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„Der Hyperloop wird den Wert von Zeit verändern“

von Dominik Schönleben
Passagierkapseln rasen fast mit Schallgeschwindigkeit durch eine Vakuumröhre und lassen Entfernungen zwischen Metropolen zusammenschrumpfen: Hyperloop One ist eines von zwei Startups, das diesen Traum von Tesla-Gründer Elon Musk wahr machen will. WIRED traf CEO Rob Lloyd und Chefingenieur Josh Giegel zum Interview.

Rob Lloyd und Josh Giegel wirken hier fehl am Platz. Ein Nachmittag im September, in Berlin trifft sich die internationale Transportbranche zur InnoTrans-Messe. In Halle 3 geht es um Züge, überall stehen Loks und Waggons, Hersteller preisen ihre Achsensysteme an. Die beiden Amerikaner aber wollen etwas bauen, das so gar nichts zu tun hat mit dieser alten Welt der Eisenbahn. Lloyd und Giegel sind CEO und Chefingenieur von Hyperloop One, einem von zwei Startups, die eine Vision von Elon Musk verwirklichen wollen: Der Tesla-Gründer erdachte 2013 einen Superzug, dessen Kapseln beinahe mit Schallgeschwindigkeit durch eine Röhre sausen, aus der jegliche Luft gepumpt wurde. Goodbye, Bummelbahn. Hello, Hyperloop.

Seitdem liefern sich die Unternehmen hinter der Bahn der Zukunft einen Wettstreit mit harten Bandagen. Der Rivale HTT sprach zuletzt gegenüber WIRED mehr als schlecht über Hyperloop One. Von „kopieren“ und einem „Stunt auf einer Schiene“ war die Rede. Lloyd und Giegel hätten darauf so einiges zu erwidern, aber nichts, was sie in diesem Interview lesen wollen. Stattdessen erklären sie, wie der Hyperloop unsere Definition von Arbeit, Entfernung und Zeit verändern wird, welche technischen und politischen Hürden er dafür überwinden muss – und wie es ist, den eigenen Ruhm immer mit Elon Musk teilen zu müssen.

WIRED: Mr. Loyd, der Gründer von Hyperloop One, Shervin Pishevar, soll Sie mit einer SMS rekrutiert haben: „Komm und verändere die Welt mit mir.“ Hat er sein Versprechen gehalten?
Rob Lloyd: Die Geschichte geht in Wahrheit anders: Ich habe ihm eine Nachricht geschickt, mit Bildern von vorgekochten Mahlzeiten. Meine Frau hatte sie bei Munchary bestellt, ein Unternehmen, in das er investiert hat. Ich habe ihm so zu verstehen gegeben, dass ich auch gerne investieren würde. Dann schrieb er: „Ich habe da was für dich. Komm und verändere die Welt mit mir. Morgen früh, 11 Uhr, mein Büro, Vorstandstreffen. Du musst dabei sein.“ Nun bin ich ziemlich genau ein Jahr bei Hyperloop One und es hat meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Ich konnte damals gar nicht abschätzen, wie groß Hyperloop werden würde.

WIRED: Aber wie wird der Hyperloop denn nun die Welt verändern?
Lloyd: Unser Unternehmen fußt auf zwei Ideen. Erstens, dass wir die Logistik und den Warentransport verändern. Und zweitens, dass wir den Personenverkehr verändern. Als wir vor einem Jahr angefangen haben, fragten uns viele Leute: „Wie gut seid ihr im Vergleich zu Hochgeschwindigkeitszügen? Was kostet das? Wie schnell seid ihr?“ Heute reden wir über etwas ganz Anderes.
Giegel: Zeit!
Lloyd: Genau. Wenn du den Wert von Zeit veränderst, kannst du den kompletten Arbeitsmarkt umkrempeln. Und das haben wir vor. Wir verändern die Jobmöglichkeiten der Menschen. Wir verändern die Definition von Städten. Es ist begrenzte Zeit, die uns davon abhält, dort zu leben, zu arbeiten, Beziehungen und Freunde zu haben, wo wir wollen.

Fracht werden wir ab 2020 transportieren, Menschen ab 2021

Josh Giegel, Chefingenieur von Hyperloop One

WIRED: Dann lassen Sie uns über Zeit sprechen. Wann und wo wird es den ersten voll funktionsfähigen Hyperloop zu sehen geben?
Giegel: In der Wüste von Nevada, jetzt ist es September, also in vier bis fünf Monaten.

