, testen erste Prototypen und sitzen an den letzten Software-Designs für ihren sogenannten Wonder-Modus. Dieser soll das Gerät von einem normalen Smartphone in ein kleines übertaktetes Gaming- und Entertainment-Kraftpaket verwandeln.

Und wenn diese Phase überstanden ist, kann Kleinman endlich das tun, worauf er seit zwei Jahren ungeduldig wartet: Er kann Spielern ein Telefon in die Hand geben und sie fragen, was er daran noch verbessern soll. Und was Kleinman über Gamer weiß: Sie haben viele Ideen.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com

GQ Empfiehlt
E-Sports wird zum Gaming-Spektakel für die Massen

E-Sports wird zum Gaming-Spektakel für die Massen

von Dominik Schönleben