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Wer steckt wirklich hinter Kodak-ICO und KodakCoin?

von Michel Penke
Seit Kurzem wirbt der Kodak-Konzern für eine Foto-Blockchain samt Kodak-ICO und KodakCoin. Tatsächlich steckt hinter dem Projekt jemand anderes.

Die Schwebwespe hat in den Millionen Jahren ihrer Evolution einen Überlebenstrick entwickelt: Sie tarnt sich als echte, gefährliche Wespe. Ihr Hinterleib ist schwarzgelb gemustert, ihre Körperform erinnert an den gedrungenen, stachelbewehrten Leib des giftigen Insekts. Doch die Schwebwespe ist harmlos, kein Stachel, kein Gift. Mimikry nennen Biologen den Trick, sich als jemand anderes zu tarnen, um von dessen Image zu profitieren.

Ziemlich genau so verhält es sich auch beim Kodak-ICO: Vor wenigen Tagen kündigte der traditionsreiche, gelbrote Fotokonzern Kodak an, einen ICO abzuhalten und eine Kryptowährung auszugeben. Ein Kodakcoin sollte entstehen. Die BBC, New York Times und CNN berichtete, die Börse hyperventilierte. Der Kodak-Aktienkurs verdreifachte sich und rangiert auch heute noch auf dem hohen Niveau. Das Unternehmen ist heute drei Mal so viel wert, wie noch ein paar Wochen zuvor.

Das Problem: Der KodakCoin ist eine Schwebwespe. ICO und Kryptocoin erwecken den Eindruck, als würden sie zum Kodak-Konzern gehören. Als würde Kodak selbst eine Blockchain aufbauen und das Geschäft leiten. Doch der multinationale Kodak-Konzern hat weder mit dem ICO noch der entstehenden Kryptowährung etwas zu tun. Tatsächlich steckt hinter der Token-Ausgabe ein kleines Berliner Startup: die Ryde GmbH.

Kodak plant eine eigene Kryptowährung

Kodak plant eine eigene Kryptowährung

von WIRED Staff

Bisher bestand deren Geschäftsmodell darin, im Netz unrechtmäßig genutzte Bilder ausfindig zu machen und nachträglich Lizenzgebühren zu verlangen. Dieses Prinzip will das Startup nun mit der unter Börsianern gefeierten Blockchain-Technologie weiterentwickeln. Fotografen, Medien und Publisher sollen künftig Bilder – und später vielleicht auch Videos – über eine Blockchain handeln können. Alles soll transparent, schnell und billig werden. Bezahlt wird mit einer Kryptowährung. Doch das Modell ist nicht neu. Das ebenfalls in Berlin beheimatete Startup BigchainDB startete bereits 2014 mit der gleichen Idee eine Blockchain – und scheiterte. Mittlerweile hat das Startup sein Geschäftsmodell geändert und baut eine Blockchain für Software auf.

Die Ryde GmbH versucht sich hingegen erneut an dem Foto-Blockchain-Geschäftsmodell. Doch um im Jahr 2018 unter den aberhunderten ICOs noch hervorzustechen, muss man mehr bieten, als aufgewärmte, schon mal gescheiterte Geschäftsmodelle. Um Millionen mit einem ICO einzunehmen und genügend Fotografen und Bild-Verwerter für das Projekt zu interessieren, brauchte das Ryde-Startup deswegen vor allem eins: Aufmerksamkeit. Und hier kommt der Kodak-Konzern ins Spiel. Der gilt als das Unternehmen, das wie kaum ein anderes die Digitalisierung verschlafen hat. 2012 musste das ehemalige Analogfotografie-Unternehmen Insolvenz anmelden. Heute besteht das Geschäftsmodell der Eastman Kodak Company darin, die Rechte an der alten, traditionsreichen und bekannten Kodak-Marke zu verkaufen. Kodak bot dem Berliner Startup also genau das, was es brauchte: ein bekannter Markenname, Reichweite, Aufmerksamkeit. Internationale Medien sprangen auf die Pressemitteilung auf, die Kodak und eine Agentur namens Wenn Digital verschickten: Der von der Digitalisierung überrollte Konzern wagte sich an die heißeste Technologie auf dem Markt. Blockchain und Kodak – eine gute Geschichte.

Kodak verkauft seinen Namen. Mehr nicht.