WIRED: Das wird aber nur ein Testlauf sein. Wann werden Sie zum ersten Mal Menschen zur Arbeit transportieren oder Waren von A nach B?
Giegel: Wir fangen im Laufe der kommenden Jahre an zu bauen. Fracht werden wir ab 2020 transportieren, Menschen ab 2021.

WIRED: Und wo wird das zum ersten Mal passieren?
Giegel: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. In Skandinavien denken wir zum Beispiel über eine Verbindung zwischen Helsinki und Stockholm nach. Und gerade ist ein Team von uns in Dubai, wo wir sogar an zwei Projekten arbeiten: eine Studie für DP World (Anm. d. Red.: ein internationaler Hafenbetreiber) und den Hafen von Jebel Ali, da geht es um Warentransport, und das Future-Accelerator-Programm, das sich um Personenbeförderung dreht.

WIRED: Fracht ist also Ihr zweiter Hauptfokus neben dem Personenverkehr?
Lloyd: Wir denken vor allem an den gleichzeitigen Transport von Menschen und Waren. Damit lässt sich auf bestimmten Strecken einfach am meisten einnehmen. Zwischen Dubai und Abu Dhabi wäre der Hyperloop morgens und nachmittags zum Beispiel völlig ausgelastet, weil so viele Leute zur Arbeit und zurück fahren. Aber zu anderen Zeiten, am späten Vormittag oder Abend, könnte man sehr leicht auch kleinere Frachtstücke mitnehmen.
Giegel: Und in Jebel Ali bauen sie einen Hafen im Meer, es wird neues Land aufgeschüttet. Je schneller die Container von diesem begrenzten Platz wegkommen, desto mehr Schiffe können in einer bestimmten Zeit anlegen. Dabei soll der Hyperloop helfen.
Lloyd: Das ist für viele Hafenstädte interessant, in denen massenweise Stahlkisten auf Flächen direkt am Wasser stehen, die andernfalls der begehrteste Grund der ganzen Stadt wäre. In den Häfen von Los Angeles und Long Beach stehen die Container zum Beispiel auf potenziellem Bauland, das Milliarden wert ist. Was, wenn wir den Städten dieses Land zurückgeben, indem wir einen „trockenen Hafen“ in der Wüste bauen, ein Containerdepot, zu dem der Hyperloop fährt?

WIRED: Was ist schwieriger, Waren- oder Personentransport?
Giegel: Beim Warentransport sind die unterschiedlichen Frachtgrößen ein Problem. Für die Container in Dubai bräuchte man Hyperloop-Kapseln mit 3,8 Metern Durchmesser, viel mehr Platz, als man für Passagiere bräuchte. Beim Personenverkehr gibt es wiederum die Regulierung.
Lloyd: Viele Behörden, zum Beispiel das California Department of Transportation, hätten gern, dass wir zuerst ein Frachtsystem testen.

Wir versuchen etwas zu bauen, das 30, 40, 50 oder vielleicht sogar 60 Jahre lang funktioniert

Josh Giegel, Chefingenieur von Hyperloop One

WIRED: Weil man damit keine Menschenleben aufs Spiel setzt.
Lloyd: So sehen wir das ja auch. Wir glauben, dass die Regulierungsbehörden beim Warentransport sehr viel kooperativer sein werden und uns das später auch bei der Zertifizierung für den Personenverkehr helfen wird.

WIRED: Was sind die technischen Fallstricke auf dem Weg dahin?
Giegel: Am Schwierigsten ist es, die Kosten zu drücken. Das versuchen wir durch ständige Innovation und Produktentwicklung an unseren Teststandorten in Nevada und Los Angeles. Ein anderes Problem ist die Haltbarkeit. Du hast zwei Möglichkeiten: Du kannst etwas sehr Teures entwickeln, das mindestens 30 Jahre hält. Oder du entwickelst etwas Billigeres, das dann aber auch schon nach zehn Jahren kaputtgeht. Der Hyperloop gehört eher in die erste Kategorie. Wir versuchen, etwas zu bauen, das 30, 40, 50 oder vielleicht sogar 60 Jahre lang funktioniert.

