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Kartellverfahren wegen Wettbewerbsverzerrung: Warum die EU gegen Google vorgeht

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Jetzt macht die Europäische Union ernst: Die EU-Kommission hat heute angekündigt, gegen Google ein Verfahren wegen des Verdachts auf Wettbewerbsverzerrung einzuleiten. Dabei geht es neben Googles Suchmaschine auch um das Betriebssystem Android. Dem Konzern könnte ein Bußgeld in Milliardenhöhe drohen — allerdings ist auch eine Einigung denkbar. Doch nicht nur aus Brüssel droht Ärger, sondern auch aus Frankreich.

Die Zeitungen New York Times, Financial Times und Wall Street Journal meldeten vorab, was EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager nun auf einer Pressekonferenz in Brüssel offiziell verkündet hat: Die Europäische Union wirft Google unfairen Wettbewerb vor und wird deshalb mit einer formellen Beschwerde gegen den Konzern vorgehen. 

Vor allem der Preisvergleichsdienst Google Shopping steht im Zentrum der Kritik. Die EU wirft Google vor, Suchergebnisse seiner Suchmaschine so zu manipulieren, dass die eigenen Dienste in den Trefferlisten vorteilhaft platziert würden, was nach vorläufigen Ermittlungsergebnissen gegen EU-Kartellrecht verstoße. Damit habe der Konzern sich „einen unfairen Vorteil verschafft“, erklärte Vestager. „Wir wollen, dass die Verbraucher bei einer Suchanfrage die besten Suchergebnisse präsentiert bekommen“, sagte sie auf der Pressekonferenz. Andere Google-Geschäftsbereiche wie Karten oder Reisen würden ebenfalls geprüft.

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Zu den Beschwerdeführern gehören unter anderem europäische Medienunternehmen und Firmen wie das Preisvergleichsportal Ciao oder Online-Reiseanbieter wie Expedia und TripAdvisor.

Vestager sagte, die EU habe Google die Klageschrift zukommen lassen und hoffe auf ein kooperatives Verhalten seitens des US-Unternehmens. In Googles Suchalgorithmus oder ins Screendesign wolle sich die Kommission aber nicht einmischen. Der Internetgigant hätte nun, so die offizielle Pressemitteilung, die Gelegenheit, „die Kommission vom Gegenteil zu überzeugen“. Für eine Antwort auf die offizielle Beschwerde bleiben Google zehn Wochen Zeit.

Google argumentiert, Internetnutzer könnten genauso gut andere Suchmaschinen verwenden.

Die EU will nach Beschwerden von Konkurrenten außerdem Googles Mobil-Betriebssystem Android in einer unabhängig vom Suchmaschinen-Verfahren eingeleiteten Untersuchung unter die Lupe nehmen. Android hat weltweit einen Marktanteil von mehr als 80 Prozent. „Wir wollen sicherstellen, dass die Märkte in diesem Bereich sich entwickeln können, ohne dabei von einem Unternehmen durch wettbewerbswidrige Handlungen behindert zu werden“, sagte Vestager.

Schon seit 2010 läuft ein EU-Untersuchungsverfahren gegen Google, nach fünfjährigen Ermittlungen macht die Kommission nun also ernst. Google selbst hatte allerdings jegliches Fehlverhalten wiederholt abgestritten und zudem argumentiert, Internetnutzer könnten schließlich genauso gut andere Suchmaschinen verwenden.

Zuletzt hatte sich Google mehrfach zu Zugeständnissen bereiterklärt und bot unter anderem an, Suchergebnisse von Konkurrenzanbietern prominenter zu platzieren und die Ergebnisse der eigenen Dienste deutlicher zu kennzeichnen. Der ehemalige EU-Wettbewerbskommissar, Joaquín Almunia, hatte sich seinerzeit zunächst mit dem Angebot des Unternehmens zufrieden erklärt. Ganz im Gegensatz zu anderen Kommissionsmitgliedern aus Frankreich und Deutschland sowie den Unternehmen, die in Brüssel Beschwerde gegen Google eingereicht hatten. Nachdem Margrethe Vestager im November 2014 Almunias Nachfolge angetreten hatte, kündigte sie an, die Causa Google weiter verfolgen zu wollen.

Experten rechnen allerdings damit, dass eine Entscheidung mindestens ein Jahr dauern könnte. Sollte Google tatsächlich für schuldig befunden werden, könnten bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes des Web-Konzerns als Strafe fällig werden — das wären umgerechnet bis zu 6,6 Milliarden Euro. Die Firma wäre dann auch gezwungen, ihr Suchmaschinensystem in Europa, wo Google einen Marktanteil von über 91 Prozent hat, komplett umzubauen. Google hat allerdings die Möglichkeit, eine neue Anhörung zu beantragen. Außerdem könnte man der EU weitere Zugeständnisse anbieten, um eine Einigung zu erzielen.

Eine ähnliche Forderung aus Deutschland hat Google 2014 dankend abgelehnt.

Wirklich einsichtig scheint Google aber nicht zu sein: In einem von re/code veröffentlichten internen Schreiben an die Mitarbeiter verteidigt das Unternehmen sich gegen die Vorwürfe der EU. Man sei von der formellen Verfahrenseröffnung sehr enttäuscht und habe „sehr gute Argumente“ parat, die belegen, dass der Wettbewerb keinesfalls verzerrt werde und die Nutzer davon profitieren würden.

Noch mehr Gegenwind für Google gibt es unterdessen aus Frankreich: Wie unter anderem Business Insider berichtet, prüft der französische Senat derzeit einen Gesetzesvorschlag, der Google dazu zwingen soll, seinen Suchmaschinen-Algorithmus offenzulegen. Dass ein solches Gesetz aber wirklich Realität wird, ist mehr als unwahrscheinlich — zumal eine ähnliche Forderung des deutschen Justizministers Heiko Maas im September 2014 von Google dankend abgelehnt wurde.

Fakt ist: Googles unangefochtene Dominanz ist Mitbewerbern und manchen Politikern ein Dorn im Auge. Dass sie ins Wanken geraten könnte, dürfte aber ein Wunschdenken der Kritiker bleiben. Denn selbst, wenn der Konzern eine Milliardenstrafe an die EU zahlen müsste, wie es vor Jahren auch schon bei Microsoft der Fall war: Die Marktmacht von Google ist derart groß, dass sie trotz aller Eindämmungsbemühungen auf viele Jahre hin bestehen bleiben dürfte. 

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