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Ein Berliner Startup macht dreckiges Leitungswasser sauber

von Sarah Heuberger
Mineralwasser in Flaschen belastet die Umwelt und kostet viel Geld. Ein Berliner Startup hat eine neue Art von Wasseraufbereiter entwickelt, der verlässlich Schadstoffe entfernt und das Wasser mit Mineralstoffen anreichert – ganz nach Wunsch.

Einige Tropfen aus dem Wasserhahn reichten, um Moritz Waldstein-Wartenberg den Durst zu nehmen. Zusammen mit seinem Team analysierte er, was aus den Leitungen in seinem Büro in Berlin-Mitte herauslief, und siehe da: „Wir fanden zwanzigmal mehr Spuren von Uran als erlaubt", erinnert sich der Mitgründer und CEO des Startups mitte, das einen neuartigen Wasseraufbereiter entwickelt hat – einen, der garantieren soll, dass am Ende keine Schwermetalle, Hormone oder andere Schadstoffe zurückbleiben.

Tatsächlich gibt es ein Problem: Zwar schneidet deutsches Leitungswasser laut Stiftung Warentest noch immer besser ab als in Flaschen abgefülltes aus dem Supermarkt. Egal aber, wie sauber das Wasser theoretisch sein mag – oft fließt es auf dem Weg zum Hahn durch viele Jahre alte Leitungen. „Bis zum Haushaltsanschluss müssen die Wasserwerke einwandfreies Wasser liefern,“ erklärt Jessica Fischer von der Verbraucherzentrale Berlin. „Danach ist es Sache der Vermieter oder Eigentümer.“

Außerdem kann es sein, dass Wasserwerke bestimmte Bestandteile gar nicht erst testen und deshalb auch nicht herausfiltern. So führt die deutsche Trinkwasserverordnung zwar 40 Stoffe auf, auf die sie das Wasser untersucht. Es gebe aber noch viele mehr, die nicht berücksichtigt würden, sagt Fischer. Ein Beispiel: Mikroplastik. Bei einer Recherche der Non-Profit-Organisation Orb Media entdeckten Wissenschaftler in 72 Prozent aller Wasserproben in Europa Spuren von Mikroplastik. In den USA waren es sogar 94 Prozent. „Wir wissen nicht genau, was Mikroplastik mit unseren Körpern tut“, sagt Waldstein-Wartenberg – aber der Wasseraufbereiter, den seine Firma entwickelt hat, filtere es vorsorglich dennoch mit heraus.

Das Gerät soll nicht nur sauberes Trinkwasser liefern, sondern auch den Konsum von Wasser in Flaschen bremsen. Der steigt seit Jahren ungebremst an: 2016 tranken die Deutschen durchschnittlich 148 Liter Mineral- und Heilwasser pro Kopf, 1970 waren es noch 12,5 Liter. Ähnlich sieht es in anderen Ländern aus.

Dabei ist das ganze Konzept, Wasser in Flaschen zu verkaufen, eine Katastrophe für die Umwelt: Plastikflaschen werden meist nur einmal genutzt, Glasflaschen wiegen deutlich mehr. Lange Transportwege kosten viel Energie, und auch das Reinigen der Flaschen verbraucht, nun ja, sehr viel Wasser. „Es ergibt einfach keinen Sinn, Wasser aus Frankreich zu kaufen, um es dann auf vielen Zwischenstationen nach Deutschland zu karren“, sagt Waldstein-Wartenberg.

Die mitte-Maschine nutzt zur Reinigung das Prinzip der Destillation, eine der ältesten Methoden überhaupt, um Wasser von Schadstoffen zu befreien. „Wir haben das nur ins 21. Jahrhundert gebracht“, sagt Waldstein-Wartenberg. Grundlage dafür ist ein mehrstufiger Prozess: Im ersten Schritt wird das Wasser erhitzt, bis es verdampft. Dabei verliert es allerdings auch Mineralstoffe wie Magnesium, Kalzium oder Natrium, die der Körper braucht.

Deshalb reichert das mitte-Gerät das gereinigte Wasser im zweiten Schritt wieder mit Mineralien an, und zwar ganz nach Wunsch: Nutzer können aus drei Kartuschen wählen, deren Mineralstoff-Mix bestimmt, ob das Wasser eher „weich“ wird (zum Beispiel für Babynahrung oder Kaffee und Tee“), eher „hart“ (also reich an Nährstoffen) oder alkalisch, wie es Fans einer basischen Ernährungsweise gern mögen.

Eine Herausforderung für die Entwickler war: Destillation reinigt Wasser sehr gründlich, verbraucht aber auch viel Strom. Die mitte-Entwickler haben deshalb ein Verfahren entwickelt, um die Energie wiederzuverwenden. Der Stromverbrauch beim Reinigen von vier Litern Wasser ist nach Angaben der Entwickler vergleichbar mit einer halben Stunde Bügeln.

Für das energiesparende Destillationsverfahren hat mitte bereits ein Patent angemeldet. Auch die zweite Stufe des Filterprozesses, die Remineralisierung, will sich das Startup patentieren lassen. Die Inspiration dabei bildet die Natur: Wenn Quellwasser durch unterschiedliche Gesteinsschichten fließt, nimmt es dabei verschiedene Mengen an Nährstoffen auf. Deshalb schmeckt zum Beispiel das Wasser von Gerolsteiner anders als Evian oder Fiji.

Schnell geht die Reinigung nicht. Den Vier-Liter-Tank komplett zu füllen dauert ungefähr acht Stunden. „Wir sind natürlich nicht ganz glücklich, dass es so lange dauert“, gibt der CEO zu, „aber alles andere wäre energietechnisch Wahnsinn.“

Dass sie mit ihrer Idee offenbar einen Nerv getroffen haben, sehen die Entwickler am Erfolg ihrer Kickstarter-Kampagne: In wenigen Tagen kamen bereits 180.000 Euro zusammen. Finanzielle Unterstützung erhalten die mitte-Gründer auch von Risiko-Investoren und einem Förderprogramm der EU.

Käufer müssen sich noch bis zum Frühjahr gedulden, ehe die ersten Geräte ausgeliefert werden sollen. Zu den etwa 400 Euro für den Wasseraufbereiter selbst kommen noch die Kosten für die Kartuschen, die etwa 40 Euro kosten und für jeweils 400 Liter ausreichen sollen. Mit solchen Preisen spricht der Wasseraufbereiter eindeutig eine besserverdienende Zielgruppe an. „Wir starten jetzt mit einem Premiumprodukt“, sagt Waldstein-Wartenberg, „später sollen auch Basisprodukte folgen.“ Damit wollen die Erfinder ihre Technologie auch in Länder bringen, in denen das Wasser weit stärker verschmutzt ist als in Deutschland.

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