Tatsächlich handelt es sich aber nur um einen Lizenz-Deal zwischen Kodak und Wenn Digital, der Muttergesellschaft des Berliner Startups Ryde. Kodak verkauft seinen Namen, viel mehr nicht. Wie viel Geld geflossen ist, wollen die Beteiligten nicht sagen. An der Blockchain-Entwicklung ist Kodak aber nicht beteiligt, man arbeite aber trotzdem „sehr eng zusammen“, so Ryde-CEO Jan Denecke. Tatsächlich hält Kodak nach Aussage von Denecke nur einen „kleinen Equidity-Anteil“ an der Wenn-Digital-Firma. Selbst wenn das Startup mit seinem Konzept erfolgreich ist, dürfte sich in den Bilanzen des Kodakkonzerns wenig davon zeigen. Trotzdem hat sich der Börsenwert nach der Ankündigung des Kodak-ICOs verdreifacht und hält sich bisher auf hohem Niveau.

Solche Lizenzdeals sind nichts Ungewöhnliches. Gerade bei der Kodakmarke hat sich ein ganzes Geflecht an Firmen gebildet, die nichts mit dem Konzern gemein haben außer dem Namen. Neu entwickelte Digitalkameras unter dem Namen Kodak PixPro werden derzeit von einer Firma namens JK Imaging verkauft. Ein Kodak-Drucker wird von Prinics vertrieben, Twindom bietet Kodak-Full-Body-3D-Scanner an und Paper Trade Network hat gleich mehrere Kodak-Produkte im Portfolio: eine Smartphone-Tasche, bedruckbare Luftballons, Foto-Gemälde und Speicherkarten. Erst kürzlich ging auch die Nachricht durch die Medien, dass Kodak Bitcoin-Mining-Rechner verkaufe. Tatsächlich steckt dahinter Spotlight Energy, Kodaks Branding war nur aufgeklebt.

Auch bei dem Kodak-ICO handelt es sich letztlich nur um einen neu gebrandeten Versuch, eine Foto-Blockchain aufzubauen. Mindestens 20 Millionen Dollar erhofft sich Ryde-CEO Denecke von der Tokenausgabe. Die Kryptowährung soll im Verhältnis 1:1 an den Dollar gekoppelt werden und alle 500 Millionen Security-Token bereits zum Start gemined sein. In einem ersten ICO dürfen nur registrierte, vermögende Investoren teilnehmen, deren Einkommen 200.000 Dollar oder deren Vermögen eine Million Dollar übersteigt – das würde die US-Börsenaufsicht bei Security-Token so fordern, sagt CEO Denecke. Ende Juni ist ein weiterer für Kleinanleger geplant. Währenddessen soll an der Blockchain und dem dazugehörigen Webportal geschraubt werden: „2019 werden wir mit dem Produkt richtig live gehen“, sagt Denecke. Profitieren sollen Token-Investoren von regelmäßigen Gewinn-Ausschüttungen des Startups, das unter anderem mit den üblichen Transaktionsgebühren für Einnahmen sorgen will. Wie häufig und wie hoch solche Dividenden-ähnlichen Ausschüttungen sein sollen, stand wenige Tage vor dem ICO noch nicht fest.

Auf die Frage, ob sein Startup mit dem Foto-Lizenzhandel erfolgreich sein werde, gibt Denecke offen zu: „Wir machen hier nicht die geilste Blockchain der Welt.“ Allerdings habe man jahrelange Erfahrung im Lizenz-Geschäft und mache damit wett, was andere Startups im technologischen Bereich vielleicht voraus hätten.

Ungeachtet dessen dürften jedoch alle Teilnehmer des Marken-Deals ihren Vorteil daraus ziehen. Der Kodak-Konzern freut sich über Kurssprünge an der Börse und wird künftig mit der Blockchain-Technologie in Verbindung gebacht. Ryde und Wenn Digital dürften ihrerseits von der Publicity profitiert haben. „Dass es so stark einschlägt – damit haben wir nicht gerechnet“, sagt Denecke. Nur die Krypto-Investoren müssen beim KodakCoin-ICO noch mitspielen und ihr Geld geben. Der Verkauf der Token begann jedenfalls heute nacht.

Gründerszene

Dieser Artikel erschien zuerst bei Gründerszene
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