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Wer baut den deutschen Tesla-Killer?

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Dem Elektroauto gehört die Zukunft, da sind sich auch die deutschen Autobauer einig. Doch Mercedes, VW, BMW und Porsche wirken wie Getriebene, die reagieren statt zu agieren. Sie alle scheinen einer Firma aus Kalifornien hinterher zu eilen, die in den Medien dauerpräsent ist: Tesla.

Früher dachte man beim Wort Elektroauto an seltsam geformte Fahrzeuge wie den Toyota Prius. Trotz mehrerer Facelifts und steigender Absatzzahlen wirkt das Design des Wagens aus Japan immer noch gewöhnungsbedürftig. Man könnte sagen: Es fehlt an Sexyness. Dieses Manko gleicht Konkurrent Tesla mit seinen Modellen bestens aus. Die schnittigen Sportwagen und Limousinen der Kalifornier sind quasi das iPhone unter den E-Autos.

Auch deswegen genießt die Firma von Seriengründer Elon Musk große mediale Aufmerksamkeit. Und kann – neben ein paar Negativschlagzeilen wie Produktionsproblemen oder Autopilot-Unfällen – auch handfeste Erfolge vorweisen. Zum Beispiel für das Model 3: Obwohl das Auto bislang nur als Prototyp existiert und es fraglich ist, ob es bis Ende 2017 erscheinen kann, gingen nach der Präsentation im Frühjahr innerhalb einer Woche über 300.000 Vorbestellungen ein. Das zeigt, dass einerseits die Marke Tesla eine gewaltige Strahlkraft besitzt – und dass man andererseits dem jungen Autobauer zutraut, die Zukunft der Elektrofahrzeuge voranzutreiben.

Wenn man sich die Geschichte des Automobils anschaut, mutet das seltsam an: Schon 1839 wurde das erste Elektrofahrzeug gebaut, und Anfang des 20. Jahrhunderts fuhren alleine in den USA rund 60.000 E-Mobile auf den Straßen. Doch der Boom hielt nicht an, die Batterien wurden durch Verbrennungsmotoren ersetzt, der Rest ist Geschichte.

Doch die Autobauer gaben das Konzept des batteriebetriebenen Fahrzeugs nie auf, immerhin ist Öl als Energiequelle endlich, und Fahrzeugabgase gelten als Klimakiller. BMW feierte 2012 zum Beispiel den 40. Geburtstag seiner Elektroauto-Bemühungen. Mit Betonung auf „Bemühungen“, denn bislang erreichte kein BMW mit Elektroantrieb den Massenmarkt.

Bei anderen Herstellern sieht es indes nicht besser aus, das zeigen die aktuellen Zulassungsstatistiken: Beim Kraftfahrt-Bundesamt sind 2015 in Deutschland rund 3,21 Millionen PKW-Neuzulassungen eingegangen, aber nur 33.600 Hybrid-Autos und 12.360 reine Elektrofahrzeuge wurden verzeichnet. Hieraus resultiert zusammengerechnet ein Marktanteil von unter zwei Prozent am Gesamtvolumen, das ist nicht gerade viel. Doch immerhin: die Zahlen steigen.

Ein Grund dafür könnte sein, dass Tesla das Thema forciert und die anderen Autohersteller davon profitieren. Den Kaliforniern gehöre die elektrifizierte Zukunft als nicht allein, sagt der Unternehmensberater Klaus Reichert im Gespräch mit WIRED: „Solche kurzen Momentaufnahmen sind im Verlauf der Marktdurchdringung einer Innovation unsinnig.“

Die eigentliche Kernkompetenz von Tesla liegt in der Software für die Batteriesteuerung

Klaus Reichert, Unternehmensberater

Obwohl er Fan des Konzepts Elektromobilität ist, sieht Reichert den Hype um Tesla kritisch: Die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen und die nicht vorhandene langfristige Erfahrung des Unternehmens lasse zu wenige Rückschlüsse über die Alltagstauglichkeit für breite Nutzergruppen zu. „Die eigentliche technische Kernkompetenz von Tesla liegt in der Software für die Batteriesteuerung. Darin, das Optimale in allen Lebenslagen aus der Vielzahl der Akkuzellen rauszuholen“, sagt Reichert. Er ist davon überzeugt, dass traditionsreichere Automobilbauer an Musks Startup bald links und rechts vorbeiziehen werden. Und gerade den deutschen Marken traut er dabei viel zu.