WIRED: Man liest immer wieder, wegen der hohen Geschwindigkeiten müsse der Hyperloop besonders flach und gerade verlaufen, ohne zu starke Steigungen oder Kurven. Ist das nicht ein Problem bei der Streckenfindung?
Giegel: Im Original-Whitepaper von Elon Musk hatte der Hyperloop noch Luftkissen mit gerade einmal einem Millimeter Spielraum. Das machte ihn nicht besonders lenkbar. Deswegen setzen wir stattdessen auf eine passive Magnetschwebetechnik. Das bedeutet, man hat Magnete unter den Kapseln und elektrisch leitfähige Schienen aus Aluminium oder Kupfer darunter. Dadurch bekommen wir Abstände von zwei bis vier Zentimetern.
Lloyd: Und damit bekommen wir mehr Neigung hin als alle anderen und damit auch engere Kurven.
Giegel: Normale Züge schaffen etwa zehn bis 15 Grad, bei uns können es leicht bis zu 30 werden. Es ist ein bisschen wie in einem Flugzeug, das eine Kurve fliegt.
Lloyd: Und wir verbrauchen signifikant weniger Land. Bisherige Bahnstrecken brauchen einen Streifen von etwa 70 Meter Breite – Sicherheitsabstand, damit die Leute keine Stühle auf die Gleise werfen können oder so. Wir brauchen hingegen nur 15 Meter. Und auf diesem Platz können wir engere Kurven fahren und stärkere Steigungen überwinden: 30 Grad…
Giegel: …statt nur fünf wie bei konventionellen Bahnstrecken.

WIRED: Warum wurde der Traum eines Hyperloops von San Francisco nach Los Angeles aufgegeben?
Giegel: „Aufgegeben“ ist nicht das richtige Wort. Sagen wir, er steht auf der Liste mittlerweile wesentlich weiter unten.
Lloyd: Kalifornien ist eines der schwierigsten regulatorischen Umfelder der Welt, man muss dort viele Hürden überwinden. Wir versuchen, die zwei oder drei Hyperloop-Strecken auf der Welt zu finden, die am schnellsten gebaut werden können. Wir fragen uns: Wo kommen uns Regierungen entgegen? Das ist derzeit in Dubai oder auch Finnland der Fall. Man kann den Hyperloop nicht mit Bahn-Bestimmungen regulieren. Man braucht neue Gesetze, wie sie gerade etwa für selbstfahrende Autos geschrieben werden. Deswegen schauen wir nach Städten, die sich auch dem autonomen Fahren gegenüber offen zeigen und in denen der Hyperloop ein echter Mehrwert wäre. Wir wollen kein Fahrgeschäft für den Jahrmarkt bauen, sondern etwas, dass für den Transport von Menschen und Fracht wirklich Sinn ergibt.

Die Technologie hat sich verändert, aber die Gesetze haben sich nie wirklich angepasst

Rob Lloyd, CEO von Hyperloop One

WIRED: Was wäre ein Beispiel für eine Bestimmung, die den Hyperloop unmöglich machen würde?
Lloyd: Es gibt ein Gesetz, laut dem es in der Lok ein Seil geben muss, dass der Lokführer ziehen kann, um die Hupe zu betätigen. Oder eines, das Fußpedale für die Bremsen vorschreibt. Es ist eine 200 Jahre alte Industrie, deren Regeln vor 70 oder 80 Jahren geschrieben wurden. Die Technologie hat sich verändert, aber die Gesetze haben sich all der neuen Elektronik nie wirklich angepasst. Unser System wird autonom und vollständig sensorbetrieben sein, mit automatischem Abstandhalten zwischen den Kapseln, wie man es heute schon von selbstfahrenden Lkw-Kolonnen kennt.

WIRED: Also wird es keinen Lokführer geben, der an irgendeinem Seil ziehen könnte.
Giegel: Nein, Menschen reagieren viel zu langsam, unsere Kapseln werden bis zu 1100 km/h schnell. Sie kennen den Transrapid? Der hat bereits ein System eingebaut, das sich selbst bis zu 1000 Mal in der Sekunde nachjustiert. Das schafft kein Mensch, ohne digitale Systeme geht es nicht.

WIRED: Sie sind nicht das einzige Unternehmen, das den Hyperloop bauen will. Man liest immer wieder, dass das Verhältnis zu Ihrem Konkurrenten HTT nicht gerade gut ist.
Lloyd: Dazu wollen wir nichts sagen.

WIRED: Schade... dann anders: Die ursprüngliche Idee für den Hyperloop stammt von Elon Musk. Bis heute fällt sein Name jedes Mal, wenn darüber gesprochen wird. Stört es Sie, diejenigen zu sein, die das Ding wirklich bauen, aber den Ruhm immer teilen zu müssen?
Giegel: Nein, denn ich glaube, wir arbeiten alle an etwas, das die Welt wirklich braucht. Und schauen Sie sich Elon Musks Lebenslauf an, der spricht ja wohl für sich. Es kann gar nicht schlecht sein, mit ihm in Verbindung gebracht zu werden. Ich hoffe bloß, dass wir den hohen Ansprüchen gerecht werden können, die er an seine eigenen Firmen stellt.

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