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Party like it’s 1999: Wie die Musikindustrie beim Streaming ihre alten Fehler wiederholt

von Elisabeth Oberndorfer
Spotify, Apple Music und Tidal treiben mit ihren exklusiven Deals mit Kanye West, Beyoncé und Co. bloß die illegalen Downloads in die Höhe. Gewinner gibt es bei diesem wahnsinnigen Wettrennen der Musikbranche nicht, kommentiert Elisabeth Oberndorfer.

The Internet is completely over“, sagte Prince im Jahr 2010 und fasste damit die Einstellung einer gesamten Industrie gegenüber einem für sie immer noch neuen Medium zusammen. Schon elf Jahre zuvor hatte der Online-Dienst Napster die Musikbranche gezwungen, sich endlich den digitalen Kanälen zu öffnen. Doch trotz dieser langen Zeit konnten die Labels den Trend zu illegalen sowie später legalen Downloads und Streaming nicht aufhalten.

Aus dieser Geschichte lernte die Musikbranche allerdings nicht. Denn knapp zwei Jahrzehnte nach dem Filesharing-Hype beginnt der Kampf um Exklusivität aufs Neue.

„Napster hätte das werden sollen, was Spotify heute ist”, erklärte Mitgründer und Investor Sean Parker vor einigen Jahren – zu einem Zeitpunkt, als sich die Musikindustrie gerade dem schwedischen Startup öffnete und den neuen Distributionsweg begrüßte. Doch die Künstler waren mit der Kompensation weniger zufrieden als die Major-Labels, und so beendete Taylor Swift die Spotify-Euphorie, indem sie ihr gesamtes Werk aus dem Streaming-Dienst entfernte. Dabei war Swift längst nicht der erste Popstar, der diesen Schritt wählte, bloß der wichtigste.

Nicht nur die Preise nähern sich wieder der CD-Ära an, sondern auch die kundenunfreundlichen Praktiken

Der Verlust für Spotify war ein Gewinn für Apple. Denn Swift zwang den Technologiekonzern mit einem offenen Brief in die Knie und erhielt wenig später einen exklusiven Deal mit Apple Music. Jetzt macht die Sängerin sogar Werbung für die Musik-Plattform.

Während Swift ihre neue digitale Heimat gefunden hat, baute sich Jay Z eine eigene Insel für sich und seine Musiker-Kollegen auf. Er übernahm das Startup Tidal, um es als exklusive und künstlerfreundliche Alternative zu den anderen Streaming-Anbietern zu etablieren. Die Künstlerfreundlichkeit ist umstritten, aber exklusive Deals mit Rihanna, Kanye West und seiner Ehefrau Beyoncé sorgen dafür, dass Tidal stetig Abonnenten generiert.

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Das Sich-Verweigern der Künstler gegenüber bestimmten Musikportalen geht jedoch nach hinten los. Als Kanye West behauptete, dass sein neues Album „The Life of Pablo“ nur bei Tidal und niemals, wirklich niemals woanders erhältlich sein würde, trieb er damit die illegalen Downloads in die Höhe. Eine halbe Million User sollen sich die Platte woanders besorgt haben als bei Tidal. Und es kommt noch schlimmer: Wenige Wochen später veröffentlichte West „The Life of Pablo“ plötzlich doch auch bei allen anderen Streaming-Diensten. Ein Fan verklagte den Musiker und Tidal, weil Wests ihn mit falschen Behauptungen zum Abschluss eines Bezahlabos verführt habe.

Ein ähnliches Spiel trieb Tidal am vergangenen Wochenende mit Beyoncés neuem Album. Dieses sei Tidal-exklusiv und so schnell nicht bei anderen Plattformen zu finden, hieß es. Seit gestern hat jedoch auch iTunes „Lemonade“ als digitalen Download im Angebot – für 17,99 Dollar. Damit nähern sich nicht nur die Preise der längst vergangenen geglaubten CD-Ära an, sondern auch die kundenunfreundlichen Praktiken der Musikindustrie.

Die Labels machen es uns einmal mehr schwer, einfach und zu fairen Preisen an neue Musik zu kommen

Denn wie damals zur Jahrtausendwende machen es uns die Labels und großen Künstler einmal mehr schwer, einfach und zu fairen Preisen an neue Musik zu kommen. Wer nicht auf ganze Diskografien verzichten will, muss fast die drei Streaming-Konkurrenten Spotify, Apple Music und Tidal gleichzeitig abonnieren. Das würde rund 360 Euro pro Jahr kosten. Hinzu kommen hochpreisige Downloads für Werke, die auf unbestimmte Zeit nicht als Stream verfügbar sind. Wenn Stars dann noch ihre Versprechen brechen, wird der Weg zum illegalen Download noch kürzer. Exklusive Deals sind sowohl für die Künstler als auch für die Fans schlecht, findet sogar Spotify.

Das Frustrierendste am Streaming-Streit ist, dass nicht die Beyoncés und Taylor Swifts der Musikwelt an den vielfach als unfair bezeichneten Abgaben für die Künstler leiden, sondern die kleinen, unabhängigen Musiker. „Hunderttausende Aufrufe auf Spotify. Ein 66-Dollar-Scheck“, klagte Richie Cunning, ein Rapper aus San Francisco, unlängst auf Twitter. Wer Indie-Künstler unterstützen will, geht zu ihren Shows oder kauft die Musik direkt an der Quelle. Die obere Pop-Liga hält sich währenddessen mit Sponsoren über Wasser.

Prince hatte also doch recht. Wenige Monate vor seinem Tod erläuterte er sein Zitat über das Internet: „Was ich meinte ist, dass das Internet für alle, die bezahlt werden wollen, vorbei ist. Und damit lag ich richtig. Nenn’ mir einen Künstler, der mit digitalen Verkäufen reich geworden ist“, sagte der Popstar. „Aber Apple geht es doch gut, oder?“ 

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