Ähnlich sieht es der Bundesverband eMobilität e.V., der in der derzeitigen Krise der deutschen Autohersteller – ausgelöst durch den Diesel-Skandal um VW – eine Chance für die Zukunft sieht. „Diese Krise bedeutet das Ende der gesamten Automobilwirtschaft, wie wir sie kennen. Und das ist gut so“, sagt der Vizepräsident des Verbandes Christian Heep. „Denn noch ist es möglich, unseren elektromobilen Rückstand in der Welt aufzuholen. Damit verbessern sich unsere Chancen auf ein in der Zukunft marktfähiges Produkt enorm: Elektroautos, die weltweit gekauft werden.“ Heep zufolge schlägt „endlich die Stunde der Elektromobilität“.

Aber haben die deutschen Hersteller dafür überhaupt passende Fahrzeuge im Portfolio? Wenn man sich mit dem Thema Elektroautos beschäftigt, stellt man schnell fest, dass es mehr als nur die Autos von Tesla und Toyota gibt. Neben den Amerikanern und Japanern bieten auch alle deutschen Marken elektrifizierte Wagen an. Volker Koerd, Chefredakteur der Auto Zeitung, meinte hierzu in Ausgabe 16/2016: „BMW hat mit den Modellen i3 und i8 zumindest in der Wahrnehmung die Nase bei der Elektromobilität vorne.“

Diese Wahrnehmung spiegelt sich in den Verkaufsstatistiken wider: Laut einer Analyse von mein-elektroauto.com wurden 2016 in den ersten drei Monaten bundesweit 690 BMW i3 verkauft, womit der bayerische Hersteller hinter dem Renault Zoe den zweiten Platz der E-Auto-Neuzulassungen im ausgewählten Zeitraum einnimmt. Dahinter folgen einige internationale und nationale Mitbewerber, zum Beispiel der VW e-up! (Platz 4, 238 Fahrzeuge), der Smart Fortwo (Platz 11 mit 59 Stück) und Audis R8 e-tron (Platz 15 mit einer Zulassung).

Aufgrund der geringen Stückzahlen ist das Marktsegment aktuell theoretisch vernachlässigbar – könnte man meinen. Die Hersteller widmen sich dem Thema Elektromobilität trotzdem mit größtem Eifer. So ist etwa Opel überzeugt, dass „Elektrofahrzeuge in Zukunft eine wesentliche Rolle bei der individuellen Mobilität spielen werden“. Und der Mercedes-Mutterkonzern Daimler erklärt in einer Pressemitteilung, dass man ein „Bekenntnis zur elektrischen Zukunft“ abgebe, indem man Elektromobilität „zur Chefsache“ mache. Volkswagen hat seinerseits die neue Strategie „TOGETHER“ ausgerufen, mit der man „zu einem weltweit führenden Anbieter nachhaltige Mobilität“ werden will.

Diese und ähnlich klingende Versprechen geben nahezu alle Automobilhersteller. Und den vollmundigen Ankündigungen sollen jetzt Taten folgen. VW will beispielsweise bis zum Jahr 2025 rund 30 Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen, darunter auch ein e-Golf mit 300 Kilometern Reichweite und ein Kompaktwagen, der perspektivisch sogar den Klassiker Golf ersetzen kann, wie die Auto Zeitung glaubt.

Auch die VWs Konzernschwester Audi arbeitet an batteriebetriebenen Modellen. Wenn es nach den Plänen des Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler geht, wird Audi ebenfalls bis zum Jahr 2025 mindestens 25 Prozent seines Umsatzes mit Elektrofahrzeugen generieren. Der Audi Q6 e-tron quattro soll gar aus dem Stand heraus Tesla in Sachen Verkaufszahlen überholen. Das Börsenportal wallstreet: online bezeichnet diese markigen Worte als „eine Kampfansage“ an Elon Musk.

Eine weitere Tochter im Volkswagen-Konzern rüstet sich ebenfalls für eine Neuausrichtung: Porsche will bis 2019 mehr als 1400 neue Arbeitsplätze schaffen, um 2020 einen elektrisch betriebenen Sportwagen auf den Markt zu bringen. Das entsprechende Konzeptfahrzeug nennt sich Porsche Mission E (siehe oben) und wird von manchem schon als „Tesla-Killer“ gehandelt – weil bei Porsche eben auch das Sportliche im Vordergrund steht: Von 0 auf 100 in dreieinhalb Sekunden, Tempo 200 in zwölf Sekunden, Maximalgeschwindigkeit über 250 km/h und eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern – das sind die angepeilten Eckdaten.

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Wer nicht das nötige Kleingeld für einen Porsche besitzt, aber trotzdem ein deutsches E-Auto haben möchte, findet bei anderen Anbietern die ersten Tippelschritte in Richtung Zukunft. Neben dem bereits genannten i3 von BMW oder dem e-Up! und e-Golf von VW haben auch Opel oder Daimler mehrere Fahrzeuge im Angebot. Und die machen Hoffnung.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sagt zum Beispiel, dass der für 2017 geplante Opel Ampera-e „das Elektroauto salonfähig machen wird“. Schon im Straßenverkehr unterwegs sind derweil die Mercedes-Benz B-Klasse Electric Drive, die unter anderem bei der Polizei in Sachsen und in einzelnen Fahrschulen zum Einsatz kommen. Auch kein Unbekannter ist der Smart Fortwo Electric Drive, der schon seit 2009 verkauft wird.

Wenn man etwas nachforscht, erkennt man also, dass Elektrofahrzeuge nicht erst seit Tesla wieder über die Straßen gleiten. Doch es sind vor allem US-Unternehmen, die hartnäckig daran arbeiten, das Thema mit Highspeed voranzutreiben und bestehende Nachteile auszumerzen. Dazu gehören zum Beispiel die geringe Reichweite und das bislang dünne Netz aus Stromtankstellen. Bis dahin müssen Fahrer längere Strecken genau planen, indem sie sich auf den Bordcomputer sowie spezielle Ladetankstellen-Apps oder -Websites verlassen.

Zudem muss die Politik den Weg ebnen. Beispiele wie das Projekt eMO der Berliner Agentur für Elektromobilität oder finanziellen Anreizen für den Kauf von Elektroautos – Stichwort Kaufprämie – signalisieren jedenfalls Bereitschaft von dieser Seite.

Unternehmensberater Reichert glaubt jedenfalls, dass es bei den E-Mobilen in den nächsten Jahren mit großen Schritten vorangehen wird – und zwar weltweit. „Die gesetzlichen Vorgaben vieler Länder sorgen dafür, dass sich das Verhalten und das Angebot ändern“, sagt er. „Zum Beispiel überlegen Norwegen, die Niederlande und Indien, die Zulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu beschränken.“

Bei den aktuellen, übereifrig wirkenden Bemühungen der deutschen Autobauer fragt man sich jedoch: Warum kam das alles eigentlich nicht schon früher? Für Daimler-Chef Dieter Zetsche ist das Ganze eine Frage des richtigen Timings. „Das ist wie mit der umgedrehten Ketchup-Flasche. Wenn man draufschlägt, weiß man, irgendwas kommt raus“, sagte er kürzlich gegenüber der WirtschaftsWoche. „Du weißt nicht wann, aber wenn's kommt, dann richtig. Dann ist es schlecht, wenn man nicht bereit ist.“

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